Denise Mina: "Blut Salz Wasser"

Hinter der Fassade herrscht das Verbrechen

Buchcover Denise Mina: "Blut Salz Wasser"
In Helensburgh, dem Schauplatz von "Blut Salz Wasser", hält ein Drogenhändler die Zügel in der Hand. © Ariadne / picture alliance
Von Sonja Hartl · 04.05.2018
Denise Minas fünfter Kriminalroman um Alex Morrow spielt in einer idyllischen Kleinstadt. Doch nicht nur das schottische Unabhängigkeitsreferendum dominiert die Gemeinschaft, sondern auch ein Geflecht von Kriminalität und Gewalt.
Es ist eine denkwürdige Szene, mit der Denise Minas Kriminalroman "Blut Salz Wasser" beginnt. In einer einsamen Gegend in der Nähe von Loch Lomand ziehen zwei Männer eine Frau aus einem Transporter und führen sie Richtung Wasser. Die Frau ist "folgsam wie ein Kalb", wundert sich einer der Männer, Iain Fraser. Offenbar wird ihr erst klar, dass ihr Leben bedroht ist, als sie ein Boot sieht. Sie schreit, versucht zu fliehen, und Iain, der mit dem Geld für den grausamen Job die Schulden eines Freundes begleichen will, schlägt sie nieder. Sie fällt auf den Boden. Dann schlägt er noch einmal zu. Und noch einmal. Wortlos. Sie stirbt in aller Stille.
Es ist diese Stille, die den Anfang so verstörend macht. Dann wechselt die Handlung zu Alex Morrow, DI bei der Police Scotland. Sie und ihr Team sind in Glasgow mit der Observierung einer Frau namens Roxanna Fuentecilla beschäftigt, die in einen groß angelegten Geldwäschebetrug verwickelt ist. Unterschiedliche Polizeistellen wollen das Geld sicherstellen, um das eigene Budget aufzustocken. Doch Roxanna Fuentecilla ist verschwunden – und Alex Morrow ahnt, dass sie nicht freiwillig untergetaucht ist.

Verbrechen und Kriminalität gehören zum Alltag

Der Fall führt DI Morrow nach Helensburgh, wo auch Iain Fraser lebt. Es ist eine auf den ersten Blick idyllische Kleinstadt, zerrissen von dem schottischen Unabhängigkeitsreferendum – und dominiert von einem Drogenhändler, an dessen Taten die Bewohner direkt oder indirekt beteiligt sind. Wer nicht als Handlager für ihn arbeitet, profitiert auf andere Art von seinen illegalen Geschäften.
Mit präziser Beobachtungsgabe errichtet Denise Mina in ihrem fünften Kriminalroman um Alex Morrow eine Kleinstadtwelt, in der es Öko-Cafés für mittelalte Frauen gibt, die regional und bio kaufen, aber eben auch Menschen wie Iain, die irgendwann in die Kriminalität abgerutscht sind und seither keinen Anker mehr im Leben haben. Dabei behält Denise Mina stets den Überblick über die verschiedenen Erzählstränge – und verflicht sie am Ende virtuos. Zudem zeichnet sie ein scharfer Blick für gesellschaftliche Realitäten aus. Misogynie ist aus der Perspektive der Polizistin Alex Morrow nicht die Ausnahme, sondern durchzieht konstant die Gesellschaft. Sie ist einfach da. Auch Verbrechen und Kriminalität sind nicht Abnormitäten, sondern strukturelle Elemente einer Gesellschaft, die auf Betrug und Geldwäsche beruht. Daher geht es bei dem schottischen Unabhängigkeitsreferendum auch nicht nur um das Machtverhältnis zwischen Schottland und England, sondern um Geld, Grundstückspreise und Investitionen.

Doch die wahren Schuldigen kommen davon

In "Blut Salz Wasser" dekonstruiert Denise Mina eindrucksvoll den konservativen Glauben, dass mit der Überführung des Täters alles wieder gut und die Ordnung wiederhergestellt sei. Vielmehr kommen die wahren Schuldigen davon, während ihre Handlanger gefasst werden. Und sie sind es, mit denen man fühlt. Iain, der am Anfang eine Frau ermordet, ist die Figur, die am längsten nachwirkt. An ihm wird deutlich, dass es manchmal nur eine Kleinigkeit ist, die den Unterscheid macht zwischen einem Leben mit oder ohne Kriminalität.

Denise Mina: "Blut Salz Wasser"
Aus dem Englischen von Zoë Beck
Ariadne, Hamburg 2018
363 Seiten. 19 Euro

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