"Daniel Craig und Mara Rooney sind in ihren Rollen absolut glaubwürdig"

Jörg Taszman im Gespräch mit Britta Bürger · 08.01.2012
Stieg Larssons "Verblendung" wurde schon einmal in Schweden verfilmt. Die zweite Version mit Daniel Craig ist aber auch überzeugend, sagt Filmkritiker Jörg Taszman. Vor allem die menschlichen Abgründe, das Düstere der Vorlage sei gut umgesetzt worden.
Britta Bürger: "Verblendung", "Verdammnis" und "Vergebung" – das ist die sogenannte Millenium-Trilogie des schwedischen Publizisten und Krimiautors Stieg Larsson. Derzeit zeigt das ZDF die Verfilmungen aus dem Jahr 2009 – den 1. Teil der schwedischen Kinoversion gab es bereits, der 2. Teil folgt morgen. Am Donnerstag kommt dann auch noch das amerikanische Remake von David Fincher ins Kino. Der Regisseur von Filmen wie "The Social Network" oder "Der seltsame Fall des Benjamin Button" hat sich auf seine Weise Stieg Larssons "Verblendung" vorgeknöpft.

Der Filmkritiker Jörg Taszman hatte die Gelegenheit zu einem Interview mit David Fincher und seinem Hauptdarsteller Daniel Craig, aber erstmal doch die Frage, braucht die Welt so schnell hintereinander zwei Verfilmungen desselben Stoffes? Lohnt sich das amerikanische Remake, wenn man die Bücher und die schwedischen Verfilmungen kennt?

Jörg Taszman: Ja es lohnt sich! Im Theater regt sich ja auch kaum jemand darüber auf, dass immer noch Hamlet von Shakespeare oder die 1000. Version von Anton Tschechows "Drei Schwestern" gespielt wird. So muss man diese Adaption von Verblendung auch einfach als eine Interpretation betrachten.

Auch dieses amerikanische Remake kann sich sehen lassen. David Fincher gelingt es, der Romanvorlage treu zu bleiben und durch den Dreh in Europa, auch ein europäisches Feeling in seiner Verfilmung einzubringen. Daniel Craig und Mara Rooney sind in ihren Rollen absolut glaubwürdig und die Chemie zwischen beiden funktioniert sogar noch besser, als in der schwedischen Verfilmung. Vor allem die menschlichen Abgründe, das Düstere der Vorlage, kann Fincher verstörend gut inszenieren. Daniel Craig hat sich übrigens die schwedischen Filme nie angesehen und sieht das Ganze dann auch sehr pragmatisch:

"Alle profitieren doch davon. Wer die anderen Filme gesehen und die Bücher gelesen hat, schaut sich nun diesen Film an. Vielleicht lesen dann einige das Buch wieder oder schauen sich den schwedischen Film erneut an und so entstehen eine schöne Spirale und ein Kreis. Es sind einfach großartige Geschichten. Wenn es dann nur darum geht, noch ein größeres Publikum zu erreichen, wenn uns das gelingt, dann bin ich ein glücklicher Mensch."

Bürger: Wenn Daniel Craig sagt, er wolle ein größeres Publikum erreichen. Welches hat er dann im Blick?

Taszman: Vor allem amerikanische und britische Zuschauer. Das ist ein riesiger Markt. Die schwedische Kinofassung von "Verblendung" hat in den USA 10 Millionen Dollar eingespielt. Das ist für einen untertitelten Film, der so lang und so düster ist, schon enorm.

Bürger: Untertitelt? Lief der Film in den USA nicht in einer synchronisierten Fassung?

Taszman: Nein. Die Amerikaner synchronisieren ebenso wie die Briten niemals im Kino. Die Zuschauer sehen sofort, wenn die Lippenbewegungen nicht stimmen und nehmen Synchronfassungen nicht an. Es gibt berühmte Beispiele für totale Flops von amerikanischen Fassungen. So hatte Mel Brooks einst für drei Millionen Dollar eine amerikanische Sprachversion der ersten Asterix und Obelix Verfilmung mit Gérard Depardieu erstellt. Bei Testvorführungen fiel die Synchro derartig durch, dass man diese Fassung nie in die Kinos brachte.

Britta: Nun läuft aber die amerikanische Fassung von Verblendung in den USA noch nicht ganz nach Plan. Der Film hat ja immerhin 90 Millionen Dollar gekostet.

Taszman: Da wird glaube ich schnell ein wenig Häme verbreitet. In zwei Wochen hat der Film es bisher auf ein Einspiel von 63 Millionen Dollar gebracht und hält sich gut. Geld wird Hollywood damit nicht verlieren. Interessant ist eben nur, dass es gelungen ist mit David Fincher einen der profiliertesten und bei Publikum wie Kritikern gleichermaßen erfolgreichen Regisseur zu gewinnen, der sich wie folgt positioniert:

"Die Traumfabrik Hollywood braucht immer Geschichten. Diese Fabrik - und zähle mich persönlich nicht dazu - muss immer wieder neue Produkte herausbringen. Das Monster muss gefüttert werden. Dieses Geschäft verlangt nach Geschichten die Zuschauer sehen wollen. Ich habe mir nicht gedacht, Oh was für eine Chance, mich gut zu verkaufen. Endlich schickt mir jemand mal einen Bestseller. Oder, Gott sei Dank können wir endlich diese Untertitel von der Leinwand fegen und diesen Film mal richtig machen. Ich fragte mich: Ist diese Geschichte, die ich in meinem Kopf sehe, eine andere als die Geschichte von der ich die DVD besitze? Und ich dachte, das ist sie."

Britta: Normalerweise tendieren die Amerikaner ja dazu bei Remakes von europäischen oder asiatischen Filme massiv zu glätten oder auch völlig unplausible Happy Ends einzuführen. Wie ist das diesmal? Und erneut die Nachfrage brauchen wir in Europa diese Neuverfilmung?

Taszman: Ja das stimmt. Als durchwachsene oder nicht wirklich überzeugende Remakes fallen mir spontan Scorseses "The Departed" ein, der im Hongkong Original "Infernal Affairs" ein "Unhappy End" hatte, der gute Cop wurde vom bösen Cop erschossen. Bei Martin Scorsese war dies nicht so. Noch übler war der Fall von Georges Sluizers "Spurlos verschwunden". Im holländischen Original stirbt der Protagonist bei dem Versuch seine Frau zu retten und wird von einem Psychopathen lebendig eingebuddelt und nicht wieder ausgegraben. Im Remake buddelt sich Kiefer Sutherland dann schön aus...

Was nun den europäischen Markt betrifft ist "Verblendung" ja bereits in Skandinavien gestartet. Während das Original im Februar 2009 am ersten Wochenende in Schweden 2 Millionen Dollar einspielte, schafft das Remake nur noch 500.000 Dollar. Dieser Markt scheint gesättigt zu sein.

Bürger: Meinen Sie denn, der Film wird auch in Deutschland eher einen Flop – denn Sie loben David Finchers Version ja ausdrücklich?

Taszman: Das würde ich so nicht sagen. In Deutschland wird ja eh alles synchronisiert, egal ob es sich um die schwedische oder die amerikanische Verfilmung handelt. In Skandinavien wird ja auch nur untertitelt, da nehmen die Zuschauer viel lieber auch sprachlich das Original. Bei uns in Deutschland wird ein echter Wettbewerb stattfinden. Und die 700.000 Zuschauer der schwedischen Kinofassung sind nicht so schwer zu schlagen für den Regisseur von "Benjamin Button", "Fight Club" "Panic Room" oder "The Social Network".

Bürger: Jörg Taszman über den Wettlauf der Stieg Larsson-Verfilmungen. Zum Kinostart von David Finchers Remake "Verblendung"