"Da: Das Meer!"

Vorgestellt von Rainer Moritz · 15.06.2005
Dass man sich mit dem Meer auch auf komische Weise auseinander setzen kann, zeigt dieser exquisite Band aus dem Mare Verlag. Der Herausgeber hat alte "pardon"- und "Titanic"-Jahrgänge durchforstet und präsentiert Texte von Robert Gernhardt, Eckhard Henscheid und anderen. "Da: Das Meer!" darf in keinem Strandkorb fehlen!
Seit alters gehört es zu den beliebtesten Beschäftigungen des Menschen, sich ans Meer oder aufs Meer zu begeben, um seine Sehnsüchte in den sich ewig brechenden Wellen und in der Unendlichkeit des Horizonts zu spiegeln. Die Literatur - von Homers "Odyssee", über Heinrich Heines "Nordsee"-Zyklus, Freddy Quinns "Junge, komm bald wieder" bis zu Annette Pehnts "Insel 34" - ist reich bestückt mit Texten, die das Meer und seine mal konkreten und mal symbolischen Botschaften zu entschlüsseln suchen.

Zu den nicht wenigen Anthologien, die Meereslyrik und Meeresprosa versammeln, gesellt sich nun ein exquisiter Band hinzu, der zeigt, dass die Ozeane auch reichlich Anlass bieten, sich auf komische Weise mit Sand und Wellen auseinander zu setzen. Der Berliner Klaus Cäsar Zehrer, der sich akademische Weihen mit einer Doktorarbeit über die Satire verdiente, hat - so der Untertitel des prächtig ausgestatteten Lesebuches - "das maritime Œuvre der Neuen Frankfurter Schule" zusammengetragen und damit eindringlich bewiesen, dass die Inspirationsquelle "Meer" unerschöpflich ist.

F. W. Bernstein, Bernd Eilert, Robert Gernhardt, Eckhard Henscheid, Peter Knorr, Chlodwig Poth, Hans Traxler, F. K. Waechter - das sind die Galionsfiguren jener losen Vereinigung satirisch befähigter Autoren und Zeichner, die seit rund 50 Jahren den Türhütern der hohen Kunst demonstrieren, dass sich Humor und Anspruch nicht von vornherein ausschließen müssen. Herausgeber Klaus Cäsar Zehrer hat alte "pardon"- und "Titanic"-Jahrgänge durchforstet, im lyrischen Werk Bernsteins und Gernhardts nach maritimen Klängen gefahndet, Chlodwig Poths Bildergeschichten mit unförmigen Meeresurlaubern herausgekramt, in Eckhard Henscheids Roman "Dolce Madonna Bionda" einschlägige Stellen gefunden und nicht zuletzt Friedrich Karl Waechters wunderbar melancholische Zeichnungen einsamer Dünenfiguren wieder zu Tage gefördert.

"Da: Das Meer!" darf - bei heißem Sonnenlichte besehen - in keinem Strandkorb fehlen. Selbst dort, wo die Satiriker nicht umhinkönnen, die Segnungen des Massentourismus mit strengem Stift oder spitzer Feder zu rügen, bleibt ihre Faszination für Nordsee, Karibik und Mittelmeer spürbar. Die Vertreter der Neuen Frankfurter Schule sind samt und sonders meerfern aufgewachsen, und vielleicht erklärt dies, warum sich maritimes Verlangen so dauerhaft in ihren Arbeiten niederschlägt. Auch Frankfurt, das zeitweilige kreative Zentrum ihres Tuns, ist über den Verdacht allzu großer Meeresaffinität erhaben - oder in den kundigen Worten des Herausgebers ausgedrückt: "Im Rückblick erweist es sich als genialer Schachzug der Gruppe, ausgerechnet Frankfurt als Standort ihrer Ozeanographie zu wählen. Hier lenkt kein Blick auf ein bestimmtes Meer von der Idee des Meeres an sich und seiner künstlerischen Darstellung ab, nur hier konnte ein derart facettenreiches maritimes Œuvre entstehen."

Viele Wege führen vom Main ans Meer, und allen Bemühungen der Eilerts, Traxlers und Knorrs gemeinsam liegt eine Eigenschaft des Meeres zugrunde, die Fritz Weigle alias F. W. Bernstein mit größter Präzision formuliert hat: "Sein Anblick überzeugt viele." Eine Einschätzung, die auf die passenderweise im Marebuch-Verlag vorgelegte Anthologie nicht minder zutrifft.

Klaus Cäsar Zehrer (Hrsg.): Da: Das Meer!
Mare Buchverlag, 24,90 €