Das Ende der Monarchie im Irak

Von Raschid Bockemühl · 14.07.2008
Vor 50 Jahren wurde der Irak zur Republik: Umstürzler unter General Abd al-Karim Kassem stürmten den Königspalast in Bagdad und erschossen den noch jugendlichen König Faisal II. Doch fünf Jahre später wurde General Kassem selbst Opfer eines Militärputsches, und bis heute blieb der Irak von Krieg und Gewalt gezeichnet.
In den Morgenstunden des 14. Juli 1958 stürmte eine Panzerbrigade der irakischen Armee den Königspalast in Bagdad. Ihre Offiziere erschossen König Faisal II., seine Mutter und weitere Mitglieder der königlichen Familie. Premierminister Nuri el-Saïd fanden sie nicht, denn er versuchte gerade, als verschleierte Frau verkleidet, ins Ausland zu entkommen. Die wütenden Massen erkannten und ermordeten ihn und zerrissen seinen Leichnam in kleine Stücke. - Die haschemitische Monarchie Irak war gestürzt. Der Anführer des Umsturzes, General Abd al-Karim Kassem, rief die Republik aus.

Militärputsch oder Revolution? - Ein deutscher Arzt, der lange im Irak gelebt hatte und gerade nach Deutschland zurückgekehrt war, beurteilte die Ereignisse vier Tage später:

" Man muss die Lebensbedingungen kennen, unter denen das Volk, die Massen leben. Ich halte die sozialen Bedingungen für einen Hauptgrund, dass es zu einer solchen Unzufriedenheit und zu diesen Ausschreitungen, über die die Zeitungen berichteten, gekommen ist. "

Für den aufmerksamen Beobachter kam die Revolution nicht überraschend:

" Ich habe hinreichend Gelegenheit gehabt, in Gesprächen mit Bauunternehmern und, wie gesagt, alles arabische Leute, die mir unumwunden zugaben, dass sie es für durchaus möglich hielten, dass die Lage sehr prekär werden würde. Und verschiedene Beobachtungen, die ich gemacht habe, sprachen doch sehr dafür, dass etwas im Gange war, wenn natürlich nach außen auch vertuscht wurde, denn der ungeheure Polizeiapparat ließ Ausschreitungen nicht zu. "

Der junge König Faisal II. - ein Enkel des Haschemiten-Prinzen Faisal aus Mekka, war beim Volk nicht unbeliebt. Aber man wusste natürlich, dass er nur als Marionette der Briten regierte. Der Hass der Massen richtete sich gegen Premierminister Nuri as-Saïd, einen der reichsten Großgrundbesitzer, weil er soziale Unruhen mit polizeilicher Repression unterbinden ließ. Der Anführer des Umsturzes, General Kassem, setzte eine Landreform und die Gleichstellung der Frau durch, bevor er fünf Jahre später selbst ermordet wurde.

Die Briten hatten den Irak 1920 aus drei Provinzen des Osmanischen Reiches zusammengestückelt. Der Islamwissenschaftler Peter Heine beschrieb in einer Studie 2002 den Sonderfall Irak:
In keinem Staat im Nahen und Mittleren Osten bestand die Gesellschaft aus so divergierenden ethnischen Gruppen und Konfessionen. Es lag nahe, dass sich die einzelnen Gruppen eher mit ihren traditionellen Normen und Identitäten verbunden fühlten als mit modernen westlichen Konzepten.

Nach einer Analyse der amerikanischen Library of Congress ging der Umsturz von 1958 aber nicht nur auf die ethnische Vielfalt zurück:

Sunniten und Schiiten, Städte und Stämme, Scheichs und Häuptlinge, Assyrer und Kurden, panarabische Sozialisten und irakische Nationalisten - sie alle kämpften heftig um ihren Platz in den entstehenden staatlichen Strukturen. Weil das von den Briten eingeführte politische System aber keine Legitimität im Volk besaß, wurde es 1958 von diesen Konflikten überrollt.

Der britisch-libanesische Historiker Albert Hourani resümierte in seiner "Geschichte der arabischen Völker":

Der Irak wurde Republik, und die Haschemiten-Dynastie konnte nicht mehr auf eine führende Rolle in der arabischen Politik hoffen. Die Nachricht von der Revolution führte zur Entsendung amerikanischer und britischer Truppen in den Nahen Osten. Sie mussten sich aber bald wieder zurückziehen, und von da an hörten die Briten auf, eine wichtige Rolle in der arabischen Politik zu spielen.

Bis heute blieb der Irak von Krieg und Gewalt gezeichnet. In die internationale Ratlosigkeit über seine Zukunft platzte kürzlich ein bizarrer nostalgischer Vorschlag: Bernard Lewis, der bekannte Islam- und Nahost-Experte, und Ex-CIA-Direktor James Woolsey plädierten in einer gemeinsamen Publikation für die Wiedereinsetzung der 1958 gestürzten haschemitischen Monarchie.

Näher an der Wirklichkeit liegt das, was der irakische Politologe Ghassan al-Attiyah im März 2008 in der Zeitschrift "GEO" auf die Frage nach der Zukunft des Irak antwortete:

Der alte Irak hat sich aufgelöst, die traditionelle Elite ist fort, Kurden und Schiiten teilen sich die Macht, in weiten Teilen des Landes hat der Mob die Herrschaft übernommen. Jeder misstraut jedem. - Es ist zu früh, eine Prognose abzugeben.