Der herzensgute Genuss von Schokolade

Frisch geernete Kakaofrüchte: Pharmakonzerne suchen nach gesunden Bestandteilen.
Frisch geernete Kakaofrüchte: Pharmakonzerne suchen nach gesunden Bestandteilen. © picture alliance / dpa
Von Udo Pollmer · 24.04.2011
Naschkatzen aufgepasst: Schokolade enthält Fett und das führt, zumindest rein theoretisch, zu Übergewicht, Bluthochdruck, Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall. Allerdings scheint die Praxis davon deutlich abzuweichen, wie nun eine Studie belegt.
Die Schlagzeile war überdeutlich: "Schokolade gut für's Cholesterin!" Sie soll, so die Meldung, die Blutfette verbessern. Was für eine Perspektive! Dürfen jetzt die zahllosen Patienten, die bisher eifrig ihre Cholesterinsenker schlucken, in Zukunft stattdessen morgens und abends genüsslich einen Pausenriegel verdrücken oder über den Tag verteilt gar eine Tafel Schokolade?

Die Antwort mag für Rechtgläubige empörend klingen: Es sieht nämlich ganz danach aus. Allerdings gibt es einen kleinen Unterschied zwischen den beiden therapeutischen Optionen: Die Pharmafirmen würden sich die Finger lecken, hätten ihre Pillen den gleichen Effekt wie Schokolinsen. Einer aktuellen US-amerikanischen Studie, der Familiy Heart Study zufolge, sinkt das Herzinfarktrisiko mit steigendem Konsum von Schokolade. Bei täglichem Genuss verringerte sich das Risiko an einer coronaren Herzkrankheit zu sterben, sogar um mehr als 50 Prozent gegenüber jenen, die sich nur an hohen Feiertagen das Vergnügen gönnten.

50 Prozent weniger Herztote - das schafft kein Medikament. Das Ergebnis ist noch dazu von hoher Signifikanz, wie sie nur selten in Ernährungsstudien beobachtet wird. Natürlich ist Vorsicht angezeigt, wenn Forscher ihre statistischen Netze in den trüben Gewässern der Ernährungsmedizin auswerfen. Andererseits sind die Fischgründe der Pharmafirmen, in denen sie den Nutzen ihrer Cholesterinsenker belegen wollen, auch nicht gerade die saubersten. Der Betreiber der fraglichen Studie, das staatliche Heart, Lung, and Blood Institute, gehört zu den Solideren in der Branche. Noch dazu bestätigt das Resultat vergleichbare Ergebnisse anderer großer Studien.

Inzwischen wird der Nutzen des Kakaos und damit auch der Schokolade kaum noch infrage gestellt. Jetzt versucht man die Mechanismen der Wirkung zu entschlüsseln – nicht zuletzt um aus Kakao oder Vollmilch-Nuss ein paar Stoffe herauszufriemeln, die nach leichter chemischer Modifikation sogar patentiert werden könnten. Dann ließen sich die günstigen Sonderangebote an Schokozeug im Supermarkt durch Pillen mit Apothekenpreisen ersetzen.

Dem Publikum erzählt man dann, Schokolade sei aufgrund ihres hohen Nährwertes, sie enthält Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß, ganz furchtbar ungesund. Damit einem dieser teuflische Genuss erspart bliebe, habe man den Inhalt von 50 Kakaobohnen auf eine kleine Tablette reduziert. Und pfiffige Verfahrenstechniker werden schon einen Weg finden, um interessante Substanzen aus den Abfällen der Kakaoverarbeitung zu extrahieren und ein klein wenig zu modifizieren – wegen der Patentrechte, Sie wissen schon.

Derzeit konzentriert sich die Forschung auf bestimmte Polyphenole im Kakao. Sie erweitern die Gefäße und senken dadurch den Blutdruck. Seit einiger Zeit ist bekannt, dass Schokolade auch die Durchblutung des Gehirns fördert. Nachdem Kakao in ersten Tierversuchen die Lernleistung von Ratten verbesserte, haben sich die Forscher nun zu einem Menschenversuch durchgerungen. Ergebnis: Schokolade förderte bei Sehtests die Fähigkeit, optische Reize schneller und präziser zu erkennen. Das lag nicht am Zucker, auch nicht am Milchpulver - sondern tatsächlich am Kakao. Denn in diesem Versuch wurde normale Schokolade gegen weiße Schokolade getestet.

Auch wenn boshafte Zeitgenossen ständig was von zartbitter schwafeln – auch Vollmilchschokolade, Marmorkuchen oder Trinkschokolade enthalten Kakao. Genießen Sie einfach eine Tasse mehr und niemand muss sich zartbitter reinquälen. Wie heißt es doch so schön: Eure Nahrungsmittel sollen Eure Heilmittel sein. Mahlzeit!

Literatur:
Djoussé L et al: Chocolate consumption is inversely associated with prevalent coronary heart disease: the National Heart, Lung, and Blood Institute Family Heart Study. Clincial Nutrition 2010; epub ahead of print
Mostofsky E et al: Chocolate intake and incidence of heart failure. Circulation Heart Failure 2010; 3: 612-616
Janszky I et al: Chocolate consumption and mortality following a first acute myocardial infarction: the Stockholm Heart Epidemiology Program. Journal of Internal Medicine 2009; 266: 248-257
Yasuda A et al: Cacao polyphenols influence the regulation of apolipoprotein in HepG2 and Caco2 cells. Journal of Agricultural and Food Chemistry 2011; 59: 1470-1476
Mellor DD et al: High-cocoa polyphenol-rich chocolate improves HDL cholesterol in type 2 diabetes patients. Diabetes Medicine 2010; 27: 1318-1321
Taubert D et al: Effect of vocoa and tea intake on blood pressure. A meta-analysis. Archives of Internal Medicine 2007; 167: 626-634
Bisson JF et al: Effects of long-term administration of a cocoa polyphenolic extract (Acticoa powder) on cognitive performances in aged rats. British Journal of Nutrition 2008; 100: 94-101
Balzer J et al: Sustained benefits in vascular function through flavanol-containing cocoa in medicated diabetic patients. Journal of the American College of Cardiology 2008; 51: 2141-2149