Dave Gahan: "Angels & Ghosts"

Depeche-Mode-Sänger wieder solo unterwegs

Dave Gahan bei einem Auftritt mit "Depeche Mode" in Polen (2014)
Dave Gahan bei einem Auftritt mit Depeche Mode in Polen. Bei aller Lieber zu seiner Hauptband: Seine Soloprojekte nutzt Gahan, um sich selbst künstlerisch zu beweisen. © picture alliance / dpa / Grzegorz Michalowski
Von Marcel Anders · 23.10.2015
Gemeinsam mit den Soulsavers hat "Depeche Mode"-Sänger Dave Gahan mit "Angels & Ghosts" ein überraschend traditionelles Album als Solo-Projekt veröffentlicht. Die Grundstimmung: rabenschwarz und tiefromantisch.
"Ich habe nicht vor, mich ständig zu wiederholen und immer dasselbe zu machen. Als Künstler musst du wachsen – und kannst nur hoffen, dass die Leute, die deine Arbeit mögen, sich mit dir bewegen. Tun sie das nicht, gibt es nichts, was du dagegen tun kannst. Da sind halt immer welche, die von deinen Solo-Sachen enttäuscht sind und andere, die sie aufregend finden."
Egal wie erfolgreich Dave Gahan mit Depeche Mode ist – die Synthie-Pop-Pioniere sind für den 53-Jährigen auch so etwas wie ein unsichtbares Gefängnis, aus dem er regelmäßig ausbricht. Eben, um sich zu beweisen, um nicht stehen zu bleiben und seine kreative Ader auszuleben.
Demselben Ansatz folgt "Angels & Ghosts", sein zweites Album mit Soulsavers, dem britischen Produzenten-Duo um Ian Glover und Rich Machin. Darauf lebt Gahan einmal mehr seine Vorliebe für ur-amerikanische Klänge aus – und gibt sich dabei überraschend traditionell.
"Auf dem Album sind definitiv jede Menge Gospel- und Blues-Einflüsse. Also mindestens so viele wie auf 'Violator' und "'Songs Of Faith And Devotion' von Depeche Mode. Wobei die Instrumentierung aber live eingespielt wurde. Also da war nur ganz wenig Technik im Spiel – was bei Depeche Mode geradezu undenkbar wäre. Ohne Pro-Tools und Programmieren geht da nichts. Und das hier ist anders – wir haben alles Schritt für Schritt aufgenommen."
Rabenschwarz und tiefromantisch
Was Gahan hier beschreibt, ist handgemachte Musik, die auf Orgel, Klavier, Streicher, Gospelsängerinnen und kantige Gitarren setzt, zwischen Blues, Rock, Cabaret und Orchester-Pop pendelt, und eine cineastische Qualität aufweist. Die neun Stücke besitzen eine intensive Grundstimmung, die meist rabenschwarz und tiefromantisch ist. In einigen Fällen aber auch geradezu euphorisch. Wie bei "Shine On", mit dem dieses ebenso stilvolle wie stimmige Werk beginnt.
"Der Song entstand nach einem Konzert, das Depeche Mode im Berliner Olympiastadion gespielt haben. Ein Abend, an dem alles gestimmt hat: Die Atmosphäre war fantastisch, meine Stimme hat prima funktioniert und das Ganze hatte etwas Magisches. Anschließend hatte ich ein paar Worte und eine Melodie im Kopf, die ich im Hotel aufgenommen habe. Und als Rich mir später eine Song-Idee mit einer Blues-Gitarre schickte, passte das wunderbar zu dem, was ich schon hatte."
Solche triumphalen Momente machen die "Angels" im Albumtitel aus. Genau wie seine Familie, mit der Gahan in New York lebt und die er als sein größtes Glück bezeichnet. Die "Ghosts", die Geister, sind dagegen seine Drogen-Eskapaden der 90er, die immer noch nachhallen und starken Einfluss auf die Texte haben. Gleichzeitig – und das ist bemerkenswert – blickt Gahan aber auch über den berühmten Tellerrand und widmet sich Themen wie der Flüchtlingswelle, oder – weil seine Frau Griechin ist – der Staatsmisere an der Ägäis.
Der Mensch hinter der Rockstarfassade
"Es wäre unmöglich, diese Sachen zu ignorieren. Gerade wenn man viel reist und die Veränderungen mit eigenen Augen sieht. Ich denke, die meisten Probleme beruhen darauf, dass wir immer noch nicht in der Lage sind, das zu teilen, was uns eigentlich allen gehört – nämlich diesen Planeten. Deshalb sage ich in einem Song: 'Wir leben in einer Zeit, in der sich keiner um irgendetwas zu kümmern scheint.' Denn bei allem, was gerade passiert, kann man nur hoffen, dass unsere Politiker endlich anfangen, ihren Job zu erledigen."
Worte, mit denen Gahan verdeutlicht, dass hinter der Rockstarfassade aus Sonnenbrille, Designer-Klamotten und gegeltem Haar eben doch ein bisschen mehr steckt. Nämlich ein kritischer Zeitzeuge und ein ambitionierter Musiker. Als solcher tourt er dieser Tage mit den Soulsavers durch intime Theatersäle und bereitet zugleich das nächste Album von Depeche Mode vor. Eine Band, die seit 35 Jahren existiert, 100 Millionen Tonträger verkauft hat und – genau wie Gahan – längst nicht ans Aufhören denkt.
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