Der Fluch des Soja

Von Julio Segador · 24.05.2012
Der Soja-Anbau in Argentinien verändert derzeit den Chaco im Norden des Landes. Dank gentechnisch verändertem Saatgut ist nun auch in der kargen Provinz intensive Landwirtschaft möglich. Große Agrarfirmen vertreiben die dort lebenden Toba-Indios.
Der Chaco, im Norden Argentiniens. Dort, wo noch vor einigen Jahren Regen- und Buschwald die Landschaft beherrschten, wird inzwischen Soja angebaut, so weit das Auge reicht. Vereinzelt sind noch Baumreihen aus Quebracho zu sehen, die die flachen Felder unterbrechen, ein Alibi für etwas, was einmal war, für etwas, das gnadenlos gerodet wurde. Auch Felix Diaz lebte früher hier.

"Wir kommen vom Land. Aber das war einmal. Jetzt ist alles anders, es gibt kaum noch Wald in unserer Heimat. Und alles ist in Privatbesitz, gehört meist Unternehmern. Sie kommen auch aus dem Ausland und kaufen das Land auf, und ab diesem Zeitpunkt ist alles verboten."

Felix Diaz ist ein Indio. Er gehört zum Stamm der Toba. Im 16.Jahrhundert siedelten sich die Toba-Indios in der Region im Norden Argentiniens an, lebten von der Jagd, vereinzelt auch von Viehzucht. Der Soja-Boom, der in Argentinien neben der fruchtbaren Pampa inzwischen auch weniger ertragreiche Landstriche wie den Chaco erfasst hat, macht die Indios heimatlos.

"Wenn wir einen Privatgrund betreten, ist es verboten zu jagen. Also müssen wir immer häufiger in die Städte gehen. Dort brauchst du Geld. Viele von uns sind zum Betteln verdammt. Hier ganz in der Nähe ist die Müllkippe. Viele unserer Kinder gehen jeden Tag auf die Müllkippe und suchen nach den Brosamen, die uns die Städte übriglassen. Das ist alles furchtbar und sehr traurig."

Felix Diaz lebt seit einigen Wochen in einer kleinen Hütte in einem Elendsviertel am Rande von Resistencia, der größten Stadt im Chaco, wie die meisten der Toba-Indios, die ihr Land verlassen mussten, weil dort inzwischen Soja angebaut wird.

Argentinien ist der drittgrößte Soja-Produzent der Welt. Die Pflanze ist neben Fleisch das wichtigste Exportgut des Landes. Die hohen Weltmarktpreise sichern dem Staat wichtige Einnahmen. Die Anbauflächen werden immer weiter vergrößert. Schon jetzt wird in den fruchtbaren Pampaebenen, wo früher die argentinischen Rinder grasten, nur noch Soja angebaut. Die Felder ziehen sich immer weiter in den Norden, auch in den trockenen, unwirtlichen Chaco. Dank genverändertem Saatgut kommt die Pflanze hier nahezu ohne Wasser aus. Die Indios, die auf den Flächen leben, stören da nur. So wie Osvaldo Maldonado, der sich anfangs noch wehrte, als sie ihn aus seiner Hütte vertreiben wollten.

"Als die Polizei kam, sagte ich nur: 'Hier sind mein Gewehr und der Benzinkanister. Hier kommt keiner durch. Und wenn ja, mache ich das, was ich tun muss, und danach bringe ich mich um.' Sie gingen, aber zwei Monate später waren sie erneut da. Und wieder stellte ich mich hin. Und ich musste mich sogar anketten. "

Doch sie ließen nicht locker, immer wieder kamen sie, forderten das Stück Land ein, schüchterten ihn ein. Inzwischen ist Osvaldo weggezogen.

Auch wenn die Indios seit Generationen die Flächen bewohnen, sie haben weder Besitzurkunden noch Fürsprecher in den Verwaltungen. Für die Soja-Unternehmer und Großgrundbesitzer ist es ein Leichtes, die Indios zu vertreiben.

Und auch die Regierung setzt sich für die Indios nicht ein. Der Soja-Boom hat Argentinien nach seiner schweren Krise im Jahr 2001 am Leben erhalten. Die Export-Einnahmen füllen die Staatskassen. Auf die Indios, die aus ihren traditionellen Lebensräumen vertrieben werden, nimmt da keiner Rücksicht.
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