Der Feminismus und sein Niedergang

05.09.2011
Ein Feminismus ohne politische Dimension ist ungefähr so viel wert wie ein mit Strass besetztes Damen-Handy. Das sagt die Philosophin Nina Power. Die Errungenschaften einer erfolgreichen Frau beschränkten sich heute allzu oft auf den Besitz teurer Handtaschen, eines Vibrators, eines Jobs, eines Appartments und eines Mannes, meint sie.
Wo sind all die interessanten Frauen hin? Mit dieser Frage beginnt die britische Philosophin Nina Power ihr neues Buch "Die eindimensionale Frau". Der Titel ist eine Verbeugung vor Herbert Marcuses Buch "Der eindimensionale Mensch" von 1964. Darin hat der Philosoph einen Menschentypus beschrieben, dessen Freiheit einzig darin besteht, sich aussuchen zu können, was er konsumieren will.

Diese subtile Verflechtung von vorgeblicher politischer Freiheit und konsumistischer Ideologie attestiert die Autorin auch dem derzeitigen Feminismus: Die Errungenschaften einer erfolgreichen Frau belaufen sich laut Power auf "den Besitz teurer Handtaschen, eines Vibrators, eines Jobs, eines Appartments und eines Mannes". Demgegenüber steht laut Autorin ein Beharren auf Gleichberechtigung, verstanden als reale Teilhabe an politischer und symbolischer Macht. Von diesem Standpunkt aus analysiert Power ebenso unterhaltsam wie bissig, was sich aktuell mit dem Label "Feminismus" zu schmücken wagt.

Das reicht von der Vereinnahmung des Begriffs durch die amerikanische Rechte, die, allen von ihnen durchgesetzten Abtreibungsverboten zum Trotz, ihre Kriege in Afghanistan oder dem Irak immer auch mit dem Schlachtruf der "Frauenbefreiung" legitimiert, hin zu Sarah Palin, "dem Pittbull mit Lippenstift", die als Frau frauenfeindliche Politik unterstützt. Hier erinnert Power an die Stimme der Vernunft: Nicht das Geschlecht eines Menschen ist ausschlaggebend, sondern seine politische und soziale Haltung.

Im weiteren Verlauf des Buches beschäftigt sich die Autorin mit der Feminisierung der Arbeit, welche sie luzide als eine Art prekärer Dauerbereitschaft beschreibt, durch welche sich der und die Einzelne in eine Art lebendigen Lebenslauf verwandelt, stets bereit, sich darzustellen, ob bei der Arbeit, in der Freizeit oder beim Shoppen. Power ist hier auf eine ungewöhnliche Weise pessimistisch. Was nützt der alte Ruf nach Innerlichkeit, wenn es, zumindest aus ihrer Perspektive, keine Innerlichkeit mehr gibt, die "kolonialisiert" oder "befreit" werden könnte? Denn: "Das Private ist nicht länger nur politisch, es ist durch und durch ökonomisch."

Den letzten Teil ihres Buches widmet die Philosophin der Darstellung des Sexuellen im Film. Die Analyse, dass zeitgenössische Pornographie deshalb so langweilig sei, weil es sich nur noch um eine weitere Form der allgegenwärtigen Arbeit handelt, ist treffend genug, um das Fehlen interessanter aktueller Ansätze zu entschuldigen. Denn trotz aller "Feuchtgebiete", deren Verfasserin Charlotte Roche in einem dem Buch angehängten Interview mit Nina Power zu Wort kommt, mangelt es immer noch an einem Ort für authentisches weibliches Genießen.

Viele Themen hat Nina Power nur angerissen, doch dafür entschädigen geistreiche Formulierungen, originelle Perspektiven und sachlicher Ernst. Denn wie sie schreibt: "Losgelöst von jeglicher internationalistischer und politischer Qualität ist der Feminismus ungefähr so radikal wie ein mit Strass besetztes Handycover."

Besprochen von Ariadne von Schirach

Nina Power: Die eindimensionale Frau
Übersetzt von Anna-Sophie Springer
Merve Verlag, Berlin 2011
112 Seiten, 8 Euro
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