Denis Johnson: "Die lachenden Ungeheuer"

Von Voodoo-Terror und Diktatoren

Eine Bildcombo zeigt das Buchcover von Denis Johnsons Roman "Die lachenden Ungeheuer" vor dem Foto von Menschen auf der Straße in Sierra Leones Hauptstadt Freetown.
Eine Bildcombo zeigt das Buchcover von Denis Johnson: "Die lachenden Ungeheuer" vor dem Foto von Menschen auf der Straße in Sierra Leones Hauptstadt Freetown. © Rowohlt Verlag / dpa / Thomas Schulze
Von Tobias Gohlis · 03.03.2017
In "Die lachenden Ungeheuer" begegnen sich ein weißer Söldner und ein schwarzer Killer im westafrikanischen Sierra Leone. Sie träumen von einer Minidiktatur mit Beach-Girls, Bars und Strandarmeen unter ihrer Herrschaft. Der Roman von Denis Johnson ist von Null auf Platz 1 der Krimibestenliste gelandet.
Denis Johnson ist kein Autor, der nach Fällen sucht, die es zu erklären oder zu lösen gälte. Der 1949 in München geborene Sohn eines US-amerikanischen Soldaten ist in seinem Leben über so viele Verbrechen gestolpert, dass er keine Erklärungen und Lösungen von irgendetwas mehr erfinden kann. Auch nicht in seinem jüngsten Roman "Die lachenden Ungeheuer", soeben von Null auf Platz 1 der Krimibestenliste März durchgestartet.
Die lachenden Ungeheuer: Das sind zum einen ein paar Berge im Kongo. Das sind zum andern die beiden Kerle, um die es im gleichnamigen Roman geht. Roland Nair, dänischer Hauptmann im Nato-Geheimdienst NIIA, ist in Freetown/Sierra Leone aufgeschlagen. Er soll Michael Akribo, einen alten Bekannten aus früheren Geheimdienstaktionen suchen und beobachten. Warum, weiß er nicht so recht. Außerdem hat er mindestens ein weiteres Ding am Laufen: Er will Teile des ultrageheimen NIIA-Netzwerks an die Warlords, vielleicht aber auch an andere Geheimdienste verscherbeln, um nicht mehr arbeiten zu müssen. Ex-Kumpel Akribo, einstmals sein Lebensretter, aufgewachsen als Kindersoldat unter Massenmörder Idi Amin, will das Gleiche erreichen. Er veranstaltet eine Auktion mit - natürlich gefakten - Uranvorkommen unter meistbietenden Atombomben-Ambitionierten. Akribos Traum: die Errichtung einer Minidiktatur mit Strandbars, Beach-Girls und Strandarmeen mit ihm und Nair als Minidiktatoren.

Von Geheimdiensten und Warlords verfolgt

Zuvor aber will Akribo, der auch noch von der US-Army als Deserteur gesucht wird, mit Davidia, der Tochter seines Stationskommandeurs, in seinem Heimatdorf traditionelle Stammeshochzeit feiern, im Schatten der "Lachenden Ungeheuer". Auf ihrer Flucht zur Hochzeit quer durch Afrika, verfolgt von etlichen Geheimdiensten und Warlords, gelangen sei nach "Njuwada-Mountain". Doch die New Waters, nach denen ein zukunftsfrommer Missionar den Ort benannt hat, sind von den Chemikalien zur Auswaschung von Edelmetallen so vergiftet, dass die drei Hochzeitsreisenden nur noch auf Sterbende und Leichen stoßen.
"Die lachenden Ungeheuer" sind eine wüste und groteske Aktualisierung von Joseph Conrads Kongo- und Afrikamythen bildender Erzählung "Herz der Finsternis". Conrads Roman lebte von der Konfrontation zweier moralischer Welten. Hier die des aufrechten Kolonialsoldaten Marlow und dort die des in einen zynischen Gott verwandelten Tyrannen Kurtz. Nichts mehr davon in Johnsons schwarzer Groteske: Der weiße Söldner Nair und schwarze Killer Akribo haben jede Moral so weit hinter sich gelassen, dass sie - jeder auf seine Weise - längst überhaupt das Bewusstsein dafür verloren haben, wer sie sind. Eindrucksvoll irre wird das im immer mehr ausfasernden Bericht des Ich-Erzählers Nair, der zum Ende hin nicht einmal mehr weiß, an welche Traumgeliebte er seine Mails schreibt und ob er sie verschickt hat. Und Akribo streitet mit einer wahnsinnig gewordenen Göttin, seiner westlich erzogenen schwarzen Cousine, um Erbe und Macht über das vergiftete Njuwada. Beide zusammen verkörpern sie die gruseligen Varianten von Voodoo-Terror und Diktatorenschaft, die das postkoloniale Afrika kennt.

Bild des Westens in einem schwarzen Spiegel

Johnson hat in den 90er-Jahren etliche großartige, erschütternde Reportagen über Afrika veröffentlicht. Darin fragte sich der Erzähler noch, was er dort zu suchen habe - ein fremder Weißer, der mit seinem Stift und seinen Worten dem grassierenden Irrsinn Bedeutung verleihen sollte. Man kann Johnsons Roman "Die lachenden Ungeheuer" als groteskes Gelächter über das aufgegebene, sich selbst überlassene Afrika lesen. Vor allem aber ist es ein Bild des Westens, gesehen in einem schwarzen Spiegel.

Denis Johnson: "Die lachenden Ungeheuer". Roman.
Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2016
271 Seiten, 22,95 Euro

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