"Der ist garantiert nicht gescheitert"

Wolfgang Zöller im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 26.03.2010
Der CSU-Politiker Wolfgang Zöller hält den sogenannten Pflege-TÜV für unverzichtbar. Das Bewertungssystem helfe Betroffenen, die Qualität von Pflegeeinrichtungen zu vergleichen, sagte der Patientenbeauftragte der Bundesregierung.
Jörg Degenhardt: Was neu ist, hat es oftmals schwer, sich durchzusetzen – das scheint auch auf den sogenannten Pflege-TÜV zuzutreffen. Zweck der Übung: Pflegebedürftige Menschen oder deren Angehörigen erkennen schnell, ob ein Pflegeheim etwas taugt oder nicht. So weit, so gut. Streit gibt es aber – und das ziemlich heftig – um das Zustandekommen der Pflegenoten. Die werden von Heimbetreibern etwa in Sachsen-Anhalt als nicht objektiv empfunden. Sozialgerichte sollen die Bewertungen des Pflege-TÜV im Internet stoppen.

Etwas anders liegt ein Fall in Bayern. Dort hatte ein Heim die Note gut bis sehr gut bekommen, trotz erheblicher Mängel, die dann die bayrische Heimaufsicht feststellen musste. Ebenfalls aus dem Freistaat kommt Wolfgang Zöller, der CSU-Politiker ist der Patientenbeauftragte der Bundesregierung. Guten Morgen, Herr Zöller!

Wolfgang Zöller: Ja, Grüß Gott!

Degenhardt: Pflegechefkritiker kann man ja sagen. Claus Fussek sagt, die Gutachten des Pflege-TÜVs könne man getrost in die Tonne hauen. Auch aus Ihrer Partei gibt es ähnliche Stimmen. Ist der Pflege-TÜV schon gescheitert?

Zöller: Nein, der ist garantiert nicht gescheitert, nämlich jeder, der einmal für Angehörige eine Pflegeeinrichtung gesucht hat, weiß, wie schwer es ist, die Qualität der Pflegeheime zu vergleichen. Und da ist der Pflege-TÜV ein erster Schritt in die richtige Richtung. Und ich halte Transparenz in Qualitätsfragen für ein Patientenrecht, und deshalb darf man das nicht abschaffen, sondern das muss man weiterentwickeln.

Degenhardt: Das heißt, die Gutachter des medizinischen Dienstes der Krankenkassen, die diese Heime testen, die haben möglicherweise die falschen Kriterien?

Zöller: Also man hat sich da zusammengesetzt, die Kassen, die Sozialhilfeträger und die Leistungserbringer, und hat sogenannte Transparenzvereinbarungen getroffen. Das war der erste Schritt. Die haben sich jetzt schon in dieser Woche wieder zusammengesetzt im Gesundheitsministerium und haben überlegt, wo kann man etwas verbessern.

Degenhardt: Was wären denn für Sie zentrale Pflegeaufgaben, also Kriterien, die besonders wichtig sind, wenn es darum geht, die Qualität der Pflegeheime einzuschätzen?

Zöller: Die Bewertungssystematik stimmt. Man hat hier vier Qualitätsbereiche: Einmal den Bereich der Pflege und medizinischen Betreuung, dann einmal den Bereich Umgang mit Demenzkranken und einmal soziale Betreuung und Alltagsgestaltung, und der vierte Bereich ist Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene.

Und für mich ist ganz wichtig, dass zum Beispiel, wie Sie angesprochen haben, gute Noten in einem allgemeinen Bereich nicht dazu führen dürfen, dass es eine gute Gesamtnote gibt, wenn es in den Bereichen wie zum Beispiel Ernährung, wie zum Beispiel Druckwunden, ja, da kann man nicht dazu übergehen, diese, ich sag' mal, gegeneinander aufzurechnen. Und das ist auch erkannt und das wird sehr schnell abgestellt.

Degenhardt: Und der Bundesgesundheitsminister will aber erst mal keine Korrekturen und abwarten, bis alle Heime geprüft sind – das kann ja noch dauern. Bisher, habe ich gelesen, sind von den 10.000 stationären Pflegeeinrichtungen erst 3000 durch, 2000 Prüfberichte stehen im Übrigen im Internet. Das heißt, Herr Zöller, werden Sie da vielleicht ein bisschen Druck machen?

Zöller: Folgendes: Wie gesagt, diese Woche war schon das erste Gespräch, das nächste Gespräch wird im April sein, und für Mai ist wieder ein gemeinsames Gespräch im Gesundheitsministerium vorgesehen, und zwar deshalb, weil wir wie gesagt noch nicht alle Heime und alle Daten haben, und es ist sinnvoll, nach Möglichkeit sehr viele Daten auswerten zu können, um besser an Schwachstellen heranzukommen.

Degenhardt: Aber zehn Prozent der bereits geprüften Heime haben nur ein ausreichend oder ein mangelhaft geschafft. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen sieht darin ein Alarmsignal, Sie auch?

Zöller: Ja selbstverständlich. Und ich finde es schon gut, dass wir damals im Pflegeweiterentwicklungsgesetz festgelegt haben, dass diese Überprüfungen unangemeldet sind. Und durch diese unangemeldeten Prüfungen werden natürlich Schwachstellen erkannt, die man früher bei Überprüfungen, die man vorher drei Tage angemeldet hat, natürlich nicht gesehen hat.

Und das ist ja auch eine Chance für die Pflegeheime. Ein Pflegeheim, das sieht, da und da bin ich noch schwach und muss ich mich verbessern. Und was für mich natürlich auch wichtig ist: Diese Transparenz schützt die guten Einrichtungen vor negativen Verallgemeinerungen.

Degenhardt: Stichwort verbessern: Nun haben wir gerade über die Bedingungen auch gesprochen in den Pflegeheimen, gestern ist ein Mindestlohn vereinbart worden für die dort Beschäftigten. Ist das aus Ihrer Sicht ein Gewinn, der dazu beiträgt, die Mitarbeiter vielleicht noch zusätzlich zu motivieren und bessere Bedingungen für die Betreuung von Angehörigen zu schaffen?

Zöller: Auch dies gestern, diese Entscheidung ist ein Schritt in die richtige Richtung, nämlich man kann nicht mit Dumpingpreisen versuchen, eine qualitativ hochwertige Pflege an den Menschen zu garantieren.

Degenhardt: Nun haben wir sicherlich nicht über alle Facetten des Pflege-TÜVs gesprochen, aber in diesem Zusammenhang, Herr Zöller, haben Sie eigentlich schon mal darüber nachgedacht, vielleicht auch einen TÜV für die Krankenhäuser einzurichten? Aus Sicht der Patienten dürfte das doch auch eine lohnende Sache sein?

Zöller: Sie wissen ja, dass ich mit einer meiner Hauptaufgaben darin sehe, dass wir eine neue Fehlerkultur bekommen. Es gibt schon etliche Krankenhäuser, die mit einem System - Cirs nennt sich das – schon jetzt Qualitätsprüfungen machen mit hervorragendem Erfolg. Nämlich letztendlich, wenn ich Fehler rechtzeitig erkenne und die entsprechenden Handlungsoptionen ableite, werden künftig Fehler vermieden, und es wird nicht nur im stationären Bereich, sondern auch künftig im ambulanten Bereich mehr als sinnvoll sein.

Degenhardt: Ob Pflege-TÜV oder Krankenhaus-TÜV und dann die Veröffentlichung der Ergebnisse im Internet, ist es nicht in der Tat immer noch am besten, sich selber einen Eindruck von der Situation in Heimen und Krankenhäusern zu verschaffen?

Zöller: Ja, man hat ja auch zum Beispiel bei dem jetzigen Pflege-TÜV die Möglichkeit, ist ja auch eine Sparte dabei, dass zum Beispiel die Befragung der Kunden wird auch in die Bewertung mit eingestellt, aber nicht als Verrechnung in die Gesamtbewertung. Nach wie vor sage ich, wenn wir Vertrauen in die Ärzte, Vertrauen in die Heime haben, ist das das Beste für die Patienten, die darin sind, und zum Vertrauen gehört für mich ganz eindeutig Transparenz der Qualität.

Degenhardt: Wolfgang Zöller, der CSU-Politiker, ist der Patientenbeauftragte der Bundesregierung. Vielen Dank für das Gespräch!

Zöller: Ich danke auch und schönen Tag noch!

Degenhardt: Danke, Ihnen auch!
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