Das philosophische Werk von Karl Marx

Interpretiert, ideologisiert, dogmatisiert

Eine aufgeblasene Büste von Karl Marx steht am 05.09.2017 in Hamburg gegenüber dem Eingang des Museums der Arbeit. Die Sonderausstellung "Das Kapital" läuft bis zum März 2018.
Das Werk von Karl Marx wird heute wieder viel gekauft und gelesen. © dpa / picture-alliance / Georg Wendt
Sabine Nuss im Gespräch mit Maike Albath · 05.05.2018
Karl Marx wurde immer wieder neu interpretiert und den historischen Entwicklungen angepasst, sagt Sabine Nuss vom Karl-Dietz-Verlags, der das Werk des Philosophen bis heute herausgibt. Was sagt Marx uns also über unsere heutige Gesellschaft?
Jede Art und Weise, wie Karl Marx Werk gelesen und verlegt wird, sage mehr über die jeweilige Epoche und Gesellschaft aus, als über den Philosophen selbst, meint Sabine Nuss, Geschäftsführerin des Karl-Dietz-Verlags, der das Werk des Philosophen bereits zu DDR-Zeiten herausgab und bis heute herausgibt.
Damals - als SED-Parteiverlag - habe man versucht, die Werke von Marx und Engels "als ein abgeschlossenes Theoriegebäude zu verlegen", sagt die Geschäftsführerin des Verlages Sabine Nuss.
Dabei würden Forschungen heute zeigen, dass sein Werk nicht so abgeschlossen gewesen sei, wie es sich die politische Führung wünschte. Vielmehr habe der Philosoph seine eigenen Aussagen immer wieder revidiert und infrage gestellt, sagt Nuss.
"Was man da im Marxismus-Leninismus daraus gemacht hat: Es gibt ja auch Stimmen, die sagen, dass hatte eigentlich gar nichts mit Marx zu tun, sondern: Das hatte mit der damals herrschenden Staatsideologie zu tun. Da wurde das zurechtgestutzt."

Marx-Renaissance während der Finanzkrise

Heute versuche der Dietz-Verlag, die Werke des Philosophen für das breite Publikum zu erhalten und aus dem "stalinistischen Prokrustesbett herauszuführen" – und erlebt, dass die Werke von Karl Marx immer mal wieder eine Renaissance erfahren.
Beispielsweise in der Finanzkrise 2008: Damals seien Marx Werke wieder häufig verkauft worden, sagt Nuss. Etwa 3000 Stück seien in dem Krisenjahr über den Ladentisch gewandert. Nicht gerade "ein Bestseller", aber "für ein wissenschaftliches Buch, für so schwere Kost ist das eine ganz hohe Zahl". Weswegen Marx damals so gerne gekauft und gelesen wurde? – Vermutlich, weil "die herrschende Ökonomie nicht wirklich erklären konnte, wie es zur Krise gekommen ist" - und weil niemand die Krise vorausgesehen habe.
"Und man hat sich dann vielleicht nochmal darauf zurückbesonnen, dass man gerade bei Marx findet, dass Krisen zum Kapitalismus dazugehören, die sind kein Betriebsunfall oder keine Abweichung von der Normalität."

Bis heute habe Marx Gültigkeit

Auch jetzt steigen die Verkaufszahlen wieder. Wohl auch wegen der Jubiläen: 2017 jährte sich die Herausgabe des Kapitals zum 150. Mal, dieses Jahr wird der 200. Geburtstag von Karl Marx gefeiert.
Nun, knapp 30 Jahre nach dem Fall der Mauer, könne man befreiter und unbefangener an das Werk herangehen, meint Nuss. "Befreit von den Dogmen der Vergangenheit, befreit aus dieser Staatsideologie, aber auch befreit aus den Grabenkämpfen der marxistischen Debatten des Westens." Dann würde man merken, dass Marx etwas erkläre und erläutere, was immer noch Gültigkeit habe.
(lk)
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