Das Emoticon wird 35

Mehr als nur Mondgesichter

Doppelpunkt, Minus, rechte Klammer.
Doppelpunkt, Minus, rechte Klammer. © Deutschlandradio
Von Lea Albrecht · 19.09.2017
Mit wenigen Zeichen sagen, was man gerade empfindet - das können Emoticons, also Schriftzeichen, die etwa ein lachendes oder trauriges Gesicht darstellen. Erfunden hat sie heute vor 35 Jahren der US-Informatiker Scott Fahlman. Schuld ist ein verseuchter Aufzug.
:-) und :-( - wenn man den Kopf auf die Seite legt, sehen diese Zeichen aus wie kleine Gesichter: Emoticons werden diese Zeichenkombinationen genannt. Von emotion, Gefühl, und icon, Bild. Gefühlsbild. Ihr Erfinder ist der amerikanische Informatiker Scott Fahlman, der an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, Pennsylvania über künstliche Intelligenz forscht. Damals wurde seine Universität gerade an das "ARPANET" angeschlossen – ein Netzwerk, das nur vom US-Militär und von Universitäten, die für das Militär forschten, genutzt wurde.
"Da wir ja eine Gruppe von Wissenschaftlern waren, gab es eine Menge Computernerd-Humor."
In einem der neuen Foren im Netzwerk chatteten Scott Fahlman und seine Kollegen eines Nachts und scherzten über einen angeblich verseuchten Aufzug ihrer Universität.

"Vielleicht drehen die Leute ja den Kopf"

"Da tauchte einer unserer Administratoren auf und sagte: 'Das ist nicht lustig. Was ist, wenn jemand diese Nachricht sieht und denkt, es gäbe wirklich ein Verseuchungs- oder Sicherheitsproblem?' Wir sagten: 'Oh Mann, solange dieser Typ hier ist, müssen wir alles kennzeichnen, was nicht ernst gemeint ist.'"
Da kamen Scott Fahlman die T-Shirts und Luftballons mit den gelben lachenden Gesichtern aus den 60er-Jahren in den Sinn. So ein Smiley wäre doch perfekt, dachte er, um schnell Humor oder Ironie auszudrücken und Missverständnisse zu vermeiden.
"Erst mal braucht man Augen, um ein Gesicht zu machen. Also schaute ich auf die Tastatur, und da war der Doppelpunkt, blöd nur, dass er seitwärts lag. Aber vielleicht würden die Leute ihren Kopf drehen."
Dazu kamen der Bindestrich und die geschlossene Klammer für das fröhliche Gesicht oder die offene Klammer für das traurige Gesicht. So erfand Scott Fahlman nicht nur ein Kennzeichen für Humor, sondern auch für Ernst im neuen digitalen Chat.
"Also schrieb ich einen kleinen Post, am 19. September 1982, und dachte, was für ein dummer Post! Ich hatte nicht mal eine Kopie gespeichert."

Das Emoticon ersetzt vor allem die Stimme

Doch das Emoticon breitete sich schnell an den amerikanischen Universitäten aus. Dann, mit der Entstehung des Internets, in der weltweiten wissenschaftlichen Community. Und schließlich, als Computer in den 90er-Jahren auch in "normalen" Haushalten Einzug hielten, tauchte das Schriftgesicht im digitalen Alltag auf.
Obwohl das Emoticon aus dem Wort "Emotion" besteht, erklärt Erika Linz, Linguistin an der Abteilung für interkulturelle Kommunikation der Universität Bonn, drückt es eigentlich nicht nur Gefühle aus:
"Es gibt so eine neue Form von Kommentarfunktion, die dadurch geschaffen wird. Sie kommentieren praktisch immer Ihre eigenen Äußerungen."
Das Emoticon ersetzt also nicht Mimik und Gestik im digitalen Text, wie oft angenommen wird, sondern vielmehr die Stimme, die in der gesprochenen Sprache deutlich macht, wie eine Aussage gemeint ist.

Ein universelles Lächeln

Das Emoticon - und auch seine japanische Weiterentwicklung, das Emoji also bunte Symbole, die in sozialen Medien genutzt werden - sind lediglich schriftliche oder visuelle Elemente unserer Kommunikation. Sie verändern also nicht unsere gesprochene Sprache, sondern nur die geschriebene.
"Es steht auch eigentlich immer nur an bestimmten Positionen im Satz, vorrangig am Ende einer Äußerung. Deswegen gibt es eben auch die Theorie, dass es genau so eine Satzzeichenfunktion sehr stark oft übernimmt, so eine strukturierende Funktion."
Wie auch Satzzeichen erst im Laufe der Jahrhunderte eingesetzt wurden, um Texte besser zu strukturieren, sind auch Emoticons und Emojis für Erika Linz eine Ergänzung der Sprache, ein Schritt in der stetigen Veränderung unserer Kommunikation.
"Ich würde es in erster Linie als positive Bereicherung sehen, wo auch sehr spannend ist, wie das weiter sich entwickeln wird und wie das kreativ immer stärker genutzt wird. Und es wird auf keinen Fall zu einer Verarmung von Sprache führen."

Fahlman bleibt dem Emoticon treu

20 Jahre nachdem Scott Fahlman die Schriftgesichter im nächtlichen Chat erfunden hatte, fand er endlich den längst veralteten Datenträger, auf dem sein historischer Post gespeichert war. Zu der Zeit waren die Emojis schon längst im Umlauf. Fahlman aber bleibt bei seinen Gesichtern aus Satzzeichen.
"Es ist ein pures Lächeln. Wenn Sie ein Gesicht draus machen, ist es dann ein kaukasisches Gesicht, ein männliches oder ein weibliches? Man müsste verschiedene Bilder für Schwarze und Weiße haben. Aber meines ist einfach ein Lächeln. Es ist universell."
Sein Lieblingsemoticon kam etwas später hinzu. Es ist das zwinkernde - mit den Semikolonaugen.
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