Das ist ja ein Tohuwabohu …

25.04.2008
Diesmal geht es um die Redensarten: Auf dem Holzweg sein, Sich aus dem Staub machen, Himmel, Arsch und Zwirn, Das geht mir über die Hutschnur u.a.
Das ist ja ein Tohuwabohu

Eigentlich handelt es sich um eine Angeberei Gebildeter, denn – Hand aufs Herz – wer beherrscht schon Hebräisch. Daher stammt das geheimnisvolle Wort für "Chaos" aber, genauer gesagt aus dem Schöpfungsbericht im 1. Buch Mose. Martin Luther übersetzte die eigentlich drei Wörter sehr richtig mit "wüst und leer". Es gibt allerdings auch noch mythologische Hintergründe: "Tohu" war nach jüdischer Überlieferung ein grüner Streifen, der die Erde umgab und verfinsterte, "Bohu" waren Abgründe, gefüllt mit schlammigen Steinen, durch die Wasser rieselte.

Auf dem Holzweg sein

Nichts ist dem Deutschen so lieb wie sein Wald, was nicht zuletzt durch eine Fülle von Redensarten, die mit ihm in Beziehung stehen, zu belegen ist. Einer der ganz, ganz tiefen Philosophen deutscher Zunge, nämlich Martin Heidegger, nannte eines seiner Bücher sogar – nein, nicht "Wald" – "Holzwege". Das könnte seltsam wirken, weil wir ja wissen, dass der Ausdruck Irr- und Abwege bezeichnet, aber Philosophen wissen selbst aus der Abschweifung und dem Irregehen eine Kunst des Denkens zu machen. Langer Rede kurzer Sinn, die Holzwege schlug man links und rechts von den Verbindungswegen ab in den Wald hinein, um von ihnen aus Holz herauszuholen. Es handelte sich um Stichwege, Sackgassen, die nur eine Strecke in den Wald führten und dann aufhörten. Wer auf dem Holzweg war, machte einen unnötigen Gang; außer er war Philosoph.

Sich aus dem Staub machen

Staub ist ein ganz besonderer Dreck, zu dem wir irgendwann mal alle weder: "Erde zu Erde, Staub zu Staub". Um unsere endgültige Puliverisierung geht es hier allerdings noch nicht, wenngleich man vorwurfsvoll schon manchem Toten vorgeworfen hat, er habe sich aus dem Staub gemacht. Auch der Straßenstaub, den jemandes Weggang aufwirbelt, reicht als Erklärung nicht aus, vielmehr muss man weit zurückgehen in die Zeit der hellen Heerhaufen, die auf dem Schlachtfeld mit ihrem Getümmel viel Staub aufwirbelten. Im Schutze dieser Wolken fand manch ein Hasenfuß die Gelegenheit zur raschen Flucht und machte sich aus dem Staub. Das überlebenskluge Desertieren galt freilich militärfrommen Zeiten als ehrenrührig, weshalb ein negativer Beiklang die Redensart lange begleitete, der heute nicht unbedingt mitschwingen muss.

Himmel, Arsch und Zwirn

Ja, das Fluchen! Dafür waren die Deutschen europaweit bekannt, und das schon seit Jahrhunderten. Es gibt kreative Rückungen darunter, zu denen dieser Dreibund nicht unbedingt zählt. Der erste Teil gehört zu den beliebtesten Stoßseufzern: "Himmel hilf! (Lass Hirn regen!)" Der zweite Teil gehört in die Hose und zu den beliebtesten Allerweltsflüchen. Der dritte Teil allein verwundert ein wenig. Wieso Zwirn? Nun, der zwiefache Faden hielt einfach besser als der einfache, weshalb sich das Wort als Verstärkungsfloskel anbot. Es kommt aber noch besser. Der Zwirn entsteht ja aus der Verwicklung zweier Fäden. Das nun wieder übertrug man schon im 16. Jahrhundert spätestens auf die Verwicklung zweier Leiber, die ähnlich untrennbar sich verbanden; jedenfalls für die Dauer des Sexualaktes. Insofern konnte Zwirnen zum Codewort fürs Vögeln und Zwirn für sexuell Tabuisiertes werden, womit es sich würdig in die Trias des Fluchs einreiht. Dass Varianten der Dreiheit gebräuchlich sind, versteht sich, zum Beispiel "Himmel, Arsch und Wolkenbruch". Da ist einem der Zwirn schon lieber.

Das geht mir über die Hutschnur

Das psychohydraulische Triebmodell ist älter als Konrad Lorenz und Sigmund Freud, viel älter. Die Galle stieg schon früher in einem auf, wenn man sich ärgerte. Mit der Bemerkung "das geht mir bis hier" und dem Handzeichen am Hals zeigte man, wie hoch sie so schon in einem stand. Kroch der Ärgerpegel noch höher, dann konnte er bildlich die – bei den Hüten ganz übliche – Hutschnur aus Leder oder Stoff erreichen und wurde damit zum höchsten der negativen Gefühle. Das Platzen der Hutschnur gehört in den gleichen Bildbereich. Da sprengt der Ärger – nach außen drückend – das Band.

In Schwulitäten geraten / kommen

Lustig ist das Studentenleben, in dem sich seit Jahrhunderten spezielle und launige Ausdrücke bilden. Da die Hochschüler aber später Bürger werden, verbreiten sich diese leicht in der Hochsprache, wie die Schwulitäten, in die man gerät. In der Studentensprache sagte man pseudolateinisch, man sei "in schwulibus", wenn einem die Situation zu brenzlig, zu heiß wurde. Tatsächlich hängt es mit dem Wort "schwul" zusammen, das eine Variante von "schwül" war. Außerdem spielten die wirklich aus dem Lateinischen kommenden "Kalamitäten" eine Rolle, die eine bedrängte, schwierige, unglückliche Lage bezeichneten. Schwul, schwül und schwelen geht alles auf eine indogermanische Wurzel für die Sonnenglut zurückgeht. Die Schwulen kamen zu ihrem Beinamen, weil sie als "warme Brüder" bezeichnet wurde, die füreinander in Hitze gerieten. Die Erklärung, es sei um die Atmosphäre in einschlägigen Lokalen gegangen, überzeugt dagegen weniger.

Alter Schwede!

Viele Orte in Deutschland besitzen ihre Schwedenschanze, ein paar den Brauch des Schwedentrunks und noch Jahrhunderte nach ihrem Eingreifen in die deutsche Geschichte tauchten die nordischen Krieger in Kinderschrecksprüchen oder -liedern auf. Es kommt allerdings sehr auf die Glaubensrichtung an, denn die Schweden sprangen den arg bedrängten protestantischen Kämpfern im Dreißigjährigen Krieg zur Seite, weshalb einige von ihnen nach dessen Ende in der Armee des Großen Kurfürsten geachtete Ausbilder werden konnten. Sie nannte man nur respektvoll "die alten Schweden"! So lag es auf der Hand, einen echten Mann mit dem lobenden Wort zu bezeichnen: "alter Schwede!" Heute hört man den Ausdruck noch allgemeiner als Ausruf verblüfft positiven Erstaunens.
Nicht verschwiegen werden sollte, dass es eine spätere andere Erklärung gibt. In der Studentensprache Dorpats habe man unter einem "ollen Schwiet" einen verwegenen Hochschüler verstanden, der lieber trank, Liebes- und Raufhändel suchte, als in die Vorlesung zu gehen. Das Wort komme von französisch "suitier" und dies wiederum von "suite", womit im 18. ein Studentenstreich" bezeichnet wurde. Schlampig ausgesprochen habe es sich über "Alter Schwietje" zu "alter Schwede" weiterentwickelt. In Stade heißt übrigens auch ein Kräuterlikör so, der nicht übel mundet.

Jemandem einen Korb geben / einen Korb bekommen / sich einen Korb holen

In der Gegend meiner Heimat liegt um Lichtenfels herum Korbmacherland seit langer, langer Zeit. Eine schöne Kunst ist das, anstrengend und zum Glück wieder hoch im Kurs. Warum nur verbindet man ihre Erzeugnisse mit dem Abweisen eines Liebhabers? Es liegt am Voyeurismus und am Spaß an Schwänken. Ungezählte Geschichten berichten von Fräulein, die ihren Liebhaber am Korb in ihre Kemenate zu ziehen versprechen. Sogar in der prächtigen Manessischen Liederhandschrift gibt es eine Abbildung dazu. Noch bekannter freilich sind die Erzählungen, in denen die Edeldame nur vorgibt, zu einem Liebesabenteuer bereit zu sein, den Korb hinablässt, den Liebhaber zur Hälfte hochzieht und dann dort hängenlässt, bis er am Morgen zum allgemeinen Gespött der Leute geworden ist. Eine beliebte Variante verspottet ihn schon früher, indem der Korbboden gelockert ist, so dass der hoffnungsfrohe Liebesjünger im wahrsten Sinne des Wortes durchfällt.
Mir will diese Erklärung am besten gefallen, aber es wäre da noch der Korbtanz im niederdeutschen Bereich, bei dem ein tanzwilliges Mägedelein auf einem Stuhl sitzt, einen Korb im Schoß. Ist es schön genug, gibt es leicht zwei Bewerber. Dem einen reicht sie den Korb, dem anderen die Hand zum Tanze. Immerhin darf sich der dann hinsetzen und samt Korb warten: auf zwei Mägdelein.

Den Nagel auf den Kopf treffen

Scheinbar ist die Sache einfach, doch jeder Heimwerker weiß ein Lied der Wut und Enttäuschung zu singen, wenn man den Nagel krumm oder sich auf den Fingernagel gehämmert hat. Kommt also der Ausdruck vom perfekt getroffenen Nagel? Ja, aber nicht von dem, der Bretter zusammenhält.
Vielmehr befestigte man Zielscheiben früher mit einem Nagel in der Mitte, dem so genannten Zweck. Den galt es zu treffen, auf ihn zielte man, woraus übrigens auch unser abstraktes Wort "Zweck" entstand. Traf man diesen Nagel auf den Kopf, dann hatte man das bestmögliche Ergebnis erzielt, quasi ins Schwarze getroffen.

Das ist nur eine Brezel!

Geigenbauer fragen, wieso man eine schlichte, gar eine schlechte Geige "Brezel" nennt. Hundertprozentig kann ich es nicht sagen, aber gut möglich ist, dass es vom beliebten Spruch herrührt: "Das geht ja wie’s Brezelbacken." Brezeln sind tatsächlich – als Laie sieht man ja nicht die vielen Vorarbeiten – schnell geformt und in ca. zwölf Minuten fertig. Eine schlechte Geige konnte man damit vergleichen, sie war rasch zusammengezimmert, mit heißer Nadel gestrickt, in Eile und Unachtsamkeit zusammengeschustert.