"Das Meer unterdrückt sein eigenes Rauschen"

Von Matthias Eckoldt · 13.12.2009
Mit der Premiere seines Stückes "Jochen Schanotta" am Berliner Ensemble setzte Georg Seidel 1985 ein Achtungszeichen. In der Bundesrepublik erhalten seine Dramen einen festen Platz in den Spielplänen. Gelegentliche Aufführungen in der DDR werden hingegen von wütenden Kommentaren in der Presse begleitet.
Seidel erzählt humorvoll und pointiert von Menschen, die unter den abstrakten Ideen von der Revolution und ihrer bürokratisch-dünkelhaften Umsetzung leiden, schafft mit seinen Stücken einen neuen, nicht-konformen Realismus und verliert sich nicht in abstrakten Erwägungen über die Möglichkeit gerechter Gesellschaftsordnungen. Erst im Wende-Herbst wird seine dramatische Arbeit gewürdigt. Im November 1989 bekommt er den Schiller-Preis der Stadt Weimar. Während die Laudatio auf den unbequemen Dichter gehalten wird, fällt die Mauer, und bereits ein Jahr später gibt es die DDR nicht mehr.

Das Auseinanderfallen seines Landes aber erlebt Seidel nur noch zum Teil. Es gehört zur Tragik seiner Person, dass seine tödlich verlaufende Krebserkrankung Ende 1989 beginnt - ausgerechnet zu einer Zeit, da es möglich scheint, den Seidel so verhassten DDR-Sozialismus zu reformieren.

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