Den Markt im Auge und Europa im Blick

Von Gerhard Klas · 25.03.2007
Vor 50 Jahren unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland die Römischen Verträge. Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist dieser Termin für die Bundesregierung ein willkommener Anlass, an die Anfänge der europäischen Einigung zu erinnern.
Als Römische Verträge bezeichnet man den Vertrag zur Europäischen Atomgemeinschaft und den zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, kurz EWG. Die Organe der EWG haben bis heute Bestand: Der Rat als zentrales Entscheidungsgremium; das Europäische Parlament als Beratungs- und Kontrollorgan, heute ergänzt um einige Mitbestimmungskompetenzen; die EU-Kommission als Exekutive und der Europäische Gerichtshof.

"Die immer engere wirtschaftliche Zusammenarbeit soll der Motor und Wegbereiter für die später folgende politische Einigung werden."

Schon im Mai 1955 stießen die Regierungen der Benelux-Staaten in einem Memorandum die Debatte zu den Perspektiven eines gemeinsamen Marktes mit 170 Millionen Menschen an. Außer Luxemburg, Belgien und den Niederlanden sollte er Italien, Frankreich und die Bundesrepublik umfassen. Der britischen Regierung gingen die politischen Ambitionen allerdings zu weit, sie wollte lediglich eine europäische Freihandelszone, der sich auch viele der im Ost-West Konflikt neutralen Staaten anschließen sollten. 1959 gründeten dann Großbritannien, Dänemark, Norwegen, Österreich, Schweden und die Schweiz die Europäische Freihandelsassoziation. Die EWG hingegen war im Zeitalter des Kalten Krieges für die Regierungen ihrer Mitgliedsstaaten weit mehr als eine Freihandelszone, auch für Konrad Adenauer, der am 25. März 1957 als deutscher Bundeskanzler die Römischen Verträge unterzeichnete.

"Nur ein immer festerer Zusammenhalt unserer sechs Staaten gewährleistet uns allen die Sicherung unserer freiheitlichen Entwicklungen und unseres sozialen Fortschritts."

Die EWG gilt heute als Grundstein der Europäischen Union, die seitdem von einer großen Koalition der Volksparteien vorangebracht wird. In den 50er Jahren allerdings war die Debatte um die Zukunft Europas noch von inhaltlichen Kontroversen geprägt, die in der Bundesrepublik der Oppositionsführer der SPD, Kurt Schumacher, mit markigen Redebeiträgen anheizte.

"Die Sozialdemokratie hat nein gesagt zu allen konservativ-klerikal-kapitalistisch-kartellistischen Versuchen ein Europa zu schaffen, dass aus seiner kapitalistischen Struktur und seinem Mangel an Demokratismus und sozialer Potenz ein leichtes Opfer des östlichen Ansturms wäre. Sie sagt aber ja - aus ganzem Herzen ja - zu dem Europa der gleichberechtigten freien Völker."

Solche Vorstellungen gärten auch nach dem Tode Schumachers noch weiter in der SPD und prägten die Debatte über die EWG im Bundestag. Vier Tage vor der Unterzeichnung der Römischen Verträge kritisierte etwa der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Mommer:

"Die Parlamente der Mitgliedsstaaten verzichten auf wichtige Gesetzgebungskompetenzen und Kontrollrechte auf wirtschaftspolitischem Gebiet, im Außenhandel, in der Atompolitik, und diese Rechte gehen nicht über auf das europäische Parlament, sie finden sich vielmehr wieder im Ministerrat der Gemeinschaft. Die Versammlung ist ohne alle legislativen Rechte, und sie hat nur sehr bescheidene Kontrollrechte. Das Parlament wird geradezu an Rechten beraubt, und das zu Gunsten einer Technokratie, einer Bürokratie und der Minister, die in den Ministerräten sitzen werden."

Auch anderen SPD Abgeordneten waren die Verträge zu unausgegoren. Sie forderten die

"Harmonisierung der Wirtschafts- und Währungspolitik und die Koordinierung der Sozial- und Fiskalpolitik."

Gemeinsamer Markt, florierende Wirtschaft, billiger Konsum, höherer Lebensstandard, darauf hoffte aber schließlich auch die Mehrheit der Sozialdemokraten und stimmte den Römischen Verträgen zu. Die europäische Sozialpolitik allerdings blieb nach der Gründung des gemeinsamen Marktes auf der Strecke, wie der erste Präsident der EU-Kommission, der konservative Politiker Walter Hallstein, 1967 in seinem Rechenschaftsbericht einräumen musste.

"Die Kommission hat die Zollunion gemäß den Vertragsregeln auf den Weg gebracht. [...] Sie hat sich auch darüber hinaus dem Vertrag gemäß bemüht, die europäische Sozialpolitik zu fördern, sie ist bisher durch die Ergebnisse jedoch nicht befriedigt."