DDR-Schulsystem

Der Beginn des sozialistischen Zeitalters

Schulalltag in der DDR - Schüler im Unterricht an der 6. Polytechnischen Oberschule Karl-Friedrich-Schinkel in Berlin
Schulalltag in der DDR - Schüler im Unterricht an der 6. Polytechnischen Oberschule Karl-Friedrich-Schinkel in Berlin © Imago / Seeliger
Von Kirsten Heckmann-Janz · 25.02.2015
Vor 50 Jahren, am 25. Februar 1965, verabschiedete die Volkskammer der DDR das "Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem". Es regelte die erzieherische Rolle des Staates von der ersten Lebenswoche bis zur Berufsausbildung. Das Gesetz blieb lange bestehen - bis zum Zusammenbruch der DDR.
"Der Ministerrat hat mich beauftragt, in dieser Sitzung der obersten Volksvertretung unserer Deutschen Demokratischen Republik das 'Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem' zu begründen."
Alexander Abusch, stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats, auf der Volkskammersitzung am 25. Februar 1965.
"Hervorgegangen aus einer gründlichen wissenschaftlichen Vorarbeit und einer demokratischen Aussprache weiter Kreise unseres Volkes, verkörpert das Gesetz ein Werk moderner, humanistischer Bildung, von dem wir überzeugt sind, dass es von großer nationaler Bedeutung ist."
Die sozialistische Umgestaltung des Schulwesens war bereits sechs Jahre zuvor mit dem Aufbau der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule auf den Weg gebracht worden. 1963, auf dem VI. Parteitag der SED, war der "umfassende Aufbau des Sozialismus" beschlossen worden, eine Entscheidung, die auch Reformen im Bildungssystem nach sich zog. Als ein Ergebnis legte Margot Honecker, Ministerin für Volksbildung, im Februar 1965 das Gesetz zum einheitlichen sozialistischen Bildungssystem vor.
"Dieses Gesetz rekapitulierte im Grunde genommen die erzieherische Rolle des Staates von der ersten Lebenswoche bis zum Eintritt in das berufliche Leben."
Der französische Historiker Emmanuel Droit, der am Berliner Centre Marc Bloch über das DDR Schulsystem forscht.
"Und natürlich im Kontext des Bildungswettlaufs zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, da stand diese Reform unter dem Zeichen der so genannten wissenschaftlich-technischen Revolution. Und die oberste Priorität war die Ausbildung von qualifizierten Facharbeitern."
Die Aufgabe der Lehrer und Hochschullehrer war es nicht nur, Wissen zu vermitteln, sondern auch im Sinne der SED zu erziehen: Zur Liebe zu der Deutschen Demokratischen Republik, zum Stolz auf die Errungenschaften des Sozialismus, zur Bereitschaft, die Errungenschaften der sozialistischen Heimat zu verteidigen - so stand es im Gesetz.
Ein Unterrichtstag in der Produktion
Der grundlegende Schultyp des Bildungssystems war die zehnjährige polytechnische Oberschule – POS, die den Schülern die Arbeitswelt nahe bringen sollte.
"Dieser polytechnische Unterricht ist ein Erbe der Arbeiterbewegung und des Denkens von Karl Marx aus dem 19. Jahrhundert, aber auch ein Import aus der Sowjetunion, weil Ende der 50er Jahre gab es von Nikita Chruschtschow einen Impuls in diesem Bereich, um das sowjetische Bildungssystem zu modernisieren und damals stand der polytechnische Unterricht im Zentrum des Interesses und der Erziehungspolitik. Also, dieser polytechnische Unterricht verfügte über zwei Dimensionen damals: eine eher theoretische Dimension mit der Einführung von speziellen Fächern, wie die Einführung in die sozialistische Produktion, und die andere Dimension war natürlich eine praktische Dimension und der Grundsatz die Verbindung von Bildung mit dem Leben war sehr wichtig, und dieses praktische Fach war der so genannte UTP, Unterrichtstag in der Produktion, und da waren die Kinder, beziehungweise die Oberschüler, mit der Realität des DDR-Betriebs konfrontiert."
Die fähigsten und auch politisch zuverlässigsten Schüler und Schülerinnen konnten nach Abschluss der zehnklassigen polytechnischen Oberschule auf die Erweiterte Oberschule, EOS, wechseln, um nach zwei Jahren die Hochschulreife zu erlangen. Darüber hinaus gab es für Lehrlinge besondere Abiturklassen, die parallel zur Berufsausbildung ebenfalls zur Hochschulreife führten. Die Universitäten und Hochschulen sollten schließlich den Arbeiter- und Bauernkindern bevorzugt offen stehen.
Wie erwartet, stimmte die Volkskammer am 25. Februar 1965 dem Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem zu. Es sollte Jahrzehnte unverändert gelten. Emmanuel Droit:
"Mit dem Abschluss der Reform atmeten die 70er- und die 80er-Jahre den Geist einer gewissen Endgültigkeit. Das ist letztendlich der Sieg der Orthodoxie und des Dogmatismus. Und jemand wie Margot Honecker war so stolz auf ihr Bildungssystem, dass sie eigentlich keinen Grund sah, grundlegende Reformen einzuleiten und dieses Gesetz blieb bis zum DDR-Zusammenbruch bestehen."
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