Der Junge aus dem Township

Von Susanne Burkhardt · 05.07.2010
Radikal und schonungslos: Der schwarze Autor und Regisseur Mpumelelo Paul Grootboom aus Pretoria verarbeitet in seinen Stücken den oft gewalttätigen Alltag in seiner Heimat Südafrika.
Eigentlich wollte Mpumelelo Paul Grootboom Schauspieler werden. Doch auf der Schauspielschule merkte er schnell, dass ihm dazu das Talent fehlt. Also fing er an zu schreiben. Für den Film.

"Den ersten Text schickte ich einem der Gründer des Market Theatres in Johannesburg, der einen Workshop über Schreiben fürs Fernsehen gab, an dem ich teilnahm. Der sagte mir, dass das, was ich da geschrieben habe, Blödsinn sei. Ich solle mehr über mich schreiben, persönlicher, und er gab mir Karten für ein Theaterstück. Und sagte, ich solle den Text umschreiben, als Theaterstück."

Also entdeckte der leidenschaftliche Filmfan Grootboom, inspiriert vor allem von europäischen Regisseuren wie Fellini, Kieslowski oder Ingmar Bergmann, deren Filme er immer dann ansieht, wenn ihm eine zündende Idee fehlt, die Vorteile des Theaters:

"Es ist sehr direkt – das gefällt mir."
Die Theatersprache in Südafrika ist eine andere als bei uns in Deutschland. Eher traditionell.

Das schwarze Publikum geht lautstark mit in den Inszenierungen, kommentiert, was es sieht. Ein unmittelbarer Austausch. Und genau das fasziniert den Theatermacher Grootboom:

"Ich schreibe meine Theaterstücke, weil es doch was ganz anderes ist, wenn man den Zuschauer direkt vor sich hat. Man musste dem irgendwas geben. Es ist eben nicht das gleiche, als wenn man einen Film guckt. Deshalb mag ich so Momente, in Stücken, wenn die Schauspieler die Zuschauer direkt ansprechen und mit ihnen ins Gespräch kommen."

In Grootbooms Stücken geht es drastisch zu, hier spiegelt sich die Gewalt. Er schreibt für ein schwarzes Publikum, weil er das einfach besser kennt. In der South-West-Township, genannt Soweto, – in einer Gegend, in der die Villen der reichen Schwarzen und die ärmsten Viertel ohne jede Infrastruktur nebeneinander existieren – hier in Soweto, wo die Gegensätze kaum größer sein können, verbrachte er seine Kindheit. Am Staatstheater Pretoria – einst zentraler Tempel des Apartheidtheaters – ist er noch heute für einige Mitarbeiter der Junge aus dem Township – was automatisch gleichgesetzt wird mit schlechterer Ausbildung und folglich auch geringeren Fähigkeiten. Das macht die Arbeit dort schwierig. Und zeigt, wie sehr die Folgen der Apartheid bis heute in den Alltag Südafrikas hineinwirken. Trotzdem ist Grootboom kein Revolutionär – keiner, der eine Idee kämpfend vertritt. Er macht deutlich, was ihn bewegt, aber er will auch unterhalten.

"Ehrlich gesagt, bin ich nicht der Meinung, dass man fanatisch und obsessiv für eine Ideologie kämpfen muss. Für mich geht es im Theater auch um Spaß. Ich mag so einen elitären Zugang nicht, wo man das alles zu ernst nimmt. Ich lebe von Tag zu Tag..."

Theater ist für Mpumelelo Paul Grootboom auch die Möglichkeit, die eigenen Ängste auszudrücken. Dabei wirkt der 35-Jährige kräftig und durchtrainiert – gleichzeitig aber auch zurückhaltend, fast schüchtern. Er kennt die Angst vor Aids, die Angst vor dem Stadtteil Hillbrow in Johannesburg, in dem er als Jungendlicher viele gefährliche Situationen erlebte. Eine Angst, der er sich stellt, wenn er genau dort für das Theaterprojekt "X-Homes" drei Tage lang in eine Wohnung zieht und dort eine Performance inszeniert.

"Ich hab Angst vor Gewalt. Ich fürchte mich, in einer Gesellschaft zu leben, in der die Menschen keine Moral haben; es geht ja nicht darum, einer Idee anzuhängen, aber ich würde wenigstens unterschiedliche Vorstellungen vorziehen – als Leute, die überhaupt keine Moralvorstellungen haben."

Theater als Mittel, mit seinen Ängsten klarzukommen. Grootboom lotet die Grenzen des Erträglichen aus – indem er lange Gewaltszenen zeigt, wie in "Fourplay". Ein Politiker tritt unerträglich lange auf eine Prostituierte ein. Kein Theaterfake – sondern echt.

Das Stück ist eine Variation auf Arthur Schnitzlers "Reigen", und spielt im heutigen Pretoria. Grootboom ist – das merkt man auch bei seinen Shakespeare-Inszenierungen oder seiner Vorliebe für die Musik Bob Dylans – vor allem von weißen, nichtafrikanischen Künstlern geprägt.

Seine Arbeiten sind oft unbequem. Ein Grund dafür, warum es ihm schwerfiel, für ein Stück weiße Schauspieler zu gewinnen. Grootboom thematisierte diese erfolglose Suche in einem Monolog, in dem es hieß: "fuck the whites" – nur eine von vielen Szenen, die ihm den Vorwurf des Rassismus gegenüber weißen Südafrikanern eingebracht hat. Einige Kritiker in Südafrika boykottieren Grootboom deshalb bis heute. Das verbittert ihn, weil er sich missverstanden fühlt. Bis heute ist das Publikum nur bei Premieren gemischt – ansonsten folgt es der Hautfarbe des Regisseurs. Die schwarzen Zuschauer der Grootboom-Stücke sind keine routinierten Theatergänger. Aber sie kennen Gefühle. Und auf die zielt er ab. Denn wenn diese Zuschauer anfangen, etwas im Theater zu fühlen, dann wird die Aufführung ein Stück von ihnen. Und dann ist Mpumelelo Paul Grootboom ein zufriedener Theatermacher.

Links bei Dradio.de:

Interview mit Mpumelelo Paul Grootboom zur Fußball-WM

Das Festival Performing South Africa: Townships im Theater
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