"Das ist ein historisches Ereignis"

30.01.2007
Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben, hat den Beschluss der Großen Koalition begrüßt, den deutschen Steinkohlebergbau spätestens im Jahr 2018 auslaufen zu lassen. Sie sei froh über den Durchbruch und gehe nicht davon aus, dass der Beschluss 2012 noch gekippt werde, sagte die CDU-Politikerin.
Kolkmann: Im Ruhrgebiet ist es eine Glaubensfrage, ob man für oder gegen die Kohleförderung ist. Lange hat das schwarze Gold die Region wohlhabend gemacht, zur Stahlkammer Deutschlands, bis es bergab ging mit dem Bergbau. Inzwischen ist die Kohleförderung so teuer, dass sie auf dem Weltmarkt lange nicht mehr konkurrenzfähig ist, und die letzten Zechen offen zu halten kostet viele Milliarden Subventionen, Bund und Länder jedes Jahr bis zu 2,5 Milliarden Euro. Damit wird spätestens 2018 Schluss sein. Darauf einigten sich nun die Koalitionsspitzen gestern Abend im Koalitionsausschuss in Berlin. Zum Interview in Deutschlandradio Kultur begrüße ich Nordrhein-Westfalens Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie, Christa Thoben von der CDU. Einen schönen guten Morgen!

Thoben: Guten Morgen!

Kolkmann: Sind Sie froh über den Durchbruch?

Thoben: Ja. Wir haben zwar noch viele Einzelheiten zu besprechen, aber einvernehmlich den Auslauf zu beschließen, das ist glaube ich ein historisches Ereignis.

Kolkmann: Nun soll das ganze ja sozialverträglich ablaufen. Wird kein Bergmann auf der Straße stehen?

Thoben: Ja. Darauf hat die IG BCE verständlicherweise sehr viel wert gelegt, weil das auch für den Anpassungsprozess in der Vergangenheit gilt. Ich bin noch ein bisschen optimistischer als die IG BCE. Ich kann mir dies sozialverträglich auch schon früher als 2018 vorstellen.

Kolkmann: Was machen denn die jungen Auszubildenden im Augenblick? Welche Zukunft haben sie?

Thoben: Da muss man wissen, dass die deutsche Steinkohle erhebliche Ausbildungsleistungen erbringt. Das ist wahr. Da sind aber nur zehn Prozent der Lehrlinge, die nur im Bergbau verwendbar sind. Die anderen haben hoch spezialisierte Ausbildungen, die in vielen anderen Branchen gebraucht werden.

Kolkmann: Nun hat die SPD diesen Kompromiss ja nur schlucken können, indem die so genannte Revisionsklausel mit dabei ist. Also 2012 wird noch einmal nachgeguckt, ist es wirklich wirtschaftlich, den Kohlebergbau in Deutschland zu stoppen. Sehen Sie, dass dort die Möglichkeit besteht, das Ganze noch mal aufzuschnüren?

Thoben: Das wird die Hoffnung derjenigen sein, die immer noch sich dafür stark machen möchten, dass wir am heimischen Bergbau festhalten. Ich sehe das nicht. Wenn man vernünftigerweise sich die mutmaßliche Entwicklung auf dem Weltkohlemarkt ansieht und die Kostenentwicklung unserer Zechen hier im Inland, wird man dann noch einmal überlegen. Ich glaube aber nicht, dass man zu einem anderen Ergebnis kommt, allenfalls dass man früher das beenden kann.

Kolkmann: Nordrhein-Westfalen ohne Kohle. Auch keine Kohle kostet Kohle. Da gibt es ja diesen Spruch der so genannten Ewigkeitslasten: Schäden, die abgesackten Häuser, Grundwasserspiegel, der steigt. Kommt da noch einiges auf das Ruhrgebiet zu und wer zahlt das?

Thoben: Im Moment besteht die Hoffnung darin, dass man das, was man durch den Börsengang des reifen Bereichs, den Herr Müller ja vorhat, an der Börse erzielt - -

Kolkmann: Der Ruhrkohle AG?

Thoben: Der Ruhrkohle AG, dass dieser Erlös reichen könnte, die Alt- und Ewigkeitslasten zu bedienen. Wenigstens wird der Teil dafür vorgesehen. Es kann aber sehr gut sein, dass das nicht ausreicht. Abschließende Gutachten stehen noch aus. Wir haben eben über 200 Jahre industrielle Vergangenheit hinter uns und das ist teuer.

Kolkmann: Das heißt, wenn die RAG das nicht zahlen kann, muss der Staat einspringen?

Thoben: Ja. Da wird es dann für die Differenzen eine neuerliche Verabredung geben müssen zwischen Bund und den Kohleländern.

Kolkmann: Welche Zukunft hat das Ruhrgebiet ganz ohne Zechen?

Thoben: Wenn man sich einmal die letzten 50 Jahre überlegt, dann sind in dieser Region schon aus dem Montanbereich 600.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Es ist vieles Neue in der Region passiert. Wir wissen heute und strengen uns auch weiter an, das zu verbessern, dass es große Potenziale in der Gesundheitswirtschaft gibt, dass ganz erhebliche Anstrengungen im Solarbereich entstanden sind, dass wir im Umfeld der Universitäten, die ja auch praktisch erst nach Beginn der Kohlekrise gegründet worden sind, Existenzgründungen in den verschiedensten Bereichen haben.

Also ich bin da relativ optimistisch. Schauen Sie mal: die Universität in Bochum hat jetzt die Chance bekommen, ihre Exzellenz zu beweisen. Vor wenigen Jahren haben sich die Universitäten im Ruhrgebiet immer noch so ein bisschen im Schatten bewegt. Da glaube ich sind sehr, sehr viele gute Ansätze.

Kolkmann: Ist das Ruhrgebiet inzwischen auch eine Gegend in Deutschland, die hohe Lebensqualität bietet, wenn man zum Beispiel Arbeit hat?

Thoben: Ja. Wer das Ruhrgebiet nie besucht hat, ist ja immer verblüfft, wie schön und grün es dort an vielen Stellen ist. Das Bild, was noch in anderen Teilen der Welt oder in Deutschland vom Ruhrgebiet besteht, stimmt schon lange nicht mehr. Auf der anderen Seite gibt es noch zu tun. Es gibt noch Stadtviertel mit erheblichem Erneuerungsbedarf. Auch darauf werden wir uns konzentrieren.

Kolkmann: Vielen Dank. Das war Christa Thoben von der CDU, Nordrhein-Westfalens Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie, zur Entscheidung über den Stopp der Kohlesubvention bis 2018.