Der "Man in Black" ganz privat

21.11.2011
In der Biografie über seinen Vater Johnny Cash lässt John Carter Cash den Leser einen tiefen Blick in das Privatleben des berühmten Musikers werfen. Mit zahlreichen unveröffentlichten Briefen, Fotos und Zeichnungen ist es etwas für Cash-Kenner und -Nicht-Kenner. Vor allem ist es aber eine Verbeugung des Sohns vor dem großen Vater.
Am 26. Februar 2012 jährt sich zum 80. Mal der Geburtstag von Johnny Cash. Er gehört zu den wenigen Musikern, deren Rezeption auch über ihren Tod hinaus nichts Museales annimmt. Cash starb vor acht Jahren, aber nach wie vor erscheinen unveröffentlichte Song-Versionen und neue Alben, und auch jenseits des millionenfachen Verkaufs alter und neuer Tonträger bleibt Johnny Cash ein mediales Thema. Das zeigt sich im Erfolg des oscarprämierten Spielfilms "I walk the line" (2005) genau so wie in der Entstehung neuer Dokumentarfilme wie "Johnny Cash at Folsom Prison" (2008) – und in unzähligen Publikationen.

Auch John Carter Cash, Jahrgang 1970, Biograph seiner Mutter June Carter, Kinderbuchautor, vor allem aber Musiker, Produzent und Betreiber des väterlichen Cash Cabin Studios in Tennessee, wurde durch die anhaltende Faszination seines Vaters zu diesem Buch inspiriert:

"Überall auf der Welt und in allen Lebensbereichen trifft man auf seine Fans. Bei einem alten Farmer in Topeka, Kansas, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er eine umfassende Sammlung von Dads Platten besitzt, genau so groß wie bei einem Punkrock-Fan aus Hamburg. Sein Einfluss reicht weit."

John Carter Cash geht es in seiner Biographie nicht um die Wiedergabe bekannter Koordinaten. Er nennt es ein "Porträt des Innenlebens meines Vaters", das zeigen will, wie Johnny Cash aus seiner Sicht "wirklich" war: ein sanfter, liebevoller und demütiger Mensch, zutiefst im Glauben verankert. Als Material dienen ihm bislang unveröffentlichte Fotografien, Zeichnungen, Briefe, auch zahllose Liebeserklärungen an June Carter.

Viele persönliche Hinterlassenschaften des Älteren sind als Faksimiles beigelegt: ein gebasteltes Papierherz, zwischen die Buchseiten geklemmt, Briefe und Schuldiplome zum Rausnehmen, ein Mal-Album, handgeschriebene Rezepte u.a. des "Cashburgers" - in einem kleinen Etui herausziehbar. Im Format etwas größer als DINA4, wirkt dieses Buch wie ein intimes, liebevolles Familienalbum, das den Leser ein bisschen zum Voyeur macht.

Umgekehrt ist es aber kein "Coffeetable-book" mit rein kulinarischem Inhalt. Viele der enthaltenen Kostbarkeiten sind auch für den Cash-Kenner von Interesse: unterschiedliche handgeschriebene Versionen der lyrics von "The man comes around" etwa oder das Autograph eines gereimten Gedichts aus dem Jahr 1982, in dem sich Cash wünscht, man möge doch keinen Film über ihn drehen.

Ergänzt werden diese Materialien durch Texte von John Carter Cash. Er hat seine Erinnerungen in zehn thematische Kapitel gegliedert, "Glaube und Weltsicht" oder "Fotografie und Kunst" – und obwohl viele der darin enthaltenen Anekdoten ganz im Bezug zur Erlebniswelt des Sohnes stehen, erzählen sie doch Wichtiges über die Persönlichkeit von Johnny Cash: wie entspannt er in brenzligen oder gefährlichen Situationen reagiert hat oder in welch biblischem Ton er seinem ebenfalls drogenabhängigen Sohn in einem Brief Mut zum Entzug macht.

Auch wenn dieses Buch eine große Verbeugung vor dem geliebten Vater und "Man in Black" ist: Es zeigt ihn vor allem als Privatperson. Exemplarisch ein letztes Zitat: "Meine Mutter sagte immer: Dad trägt Schwarz, damit man die Flecken nicht so sieht."

Besprochen von Olga Hochweis

John Carter Cash: Mein Vater Johnny Cash - Die Biografie mit unveröffentlichten Fotografien, Gedichten und Songtexten
Übersetzung Werner Roller und Claire Roth
Knesebeck Verlag, München 2011
160 Seiten, mit 200 Abbildungen und 10 herausnehmbaren Faksimiles
39,95 Euro

Link:
26 Arten, den Blues zu haben - Franz Dobler: "Letzte Stories", Blumenbar Verlag, Berlin 2010, 168 Seiten
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