Dauerbrenner mit Perspektive

Von Ludger Kazmierczak · 14.09.2011
Schon lange sind die Beziehungen zwischen den Nachbarländern Litauen und Polen angespannt. Die rund 300.000 Polen, die im Baltikum leben, beklagen sich immer wieder über Demütigungen und Diskriminierungen - und auch die litauische Minderheit in Polen fühlt sich immer wieder angegriffen.
Als vor zwei Wochen in Litauen das neue Schuljahr begann, blieben in den Klassen viele Bänke leer. Angehörige der polnischen Minderheit hatten ihre Kinder aus Protest gegen die Bildungsreform zu Hause gelassen. Das neue Gesetz sieht vor, dass wichtige Fächer künftig nur noch auf Litauisch unterrichtet werden dürfen - auch in Schulen, die eigens für die polnische Minderheit geschaffen wurden. Von 2013 an wird es nicht mehr möglich sein, das Abitur auf Polnisch abzulegen. Ein klare Benachteiligung der polnisch-stämmigen Litauer, sagt Robert Tyszkiewicz vom Auswärtigen Ausschuss des Parlaments.

Robert Tyszkiewicz: "Diese Entscheidung vergrößert bestimmt nicht das Vertrauen zwischen Polen und Litauen und verbessert gewiss nicht die bilateralen Beziehungen. Polen hat so viele Signale gesendet. Wir haben erwartet, dass dieses schlechte Gesetz nicht verabschiedet wird. Leider hat Litauen anders entschieden."

Die Polen in Litauen fühlen sich seit Langem diskriminiert. Und Ministerpräsident Donald Tusk hat die Lösung des Problems zur Chefsache erklärt. Kürzlich traf er sich mit Litauens konservativem Premier Kubilius, um die Minderheitenfrage zu diskutieren.

Donald Tusk: "Eine Expertengruppe unter Leitung der beiden Vize-Bildungsminister soll sich nun regelmäßig treffen, um Empfehlungen auszusprechen. Es steht außer Zweifel, dass gute Litauischkenntnisse für die Polen wichtig sind - ebenso wie gute Polnischkenntnisse."

Seitenwechsel: So wie die Polen in Litauen, fühlen sich auch die Litauer in Polen diskriminiert. Allerdings nicht durch den polnischen Staat, sondern durch extremistische Gruppen, die in den vergangenen Wochen im Nordosten des Landes zweisprachige Ortsschilder und Denkmäler der litauischen Minderheit beschädigt hatten. Olgierd Wojciechowski, der Vorsitzende der litauischen Minderheit, ist beunruhigt.

Olgierd Wojciechowski: "Wir fragen uns, wie wir als nationale Minderheit in Polen weiter funktionieren sollen. Denn diese Attacken sind eindeutig gegen polnische Bürger litauischer Abstammung gerichtet. Wir sind eine kleine Gruppe und wir fühlen uns eingeschüchtert."

Auf die Schändung der litauischen Denkmäler reagierte Polens Außenminister Sikorski mit ehrlicher Empörung. Er sprach von einem skandalösen Zwischenfall. Genau das unterscheidet die Lage der Minderheiten in den beiden Ländern. Polens Regierung unterstützt die Litauer im eigenen Land, während Politiker in Vilnius die Rechte der Polen in Litauen mehr und mehr beschneiden. Sikorski zeigt sich enttäuscht.

Radoslaw Sikorski: "Ich habe den Eindruck, dass wir uns mit unserer Freundschaft 20 Jahre lang ein bisschen aufgedrängt haben und jetzt warten wir auf eine Geste, dass diese Freundschaft auf Gegenseitigkeit beruht. Wir hoffen, dass unsere ausgestreckte Hand nicht abgelehnt wird und Entscheidungen getroffen werden, die gegen die Rechte der polnischen Minderheit verstoßen."

Die polnisch-litauischen Beziehungen haben ihren Tiefpunkt längst erreicht. Für eine Wende könnten allenfalls neue politische Köpfe und ein neues Denken sorgen. Die Litauer haben es in der Hand. Nächstes Jahr wählen sie ein neues Parlament.