"Das löst nicht die Wohnungsprobleme, aber es bremst Spekulation"

Ulrich Maly im Gespräch mit Marietta Schwarz · 11.09.2013
In den attraktiven Großstädten werde die Notlage der Menschen ausgenutzt, ist Städtetag-Präsident Ulrich Maly überzeugt. Deshalb sei eine Mietpreisbremse ein Mittel, um die "allzu überschießende Spekulation" abzumildern. Notwendig sei aber gleichzeitig, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Marietta Schwarz: Bundesinnenminister Friedrich begrüßt heute die ersten einhundert von insgesamt 5000 syrischen Flüchtlingen, die Deutschland aufnimmt. 17.000 Syrer haben bereits hierzulande Zuflucht gefunden, jetzt sagt Außenminister Westerwelle, wir müssen mehr Flüchtlinge aufnehmen, und sein Kollege Dirk Niebel, der spricht sich für unbürokratische Familienzusammenführung aus. Das sind Forderungen, die von der SPD schon lange kommen, und ein SPD-Politiker ist jetzt zu Gast im Studio. Ulrich Maly, Oberbürgermeister von Nürnberg und Präsident des Deutschen Städtetags. Herzlich willkommen!

Ulrich Maly: Guten Tag!

Schwarz: Herr Maly, hat der deutsche Städtetag schon mal kalkuliert, wie viele Flüchtlinge bei uns noch Platz haben?

Maly: Nein. Das kann man, glaube ich, auch so nicht kalkulieren, denn das Recht auf Aufnahme von Flüchtlingen ist ein Menschenrecht, und das kann man auch und sollte man sicherlich nicht mit irgendwelchen Sachzwangargumenten relativieren.

Das Problem liegt trotzdem im Kleingedruckten. Das Kleingedruckte ist, dass es sich bei diesen 5000 Syrern um anerkannte Flüchtlinge handelt, das heißt, der Bund und die Länder verteilen die jetzt nach dem sogenannten Königssteiner Schlüssel auf die Kommunen, und dann sind wir zuständig. Dadurch, dass das anerkannte Flüchtlinge sind, sind das nämlich dann Menschen, um die sich die kommunale Sozialpolitik kümmern muss, und ich freue mich sehr, wenn die Minister der Bundesregierung hier sozusagen fröhlich die Aufnahme begrüßen.

Alles, was damit zu tun hat, nämlich die unterzubringen in menschenwürdigen Wohnungen, ihnen zu helfen, insofern sie traumatisiert sind durch die Kriegsereignisse in Syrien, das überlässt man dann den Kommunen, das ist eine Arbeitsteilung – man überlässt den Kommunen, ohne ihnen dafür Geld zu geben, und das ist eine Arbeitsteilung, die nicht in Ordnung ist.

Schwarz: Aber Steinbrück überlässt es auch den Kommunen? Der fordert das ja auch.

""Wir beteiligen uns schon""

Maly: Nein, fordern tun wir es ja auch. Wir haben ja immer gesagt, dass die Bundesrepublik als eines der reichsten Länder der Welt ihren Verpflichtungen bei weltweiten "Save me"-Kampagnen, und um so was handelt es sich ja, auch nachkommen muss. Nur dann, wenn der Bund dem nachkommt, dann erwarten wir, dass Bund, Länder und Gemeinden es gemeinsam finanzieren. Wir beteiligen uns schon, das tun wir bislang auch schon immer.

Schwarz: Das heißt, das ist ein finanzielles Problem für Sie erst mal?

Maly: Es ist ein faktisches Problem dort, wo es um die Wohnunterbringung geht, in den Städten, in denen eh schon Wohnungsnot herrscht. Und es ist in der Summe natürlich ein Problem der Organisation, lokale Sozialpolitik.

Schwarz: Wo bringt man die Flüchtlinge unter in den Städten?

Maly: Dort, wo es geht. Das sind ja anerkannte Flüchtlinge, das heißt, die sind sozusagen durch ihren Status, Beschluss der Innenministerkonferenz, haben die das Asylverfahren schon durchlaufen, sodass die jetzt nicht in irgendwelchen Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber untergebracht werden, sondern sie sind rechtlich, bitte dick unterstrichen, rechtlich dann Obdachlose, wenn sie nicht selbst eine Wohnung finden, und müssen von uns dann im Rahmen der Obdachlosenhilfe in Pensionen, in Wohnungen, die wir anmieten, untergebracht werden.

""Wo Mietmärkte eskalieren, dort müssen Sie mit dem Ordnungsrecht drohen und es auch anwenden""

Schwarz: Herr Maly, Sie haben die Wohnungspolitik, die Mietpreise angesprochen, die steigenden. Sie, der deutsche Städtetag gehört ja auch zu denjenigen, die sich für eine Mietpreisbremse stark machen. Was bringt die eigentlich?

Maly: Sie bremst im Moment in den ganz heiß gelaufenen Mietmärkten allzu überschießende Spekulation. Wir wissen auch, dass das Ordnungsrecht keine neue Wohnung schafft, aber dort, wo Mietmärkte eskalieren, das sind die kleinen Universitätsstädte, das sind die attraktiven Großstädte, München an der Spitze, dort müssen Sie, weil man tatsächlich die Notlage der Menschen ausnützt, mit dem Ordnungsrecht drohen und es auch anwenden. Das kann man zoniert tun, das löst nicht die Wohnungsprobleme, aber es bremst Spekulation.

Schwarz: Aber man könnte doch auch sagen, diese Mietpreisbremse, die nützt genau denjenigen, die jetzt schon privilegiert wohnen, nämlich im Zentrum – es wird ja immer als privilegiertes Wohnen erklärt. Wird es nicht höchste Zeit, mal die benachteiligten Wohnlagen in Augenschein zu nehmen, nämlich die am Stadtrand? Gerade für die Sozialdemokratische Partei?

Maly: Also erstens sind die benachteiligten Wohnlagen selten die am Stadtrand, sondern meistens die, die in der Zeit der Industrialisierung gewachsen sind in den deutschen Städten. Also in der Regel die am Rand der Altstadt. Das waren über Jahre hinweg die benachteiligten Wohnlagen, die heute zum Teil dann schon zu In-Stadtteilen wieder geworden sind.

Schwarz: Aber auch die großen Wohnsiedlungen!

Maly: Und die großen Wohnsiedlungen. Natürlich müssen wir uns die anschauen. Wir wissen, dass wir, wenn die Städtebauförderung, was wir alle hoffen, weiter ordentlich dotiert ist vom Bund, dass wir uns jetzt die Quartiere aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahren vornehmen müssen. Dort steht an energetische Sanierung, da steht sicherlich da und dort sogar an, dass man schlimme Bausünden beseitigt. Und es steht an, dass man auch die Gemeinbedarfseinrichtungen, die man in Stadtquartieren braucht, wieder vernünftig organisiert.

Schwarz: Das hört sich gut an, ist aber in keinem Wahlprogramm festgelegt. Ist es einfach kein Thema in der Öffentlichkeit?

Maly: Das ist Thema in der kommunalen Öffentlichkeit. Jeder Bürgermeister kann Ihnen das Stadtquartier sagen, wo er, wenn es Städtebauförderung gibt, als Nächstes sich dran macht. Und im Wahlprogramm muss dann drin stehen, die Partei XY setzt sich dafür ein, die Städtebauförderung wieder aufs alte Niveau zu heben oder gar zu erhöhen, und damit können wir dann schon arbeiten.

""Das sollte Thema für jeden deutschen Bundesbürger sein""

Schwarz: Das heißt, dass Sie denken, das ist auch gar kein Thema für einen Bundestagswahlkampf, wie wir ihn jetzt gerade haben?

Maly: Ich finde eigentlich, das sollte ja Thema für jeden deutschen Bundesbürger sein, sich mit dem Zustand seiner Städte zu befassen. Aber wir haben ja jetzt eben wieder gelernt, dass der Bundestagswahlkampf von anderen Dingen bestimmt wird, von Ketten, Farben um der Bundeskanzlerin Hals. Ich bedaure das ein bisschen, weil ich glaube, dass wir eine ganze Menge sehr tiefgehende gesellschaftliche Grundsatzfragen zu lösen haben, die über diese doch sehr oberflächlichen Betrachtungen deutlich hinausgehen.

Schwarz: Zum Beispiel, wie man preiswerten oder bezahlbaren Wohnraum in den Städten schaffen kann, wenn man ihn braucht. Wie geht das?

Maly: Zum Beispiel darüber, dass man darüber spricht, über Gerechtigkeitsfragen. Wie geht das? Wir müssen das Missverhältnis beseitigen zwischen der sogenannten Subjektförderung und der Objektförderung. Die Subjektförderung ist das, was wir Menschen, Haushalten an Wohngeld und Kosten der Unterkunft zahlen, das ist im Jahr fast 16 Milliarden Euro. Zwei Drittel davon zahlen die Kommunen. Und die Objektförderung, also das, was echt in Sozialen Wohnungsbau investiert wird, ist 1,5 Milliarden.

Nur schafft die Subjektförderung keine neuen Wohnungen, die Objektförderung schon. Also muss hier eigentlich umgesteuert werden. Es müssen Mittel bereitgestellt werden, dass aus den Wohnungsmärkten, die heute sehr stark überhitzt sind, Wohnungen herauskommen, wo die Quadratmetermiete am Ende halt bei sieben oder acht Euro liegt und nicht bei 13 oder 14 Euro.

Schwarz: Und wie geht das?

Maly: Das geht, indem man halt in den Produktionsprozess der Wohnungen eingreift. Da gibt es drei Ansatzpunkte, das ist die Finanzierungskostenseite, das sind die Baukosten und die Grundstückskosten. Bei den Finanzierungskosten ist im Moment nicht sehr viel drin, weil die Zinsen eh niedrig sind. Baukosten zu subventionieren, würde vermutlich sehr direkt dazu führen, dass die Baukosten weiter steigen.

Also sind wir in fast allen größeren Städten im Moment am experimentieren, ob wir nicht über erstens die quantitative Bereitstellung von mehr Flächen schon die Preise dämpfen und zweitens über die Art und Weise, wie wir öffentliche Flächen ausschreiben, indem wir zum Beispiel den Zuschlag damit verbinden, dass jemand günstige Wohnungen drauf baut – dass wir über solche Dinge auch eine gewisse Form von Grundstückskostensubvention betreiben.

Schwarz: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Maly: Bitte schön!

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