Der geläuterte Hater

Raus aus der Facebook-Filterblase!

Facebook-Symbole wie die Abkürzung 'f' und der gesenkte Daumen für "dislike" auf blauem Grund und darüber steht Hass gesprüht, wobei der Buchstabe 'a' in Hass aus dem At-Zeichen besteht.
Facebook steht besonders im Zentrum der Debatten um Hass-Kommentare im Netz. Der Fall Boris zeigt, dass es auch für Hasskommentatoren jederzeit möglich ist, aus ihrer Filterblase wieder auszusteigen. © Imago / Ralph Peters
Florian Klenk im Gespräch mit Timo Grampes  · 23.12.2016
Auch Hass-Kommentatoren können sich wandeln. Das ist die digitale Weihnachtsbotschaft, die der Chefredakteur des Wiener Magazins "Falter", Florian Klenk, nun in die Welt trägt. Er machte diese Erfahrung mit einem Hater auf Facebook, der inzwischen geläutert auftritt.
"Kann den wer anzünden bitte?" Dieser Facebook-Kommentar war in der Timeline von Florian Klenk gelandet und bezog sich auf ihn selbst. Klenk - er ist Chefredakteur des Wiener Stadtmagazins "Falter" - war zutiefst erschreckt.
Er zeigte den Urheber des Hass-Kommentars an. Dann machte er sich aber selbst auf den Weg und stattete dem Mann einen persönlichen Besuch ab.
Von dieser Begegnung erzählt der Journalist in der eindrücklichen Reportage "Boris wollte mich verbrennen". Klenk versteht seinen Text als Lehrstück darüber, wie Politik und Propaganda heute funktionieren.
Doch nun gibt es ein schönes Happy End dieser Geschichte. Der Hater namens Boris hat sich offenbar geläutert und bekennt seine Wandlung - wiederum - in einem Facebook-Post:
"Ich nutze nach wie vor Facebook, Youtube und andere Medien im Internet.
Ich habe jedoch ganz bewusst versucht, Filterblasen und Echokammern nicht nur zu vermeiden, sondern bestehende aktiv zu durchbrechen und das ist einfacher als man denkt. Ich habe viele meiner 'Gefällt mir' und Abonnements auf Facebook entfernt und statt dessen versucht eine ausgewogenere Infrastruktur an News-Quellen zu aufzubauen.
Es ist erstaunlich, wie sich das eigene Weltbild verändert wenn man nicht nur Strache, Unzensuriert.at und Wochenblick abonniert hat, sondern Personen aus anderen Richtungen mit in seine Informationsquellen aufnimmt. Ich habe Leute wie Christian Kern, Armin Wolf, Sebastian Kurz und nicht zuletzt Sie, Hr. Klenk zu meinen Abos hinzugefügt. Schlagartig verändert sich das Spektrum an Nachrichten welche man von Facebook aufgetischt bekommt."

Verloren in der Filterblase

Im Deutschlandradio Kultur berichtet Florian Klenk von seinen Erfahrungen mit dem Mittdreißiger. "Das Spannende an diesem Fall war, dass er nicht irgendein Nazi oder ein Rechtsextremist war, sondern eigentlich jemand aus der Mitte der Gesellschaft, der nicht besonders radikal erzogen oder aufgewachsen ist", sagt Klenk. Boris habe aber selbst erkannt, dass er auf Facebook sehr radikale Dinge von sich gab, die auch archiviert wurden. Der Fall von Boris zeige exemplarisch, wie sehr sich manche Internetnutzer in ihrer Filterblase wiederfinden und die Affektkontrolle verlieren.

Eingeengte Wahrnehmung

"Psychiater nennen das die sogenannte Monoperzeptose", sagt Klenk. Es handele sich um eine Einengung der Wahrnehmung, sodass man nur noch einseitig Dinge aufnehme und alles ausblende, was dagegen spreche. "Das ist noch kein Wahn und das ist auch noch nicht verrückt oder radikalisiert, sondern das haben alle, aber das Internet verstärkt diese Tendenz."
Seit dem Jahr 2016 hätten sich rechte Bewegungen und Parteien diesen Mechanismus zunutze gemacht. Immer mehr Nutzer erhielten auf Facebook nur noch Nachrichten aus einer bestimmten Richtung, ohne dass sie das selbst ausreichend bemerkten.

Ohne Journalismus geht es nicht

Der Fall von Boris und seiner überraschenden Läuterung zeige aber, dass man sich ändern könne und Filterblasen kein Naturgesetz seien, sondern von Menschen gemacht, meint Klenk: "Wenn Sie es ganz kitschig wollen, ist es auch ein schöne Weihnachtsbotschaft, man kann seine Ohren öffnen."
Deshalb sei die Geschichte von Boris in den sozialen Medien so breit gestreut worden. Es gebe aber auch eine medienpolitische Botschaft. "Man kommt drauf, dass es ohne Journalismus und zwar ohne kritischen, hinterfragenden Journalismus, der etwas überprüft, dass es ohne diesen Journalismus auch nicht geht."
Florian Klenk ist ein österreichischer Jurist, Enthüllungsjournalist und Buchautor. Seit Anfang Juni 2012 ist er Chefredakteur der österreichischen Wochenzeitung Falter. In diesem Jahr wurde er zum Journalist des Jahres 2016 in Österreich gekürt.
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