Der lange Weg der Rechtschreibreform

Von Margarete Limberg · 03.06.2005
Im Laufe des letzten Sommers wurde klar, dass der Rechtschreibfrieden ohne eine Reform der Reform nicht wieder herzustellen sein würde. Zwar hatten die Ministerpräsidenten der Länder noch Ende Juli mehrheitlich dafür plädiert, die neuen Regeln, wie von der Kultusministerkonferenz beschlossen, zum 1.August 2005 als alleingültig einzuführen. Aber diese Position ließ sich angesichts der massiven Proteste nicht durchhalten. Im Oktober bereits wurde beschlossen, den Rat für Rechtschreibung einzusetzen, der sich im Dezember konstituierte.
Der Kampf um die neue Schreibweise war jahrelang mit größter Erbitterung geführt worden. Seit Deutschland, Österreich und die Schweiz beschlossen haben, die Reform ab 1. August 1998 an Schulen und in Behörden einzuführen, ließen die Gegner nichts unversucht, den Zug noch aufzuhalten. Auch das Bundesverfassungsgericht wurde angerufen. Dass es den Weg für die Reform freimachte, beirrte die Gegner nicht. Prominente Schriftsteller und Wissenschaftler forderten ein Ende des Vorhabens, in dem sie die Zerstörung der deutschen Sprache sahen, Zeitungen führten die alte Rechtschreibung wieder ein, die große Mehrheit der Deutschen, so ergaben Meinungsumfragen, war gegen die Reform.

Der Rat für Rechtschreibung sollte einen Ausweg schaffen. Da eine Rückkehr zum alten Regelwerk ausgeschlossen wurde, sollte der aus 18 deutschen und je neun österreichischen und schweizerischen Experten bestehende Rat die kritischen Punkte der Rechtschreibreform überprüfen, das Akzeptable vom Unsinnigen scheiden und gegebenenfalls Änderungsvorschläge machen. Im Zentrum der Kritik standen vor allem die neuen Regeln der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Silbentrennung und Zeichensetzung, aber auch der Eindeutschung von Fremdworten.

Was als Entgegenkommen gegenüber den Kritikern der Reform gedacht war, erntete gleichwohl von eben dieser Seite heftige Kritik. Sie fühlten sich im Rat nicht ausreichend vertreten, einige fanden sich erst nach anfänglichem Zögern bereit mitzuarbeiten.

Tatsächlich aber erwies sich der Rat keineswegs als Erfüllungsgehilfe der Kultusminister. Im April plädierte er bereits dafür, die Rechtschreibreform teilweise rückgängig zu machen - vor allem beim Kernstück der Neuregelung, der Getrennt - und Zusammenschreibung. Auseinandersetzen soll wieder zusammengeschrieben werden.

Es wird erwartet, dass der Rat seine Beschlüsse zum Kapitel Zusammenschreiben heute vorlegen wird. Weitere strittige Teile der Reform will er am 1. Juli klären. Dazu gehören zum Beispiel die Silbentrennung und die Zeichensetzung. Es ist aber sehr gut möglich, dass dieser Zeitplan nicht eingehalten werden kann und weitere Beratungen erforderlich sind. Damit kann die Reform auch nicht wie ursprünglich geplant, am 1. August in vollem Umfang wirksam werden.

Deshalb hat die Kultusministerkonferenz, die das letzte Wort hat, gestern beschlossen, dass am 1. August nur die unstrittigen Teile des neuen Regelwerks als allein gültig verbindlich werden sollen, also das Doppel-S nach einem kurzen Vokal, die Groß- und Kleinschreibung, und die Lautbuchstabenzuordnung, also die neue Schreibweise von Stängel mit ä statt e. Wo noch Änderungswünsche des Rates zu erwarten sind, solle an den Schulen, so sagen die Kultusminister, in einer Übergangszeit Toleranz üben.
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