Der Fall Jens Söring

"Das Irre ist: Es wird nicht nachgefragt"

Der Deutsche Jens Söring sitzt 2016 seit 30 Jahren in einem US-Gefängnis, Urteil: Mord.
Jens Söring will die Hoffnung nicht aufgeben. Gerade sind neue Indizien aufgetaucht, die ihn entlasten könnten. © farbfilm verleih
Karin Steinberger im Gespräch mit Axel Rahmlow · 27.10.2016
Seit 30 Jahren sitzt der Deutsche Jens Söring in den USA im Gefängnis. Wegen Mordes - woran es aber Zweifel gibt. Die Journalistin Karin Steinberger hat Söring über zehn Jahre lang beobachtet und begleitet. Der Dokumentarfilm "Das Versprechen" ist ein Ergebnis ihrer Recherchen.
Die Journalistin Karin Steinberger kennt Jens Söring vermutlich besser als irgendjemand sonst und weiß "über ihn mehr als über viele meiner Freunde", sagt die SZ-Redakteurin. Sie berichtet seit zehn Jahren über den seit 30 Jahre in einem US-Gefängnis im Bundesstaat Virginia einsitzenden Deutschen. Er soll aus Liebe zu seiner damaligen Freundin Elizabeth Haysom deren Eltern ermordet haben. Nun sind neue Indizien aufgetaucht, die darauf hinweisen, dass nicht Jens Söring, sondern ein anderer Mann am Tatort seine (Blut-)Spuren hinterlassen hat.
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Jens Söring als 18-Jähriger in Virginia beim Verhör durch den Richter Sweeney.© farbfilm verleih

Ein intensives Werk

Aus ihren Recherchen der vergangenen Jahre hat Karin Steinberger gemeinsam mit dem Filmemacher Marcus Vetter den Dokumentarfilm "Das Versprechen" gemacht. Ein intensives Werk, das belegt, wie nahe die Journalistin Söring gekommen ist. Während ihrer Recherchen – vor allem nach dem Auftauchen der neuen Indizien – sei ihr der Irrsinn des US-Justizsystems sehr deutlich geworden:
"Das muss man mir jetzt erstmal erklären, wie das gelaufen sein soll. Wenn Jens dabei gewesen sein soll, dann eigentlich nur mit einem anderen Mann zusammen. Warum soll der den 30 Jahre lang schützen? Was ist das für eine Geschichte? Aber das Irre ist: Es wird nicht nachgefragt. Jetzt ist die Petition eingereicht, sie wird jetzt wahrscheinlich lange, lange da liegen."

Der Film stellt Fragen

Was sagt der Film demzufolge über das US-Justizsystem aus?
"Er stellt die Frage, warum sich dieses System nicht hinterfragt. Justizfehler gibt es in jedem System, gibt es bei uns auch – das ist nicht der Punkt. Aber warum ist jetzt niemand interessiert daran herauszufinden, was da wirklich los war?"
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Die Liebesbriefe zwischen Jens Söring und Elizabeth Haysom werden im Film thematisiert.© farbfilm verleih
Und wenn nicht Jens Söring der Mörder gewesen sei, bedeute dies, dass ein anderer Mensch, der die brutalen Morde begangen habe, noch frei herumlaufe. Karin Steinberger sagt weiter: Sie habe versucht, dem Gouverneur von Virginia den Film zu zeigen. Doch werde dieser im Wahlkampf offenbar abgeschirmt. Aus Steinbergers Sicht sieht es also nicht sehr gut aus für Jens Söring.
Im Gespräch ist ihr ihre innere Beteiligung auch anzumerken. Kann sie trotz allem ihre journalistische Distanz wahren? Sie habe Briefe von ihm bekommen, in denen er ihr "die persönlichsten und essentiellsten Dinge" mitgeteilt habe, sagt die Journalistin. Trotzdem habe sie immer noch journalistischen Abstand:
"Also, für mich ist es nicht klar, dass er es nicht war. Für mich ist das aber auch nicht die entscheidende Frage. Für mich ist sowieso nach 30 Jahren jedes Unrecht abgegolten. Nach 30 Jahren hat jeder Mensch eine zweite Chance verdient. So ist ja auch unser System und ich finde es ist ein richtiges System."
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