Der böse Bub der Beatles

14.11.2008
An ihm haben sich schon zu Lebzeiten die Geister entzweit und gerieben: John Lennon, der Zyniker, war - wenn man so will - der böse Bub der Beatles. Eine Rolle, die ihm vielleicht von der Presse und dem Management der Band aufgezwungen wurde, die er aber auch perfekt auszufüllen verstand.
Wie er wirklich war, dieser John Winston Lennon, das will uns jetzt, jedenfalls aus seiner Sicht, der britische Journalist Philip Norman auf immerhin 1024 Seiten und 28 Jahre nach dessen Ermordung erklären. Und diese Er- und Aufklärung beginnt sogar schon vor der Geburt des Hauptdarstellers.

Norman lässt die Familiengeschichte der Lennons Revue passieren, versucht so die Kindheit des einstigen Beatles zu erklären und bereitet uns damit behutsam auf einige nachfolgende - schockierende - Enthüllungen vor. So schockierend immerhin, dass sich Lennon-Witwe Yoko Ono und Ex-Band-Kumpel Sir Paul McCartney fassungslos und wütend über das Werk zeigten, obwohl sie dem Autor vorab ja Interviews gewährt hatte.

Immerhin entwirft Norman ein Lennonbild, wie es so bisher nicht bekannt war oder aber von den Wissenden verschwiegen wurde. Auf eine knappe Formel gebracht, bezeichnet er den Künstler als schwules Muttersöhnchen, unterstellt ihm eine homophile Hingezogenheit zu Paul McCartney und den Wunsch, mit seiner eigenen Mutter zu schlafen.

Starker Tobak, der aber mit Sicherheit das Geschäft ankurbelt. Und wie das geht, hat Norman als ehemaliger Sunday Times-Kolumnist sicher gelernt. Zwar weiß die Fangemeinde, dass dieser John Lennon wahrlich kein Säulenheiliger war, doch viele der pikanten Details aus dessen Sexleben werden hier erstmals niedergelegt. Diese kleinen Mosaiksteinchen fügen sich zu einem großen Bild, das zwar farbiger ist als die vorangegangenen - aber klüger macht es in Sachen Lennon auch nicht. Alle Entgleisungen mit dessen dramatischer Kindheit zu entschuldigen, ist dann doch zu sehr aus dem kleinen Taschenbuch der Lebenspsychologie entlehnt.

Lennon selbst hätten die kleinen Schweinigeleien sicher gefreut, war er doch wirklich kein Kostverächter, wie man es in und aus seinen eigenen Werken erfahren kann. Und so ist dieser Biographien-Schinken denn auch eine Ausnahme im Lesealltag. Beschwingt geschrieben, leicht lesbar und mit einem Hauch von Bestseller-Schreibe zieht er den Leser in seinen Bann. Kein dröges Sich-Quälen-Müssen verleitet zum Beiseitelegen.

Und ja, nimmt man auch nur 90 Prozent der 1024 Seiten für bare Münze, dann erfährt man auch etwas über John Lennon: über sein Denken, sein Handeln, sein Tun, sein Leben, seine Liebe und seine Wut, die ihn trieb, Lieder wie "Give Peace A Chance" zu schreiben.

Rezensiert von Uwe Golz

Philip Norman: John Lennon. Die Biographie
Aus dem Englischen von Reinhard Kreissl
Droemer Knaur Verlag, München 2008
1024 Seiten, 29,95 Euro