Der gefallene Engel

Von Ralf Bei der Kellen · 03.04.2012
Diabolo, Mephisto, Beelzebub, Luzifer, der Antichrist – alle diese Namen bezeichnen jene Figur, die wir gemeinhin "den Teufel" nennen. Im Gegensatz zum Mittelalter sind die Teufelsgläubigen heute in der Minderheit. Aber: Der Teufel gehört zu unserem kulturellen Erbe. Daher wirkt er noch immer in unserer Alltagskultur.
Christoph Markschies: "Wer ist der Teufel? Der Teufel ist der Versuch, das Böse zu personifizieren. Also, den vielen bösen Ereignissen und den vielen bösen Gestalten eine große Repräsentation zu geben: den Gegenspieler Gottes, den Teufel."

Wie alt er genau ist, vermag niemand zu sagen. Vielleicht ist der Teufel ein Erbe der frühen dualistischen Religionen, wie zum Beispiel des Zoroastrismus aus dem 2. Jahrtausend vor Christus, in denen ein guter Gott einem bösen gegenüberstand.

Auch das frühe Judentum kennt den Teufel bereits unter dem hebräischen Wort "sa-tan" – was "sich jemandem entgegenstellen" bedeutet. Allerdings ist er im Judentum ein eher unbedeutender Dämon.

Im Christentum ist der Teufel zunächst ein "Verführer" der Menschen. Das spiegelt auch der Ursprung seines Namens wieder: das griechische "diabolos" bedeutet soviel wie "auseinanderbringen". Im Buch Hiob aus dem Alten Testament handelt er noch auf Geheiß Gottes:

"Der Satan antwortete dem Herrn und sagte: Geschieht es ohne Grund, dass Ijob Gott fürchtet? Bist du es nicht, der ihn, sein Haus und all das Seine ringsum beschützt? Das Tun seiner Hände hast du gesegnet; sein Besitz hat sich weit ausgebreitet im Land. Aber streck nur deine Hand gegen ihn aus und rühr an all das, was sein ist; wahrhaftig, er wird dir ins Angesicht fluchen."

Mit Erlaubnis Gottes nimmt Satan Hiob seine Familie und all seinen Besitz – trotzdem bleibt Hiob Gott treu. Im neuen Testament wird der Teufel zum gefallenen Engel, der schließlich in der Offenbarung des Johannes zum Gegenspieler Gottes und zum Inbegriff alles Bösen wird:
"Er wurde gestürzt, der große Drache, die alte Schlange, die Teufel oder Satan heißt und die ganze Welt verführt; der Drache wurde auf die Erde gestürzt und mit ihm wurden seine Engel hinabgeworfen."

Christoph Markschies: "Der Teufel macht einen Niedergang durch, er stürzt sozusagen, er ist immer ein gefallener Engel – in dem Augenblick, wo er so eine autonome Gestalt ist."

- erklärt der Theologe und Kirchenhistoriker Christoph Markschies. Trotzdem beginnt mit der Entstehung der christlichen Kirche die Karriere des Teufels erst so richtig. Er gewinnt immer mehr an negativem Profil: Wurde er in der bildenden Kunst zunächst vor allem als dunkelblau gekleideter Mann dargestellt – dunkelblau als Zeichen für Kälte und Gottesferne – so wurde er später immer mehr zum Menschen quälenden Monster.

Christoph Markschies: "Und da hat man eben einfach zusammengesammelt, was man für besonders hässlich hielt, dass man hinkte, und hat Tiere zusammengesammelt, die man für unrein oder scheußlich hielt."

Die Beschreibung Satans und seiner "Hilfsteufel" und deren Foltermethoden in Dante Alighieris "Göttlicher Kommödie" zu Begin des 14. Jahrhunderts tat ein Übriges. Kurz darauf erlebte der Teufel sein drei Jahrhunderte währendes Karrierehoch: Die Pest, der Einfall der Türken nach Europa, die Kirchenspaltung durch die Reformation und der Dreißigjährige Krieg ließen die Menschen an eine Endzeit glauben, in der der Satan laut der "Offenbarung des Johannes" zu seinem letzten Angriff auf die Menschheit aufbricht.

Die Christen begannen, den von Ihnen wahrgenommenen Satan zu bekämpfen – vor allem Inquisition und Hexenprozesse schienen probate Mittel.

Neben dem Unglauben war auch die Fleischeslust ein Werk des Teufels. So erklärt sich auch die Ähnlichkeit vieler Teufelsdarstellungen mit dem griechischen Gott Pan, der für seine Wollust bekannt war. Von ihm erbte der Teufel auch seine Hörner und seine Bocksfüße.

Ausschnitt "Faust":
Mephisto: "Ich bin der Geist der stets verneint. Und das mit Recht, denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zu Grunde geht; Drum besser wär's dass nichts entstünde. So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, mein eigentliches Element."

- sagt Mephisto in Goethes "Faust". Als das Drama entsteht, ist die große Zeit des Teufels bereits vorbei, Aufklärung und Protestantismus haben ihm weitgehend den Garaus gemacht. Aber: Totgesagte leben länger – und so taucht der Teufel bis heute immer wieder auf, wenn auch nur auf Nebenschauplätzen. Zum Beispiel im Satanismus eines Alistair Crowley oder der amerikanischen Church Of Satan - meist eher ein Protest gegen etablierte gesellschaftliche Normen als etwas wirklich Böses. Ähnlich in der Sparte der Popmusik, die man als "Heavy Metal" bezeichnet, und die gerne mit dem Satan kokettiert.

Oder eben ab den späten 1960er-Jahren als Darsteller in Filmen wie "Rosemary's Baby", "Das Omen" oder der "Exorzist".

Fazit: Der Teufel hat seine Bedeutung verloren. Das Böse, betont Christoph Markschies, ist uns aber erhalten geblieben:

"Wenn man sieht, wie im 20. Jahrhundert mit Menschen umgegangen wurde, dann übertrifft das jede Höllenschilderung des Mittelalters."