Das "Lustige Taschenbuch" wird 50

"Schluck! Grmf!"

Daisy Duck und Donald Duck aus dem Jahr 1983.
Tolpatschig, grantig, liebenswert – Donald Duck ist für viele der Held ihrer Kindheit. Seit 1967 erscheinen seine Geschichten auch im Taschenbuchformat. © imago/United Archives
Andreas Platthaus im Gespräch mit Katrin Heise · 30.09.2017
Es ist so etwas wie das Reclam-Heftchen der Comic-Fans. Seit 50 Jahren ist das Lustige Taschenbuch von den Kiosken nicht wegzudenken. Die Idee für das epische Comic-Format stammt jedoch nicht aus den USA, sondern aus Italien.
Sommerhitze, Eis und zwischen den klebrigen Fingern eine schon ziemlich abgenutzte Ausgabe des Lustigen Taschenbuchs. Für den einen oder begann die Liebe zum Buch nicht mit einem Roman, sondern mit einem der bunten Taschenbücher, in denen Donald Duck und Mickey Mouse zu verheißungsvollen Abenteuern aufbrachen oder mit den Tücken des Alltags kämpften.
Auch der FAZ-Feulletonist, Donaldist und Comic-Experte Andreas Platthaus entdeckte seine Liebe zum Comic als Kind während eines Italienurlaubs.
"Ich muss fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein als mir das erste Mal eines über den Weg lief. Und ich war begeistert von diesen Comics und diesem unglaublich praktischen Format."

Donald Duck auf europäisch

Comics im Taschenbuchformat, diese Idee stammte aus Italien. Schon 1932 erschien hier der erste Micky-Maus-Comic in Buchform. Die italienischen Zeichner transferierten die US-amerikanischen Geschichten nicht nur in eher europäisch anmutende Städte, sie erfanden auch eine neue epische Art der Comic-Erzählung. Die Abenteuer von Micky Maus und Donald Duck erstreckten sich nun auf mitunter mehrere hunderte Seiten. 1967 mit dem Erscheinen des ersten Lustigen Taschenbuchs gelangten diese Geschichten dann auch in deutsche Kinderzimmer.
"Das heißt plötzlich gab es einen riesigen Schatz von Geschichten, den man in Deutschland noch nie für Disney-Geschichten ausgeschlachtet hatte. Und das war ein überragender Erfolg, mit dem auch der Verlag gar nicht gerechnet hatte."
Nicht nur die Länge der Erzählungen, auch die Comiczeichnungen selbst unterschieden sich von den amerikanischen Vorlagen, stammten sie doch aus italienischer Feder und waren deutlich europäisch gefärbt, erklärt Andreas Platthaus.
"Damit habe ich auch eine ganz neue Welt des Zeichnens kennengelernt. Die Städte wirkten etwas europäischer als in den amerikanischen Heften und auch die Lebensverhältnisse sind ähnlicher. Da kam also ganz viel zusammen, was die Rezeption der Hefte begünstigt hat."
(mw)

Das Interview im Wortlaut

Katrin Heise: Stundenlange Autofahrten oder verregnete Ferientage – für mich als Kind waren die ohne "Das lustige Taschenbuch" eigentlich nicht vorstellbar. "Das lustige Taschenbuch", vielleicht weiß es jemand: Micky-Mau- und Donald-Duck-Comics im Taschenbuchformat. Das war nämlich wirklich genial. Erstens, mehrere Stunden Unterhaltung und zweitens sind die nicht so schnell durchgerissen wie diese labbrigen Hefte. Die waren wirklich stabil, konnten endlos getauscht werden. Am 1. Oktober 1967, also vor genau 50 Jahren, gab es das erste "Lustige Taschenbuch", und Andreas Platthaus, Literaturchef der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", ist bekennender Donaldist, und ich schätze mal, Sie haben ähnliche Erinnerungen wie ich ans "Lustige Taschenbuch", oder, Herr Platthaus?
Andreas Platthaus: Genau die gleichen Erinnerungen. Allein schon deshalb, weil ich zum ersten Mal ein "Lustiges Taschenbuch" in Italien gelesen habe, denn die Dinge gab es natürlich auch überall dort, wo deutsche Touristen mit ihren Kindern auftauchten, und ich muss irgendwie so fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein, also Anfang der 70er-Jahre, als mir da eins über den Weg lief, und ich war begeistert von dieser Menge an Comics und von diesem unglaublich praktischen Format.
Heise: Comichefte gab es ja eigentlich schon vorher. Ich meine, ich sage ja, für mich waren die so ein bisschen labbrig. Warum wurden die eigentlich als Taschenbücher dann auf den Markt gebracht?
Platthaus: Vor allem deshalb, weil man damit etwas ganz Neues bieten konnte, nämlich für relativ geringe Druckkosten in einem klassischen Buchformat, eben dem Taschenbuchformat, diese dicken Hefte, aber auch deshalb, weil es so etwas woanders schon gab, nämlich tatsächlich in Italien. Dort hatten die Micky-Maus-Hefte, wenn wir es mal so nennen wollen, immer dieses Taschenbuchformat, also viel kleiner, nicht so große Seiten, und das heißt, plötzlich gab es einen riesigen Schatz von Geschichten, den man in Deutschland noch nie für Disney-Comics ausgeschlachtet hatte, weil die Italiener auch genau für dieses Format zeichnen ließen, und als das bekannt wurde, hat man sich gesagt, dann importieren wir doch diese Geschichten, übersetzen die, haben dann wirklich Seiten, die in dieses kleine Format hineinpassen, während man die normalen Heftseiten ja gar nicht so simpel hätte verkleinern können, und haben damit etwas ganz Neues für die Leute … und das war ein überragender Erfolg, mit dem, glaube ich, auch der Verlag damals gar nicht gerechnet hatte.
Mit "Der Kolumbusfalter kehrt zurück" wird die berühmte erste LTB-Geschichte fortgesetzt. Der Band 499 erscheint am 10.10.2017.
Im 499. Band "Der Kolumbusfalter kehrt zurück" wird die berühmte erste LTB-Geschichte fortgesetzt. © obs / Egmont Ehapa Media GmbH / Egmont Ehapa Media / Disney
Heise: Das heißt, aus Italien kam die Idee, und ich habe jetzt Micky Maus mit Italien gar nicht so in Verbindung gebracht, ehrlich gesagt.

Italien, eine der größten Produktionsstätten für Disney-Comics

Platthaus: Micky Maus hat nach dem Zweiten Weltkrieg eine der allergrößten Produktionsstätten in Italien gehabt. Das liegt einfach daran, dass da dieses Taschenbuchformat etabliert war und die das immer natürlich sehr schnell gemerkt haben, wir können mit den amerikanischen Geschichten gar nicht arbeiten, denn wenn wir die Geschichten verkleinern, dann sieht das absolut lächerlich aus, und darum haben die Italiener beim Mondadori-Verlag eine ganz eigene Zeichnerriege herangezogen, die genau in diesem Format arbeitete – fast alles Italiener. Der allergroßartigste Romano Scarpa, von dem auch direkt die allererste Geschichte im allerersten "Lustigen Taschenbuch" stammt – und damit habe ich eine neue Welt auch des Zeichnens kennengelernt. Die waren ganz anders als die amerikanischen Hefte und ziemlich gut.
Heise: Und die Geschichten waren ziemlich lang. Das waren wir ja auch anders gewöhnt. Das ist ja auch eine Neuerung, die es da durchzusetzen galt, oder?
Platthaus: Das stimmt. Es war üblich, dass man in Italien Geschichten von ungefähr 30 Seiten Länge machte und nebenbei dann auch noch auf Fortsetzungsgeschichten setzte. Also wenn nach 30 Seiten eine Geschichte ihr Ende erreichte, war noch nicht gesagt, dass sie wirklich Schluss gemacht hat, sondern es gab Geschichten, die sich in den italienischen Heften über zwei oder drei Hefte erstreckten, also 60 oder 90 Seiten erreichten, und die wurden in den deutschen Heften dann zusammen abgedruckt. Das war etwas, was wir den Italienern voraushatten.
Heise: Die ganzen Geschichten haben ja doch auch immer wieder was Aktuelles aufgenommen. Wenn man die jetzt so aus Italien übernommen hatte, war das nicht schwierig?
Platthaus: Es war schwierig, aber das war dann die Leistung, die von den deutschen Redakteuren zu leisten war. Man hatte dann den Anspruch, dass man wirklich in gewisser Weise nicht tagesaktuell, aber zumindest am Puls der Zeit war, und das musste über die Übersetzung geschehen. Man hatte aber da auch wiederum den Vorteil, dass die italienische Comicwelt von Disney natürlich der deutschen viel näher war, weil man einen europäischen Blick auf die Phänomene warf. Die Städte wirken etwas europäischer als in amerikanischen Heften, und die Lebensverhältnisse sind auch ähnlicher. Da kam also ganz viel zusammen, was die Rezeption dieses Heftes immens begünstigt hat.
Heise: Mitte Oktober kommt jetzt Taschenbuch Nummer 499 raus, und in diesem Jahr sollen die 500 noch voll werden. Also ich gebe zu, ich habe das jetzt seit einigen Jahren doch ein bisschen aus dem Auge verloren. Wie zeitgemäß sind die "Lustigen Taschenbücher" noch?

Enten-Net – Internet für Tick, Trick und Track

Platthaus: Offenkundig immer noch zeitgemäß genug, dass man sie fortsetzen und fortsetzen kann. Es sind immer noch Auflagen, die für den Verlag, glaube ich, erfreulich sind. Sie schwanken, glaube ich, zwischen 100.000, einer Viertelmillion – das ist sehr, sehr viel, wenn man den heutigen Kioskmarkt betrachtet, der nicht mehr viel mit dem zu tun hat, was wir in unserer Kindheit kennengelernt haben, wo es riesige Auflagen von bis zu einer Million gab, aber das ist natürlich immer noch ein ganz tolles Geschäft. Die Schwierigkeit an den neuen Heften in meinen Augen ist, dass die Qualität der Geschichten nachgelassen hat. Man muss vielleicht auch, wenn man auf die 500 zusteuert, irgendwann mal sehen, dass ein gewisser Kosmos auch auserzählt ist, und zumindest mir sagen die neuen Geschichten nicht mehr allzu viel, was aber vielleicht auch damit zu tun hat, dass sie tatsächlich immer noch am Puls der Zeit sind, und der hat sich zumindest bei mir natürlich deutlich verlangsamt.
Heise: Ja, denn jetzt gibt es da auch – oh Gott, wie heißt denn das Internet da – das Enten-Net. Ich weiß nicht, also auf jeden Fall gibt es genau diese Phänomene natürlich in Entenhausen auch.
Platthaus: Ja, es ist alles damit reingenommen worden, was ja auch ganz vernünftig ist. Wenn Kinder heutzutage mit dem Smartphone aufwachsen, dass wäre es ja grotesk, wenn in Entenhausen Tick, Trick und Track beispielsweise überhaupt nichts in dieser Art benutzen. Dafür habe ich sehr, sehr großes Verständnis.
Heise: "Das lustige Taschenbuch" wird 50. Gratulation und auch ein bisschen Kritik von Andreas Platthaus. Dankeschön, Herr Platthaus!
Platthaus: Danke Ihnen, Frau Heise!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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