Das Radio rocken

Von Jörg Taszman · 14.04.2009
An die Zeit der echten Radiopiraten erinnert der überzeugende Musikfilm "Radio Rock Revolution". Er erzählt von jungen Enthusiasten, die Mitte der 60er-Jahre von einem Schiff in der Nordsee aus Rock- und Popmusik unters britische Volk brachten. 24 Stunden am Tag sendeten sie die Songs der Beatles, Kinks, Rolling Stones oder The Who.
Es war einmal die Zeit des Britpop und der Rockmusik, die man offiziell kaum hören konnte. Zwei Stunden Popmusik pro Woche, so lautete das Angebot der BBC an Teenager, Schichtarbeiter und Rockmusikliebhaber. Und so gaben sich täglich 20 Millionen Briten einem frechen, kommerziellen Piratensender hin, der ihre Musik spielte. Dabei zählte nicht nur die Musik, auch die DJs mit ihren anzüglichen Sprüchen und verbalen Tabubrüchen wurden kultisch verehrt, wie der aus den USA stammende "The Count", der sich an einem besonderen Wort mit vier Buchstaben live versucht.

Szene aus dem Film:
" Und jetzt kommt auf ganz besonderen Wunsch das F…Wort. Vorher spielen wir noch einen ganz besonderen Titel.
- Das kannst du nicht bringen.
- Wieso denn, ist doch nur ein Wort.
- Das Problem ist, die Regierung kann uns jetzt schon nicht leiden. Wenn du das tust, werden sie uns hassen und mit allen Mitteln versuchen, uns den Laden dicht zu machen.
- Ich verstehe nicht. Wir sind Piraten, deshalb sitzen wir doch in der verfluchten Nordsee.
- Sie finden einen Weg. Freie Menschen sind dem Staat ein Dorn im Auge.
- Okay ich werd drüber nachdenken. Meine lieben Genossen, ich habe traurige Nachrichten. Die Obrigkeit hat verfügt, dass das F-Wort ein Wort zu weit geht. Aber auch wenn unser Traum von Freiheit gerade einen tragischen Tod erlitten hat; die "Hollies" sind noch am Leben.
- Danke
- Was soll der Zirkus? Ich wollte nur einmal Fick sagen. So ein winziges, kleines Fickerchen.
- Es gibt kein winziges, kleines Fickerchen. "

Der großartige Philip Seymour Hoffman verkörpert "seine Lordschaft" als unangepassten Rebellen, für den Musik und freie Meinungsäußerung alles sind. Dabei beweist der Amerikaner wieder einmal seine Vielseitigkeit. Der leicht stämmige Darsteller mit den rötlichen Haaren, musste oft kaputte, sexsüchtige oder verletzliche Typen spielen, meist Außenseiter in Filmen wie "Boogie Nights" oder "Magnolia". Seinen absoluten Durchbruch feierte Philip Seymour Hoffman mit "Capote", für den er 2006 einen Oscar erhielt. In "Radio Rock Revolution" darf er nun einmal sein komödiantisches Talent ausleben. Deshalb ging er an die Rolle auch relativ locker heran:

Philip Seymour Hoffman: "Da gibt es diese noch ursprüngliche Begeisterung und eine gewisse Unschuld in dem, was diese DJs anboten. Sie gingen davon aus, dass man das Recht hatte, diese Musik zu hören, wann immer man wollte. Dass man durch diese Musik besser durch den Tag kam und so sein Leben verändern konnte. Und genauso bereitete ich mich auf diese Rolle auch vor und dachte weniger daran, die Logistik eines DJs zu erlernen, sondern versuchte herauszufinden, was ich tun würde, um andere ein wenig mit Musik aufzuputschen."

Im Mittelpunkt des Films stehen die ganz unterschiedlichen Radiomoderatoren. Regisseur Richard Curtis hat sich aber auch noch eine hübsche Rahmenhandlung ausgedacht um den jungen Carl, der von seiner Schule flog und nun bei seinem Patenonkel Quentin, Kapitän und Boss auf dem Schiff, als Praktikant das Leben lernen soll. Und da Frauen auf dem Boot nur kurz zu Besuch kommen dürfen und Carl noch "unschuldig" ist, sind emotionale Konflikte vorprogrammiert. Regisseur Curtis inszeniert das alles mit viel Leichtigkeit und platziert insgesamt 53 Songs in seinen wirklich überzeugenden Musikfilm. Dabei erinnert sich Curtis auch an seine eigene Jugend:

"Jeder in meiner Generation hat dieselben Erinnerungen. Man ging mit seinem Kofferradio ins Bett und hörte unter seinem Kissen diese fantastischen Stimmen und diese tolle Musik, die es woanders nicht zu hören gab, während die Eltern schrien: Geh ins Bett, es ist Zeit zu schlafen! Ich glaube, das gehörte mit dazu, dass ich Popmusik ganz besonders liebte."

"Radio Rock Revolution" gehört zu den britischen Filmen, die ganz offen ein breites Publikum ansprechen, dabei in erster Linie auf das Bauchgefühl zielen und den Zuschauer, der nicht zu kritisch an einen leicht und locker aufbereiteten Stoff herangeht, gekonnt unterhalten. Wenn nun selbst ernannte Besserwisser nörgeln, der Film feiere ungeniert das Privatradio und sei politisch naiv, dann haben sie nicht Unrecht, sitzen aber wohl im falschen Film.

Hier geht es um liebevoll inszenierte Klischees von Sex und Rock 'n‘ Roll, und in Zeiten, in denen in unserer westlichen Welt kaum anarchistische Strömungen auszumachen sind oder "revoluzzern" unangebracht ist, vermag ein Film wie "Radio Rock Revolution" immerhin daran zu erinnern, wie man einst das Establishment in Frage stellte.