CSU-Politiker: Gauweiler verhinderte wirkungsvollen Rettungsschirm

Markus Ferber im Gespräch mit Marcus Pindur · 05.10.2011
Markus Ferber, CSU-Abgeordneter im Europäischen Parlament, kritisiert die Klage von Peter Gauweiler vor dem Bundesverfassungsgericht - und hält eine erfolgreiche Kandidatur des Partikollegen als stellvertretender Chef der Christsozialen für unwahrscheinlich.
Marcus Pindur: Er kommt aus der Tiefe des konservativen Flügels der CSU: Peter Gauweiler. Erst ein Zögling Franz Josef Strauß', steiler politischer Aufstieg, dann stockte die Karriere – Rivale Stoiber setzte sich durch. In den letzten Jahren machte Gauweiler Aufsehen durch mehrere Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht, jüngst mit der gegen den Euroschutzschirm. Und er trieb auch Pflöcke ein: Euroschutzschirm ja, aber weitere Schritte solcher Art nur mit Zustimmung des Bundestages, so urteilten die Verfassungsrichter in Karlsruhe. Jetzt könnte der Eurorebell auch das Personaltableau der CSU-Führung durcheinanderbringen, das am Samstag auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg zur Wahl steht. Er tritt nämlich gegen Peter Ramsauer an, der ist immerhin Bundesverkehrsminister. Und es geht um den Job als Parteivize. Ich begrüße jetzt Markus Ferber, Sprecher der CSU-Europagruppe im EU-Parlament und Vorsitzender der schwäbischen CSU. Guten Morgen, Herr Ferber!

Markus Ferber: Guten Morgen, Herr Pindur!

Pindur: Die Eurorettungsschirme seien ein großes Staaten-Hartz-VI, meint Peter Gauweiler. Damit hat er Ihre Stimme wahrscheinlich nicht, denke ich mal.

Ferber: Ich gehe mal davon aus, dass er sie nicht hat. Es ist aber eine geheime Wahl, aber es ist sicherlich kein Geheimnis, dass die Position von Peter Gauweiler und die Position, die wir auch als Europa-Abgeordnete innerhalb der CSU vertreten, etwas auseinanderliegen, und ich möchte ja schon mal festhalten, dass bei all seinen Klagen Peter Gauweiler gescheitert ist. Er wollte die Ablehnung des Lissabon-Vertrages, er wollte die Ablehnung des Griechenland-Rettungsschirmes – das Bundesverfassungsgericht hat ihm jeweils gesagt, sowohl der Lissabon-Vertrag als auch der Euro-Rettungsschirm sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

Pindur: Da wurden aber trotzdem deutliche Grenzen gezogen, und das könnte für die Zukunft ja noch einmal wichtig werden. Finden Sie denn für Ihren europapolitischen Kurs überhaupt noch viele Verbündete in der CSU? Denn auch Parteichef Seehofer und auch Peter Ramsauer geben sich ja seit Jüngstem auch Euro-skeptisch.

Ferber: Also ich glaube, dass wir innerhalb der CSU da viel geschlossener sind, als nach außen der Eindruck entsteht, allerdings noch mal: Peter Gauweiler ist mit seiner Position immer außerhalb der Mehrheit der CSU gestanden, hat das auch immer gesagt, er hat gesagt: Okay, ihr könnt als CSU machen, was ihr für richtig haltet, ich mache das, was ich für richtig halte. Ob das die richtige Positionierung ist, um stellvertretender Parteivorsitzender zu werden, das müssen wir beantworten, aber wir haben immer klar gesagt: Wir wollen, dass der Euro stabil ist, wir wollen, dass der Euro auch gesichert wird, wir wollen den Euro jetzt auch verteidigen, aber es gibt Grenzen, die wir auch als Bundesrepublik Deutschland eingehen können. Das werden wir auch in einem Leitantrag beschließen, der zwischen allen Ebenen abgestimmt ist, Landesgruppe genau so wie die Europaabgeordneten, wie die kommunale Familie und auch die Landtagsfraktion. Und von daher bewegen wir uns, auch die Europaabgeordneten der CSU, auf der Grundlage unserer gemeinsamen Beschlüsse innerhalb der CSU.

Pindur: Was werden denn diese Grenzen sein? Denn die Kanzlerin hat gestern Abend auf einem Mitgliederforum schon gesagt, sie wisse nicht genau, wo das Ganze enden werde.

Ferber: Ja gut, es weiß keiner – und wir wünschen uns natürlich alle, dass das, was jetzt beschlossen wurde mit dem EFSF, und das, was Anfang nächsten Jahres beschlossen wird mit dem dauerhaften Rettungsschirm, dem europäischen Stabilitätsmechanismus, ausreichend ist. Und keiner wünscht sich das mehr als ich oder wir als Europaabgeordnete, damit wir nicht permanent, Woche für Woche, Monat für Monat, Abstimmungen und Diskussionen haben werden: Da bräuchte man wieder was, da bräuchte man wieder was. Aber ein Problem ist es dann auch ...

Pindur: Ist es denn dann klug – aber Herr Ferber, da muss ich mal kurz anhaken –ist es denn dann aber klug, eine rote Linie zu ziehen, so wie das Ihr Parteichef will, und so, wie das auch Peter Ramsauer sagt, wenn man nicht ausschließen kann, dass man diese rote Linie in zwei Monaten vielleicht überschreiten muss?

Ferber: Na, wir haben doch ein ganz anderes Problem, und da ist Peter Gauweiler mit dran schuld, dass wir Deutschen da problembehaftet sind: Wir müssen – und das ist, glaube ich, jetzt offensichtlich geworden – den Mitgliedsstaaten ein bisschen mehr in den Haushalt rein spucken, damit es nicht zu solchen Katastrophen kommen kann, wie wir es jetzt mit Griechenland erleben. Aber das Bundesverfassungsgericht hat wegen der Klagen von Peter Gauweiler ja gesagt: Halt, liebe Europäische Union, dort, wo es um die Kernstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland geht und um das Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages, dort darfst du dich nicht einmischen! Nur, wir müssen doch zurzeit den Italienern, den Spaniern sagen: Jetzt ist Schluss mit lustig, ihr habt dringend Dinge zu tun. Das dürfen wir aber gar nicht als Europäische Union. Das heißt, wer rote Linien formuliert, der muss auch die in Amt und Würden setzen und mit der Kraft ausstatten, diese roten Linien zu verteidigen, die das tun können. Und das ist da nicht die Bundesrepublik Deutschland zum Herrn Berlusconi, sondern das kann nur die Europäische Union im Verhältnis zu den Mitgliedsstaaten sein, und da entsteht das Problem, das wir miteinander haben.

Pindur: Das ist richtig, Herr Ferber, aber das löst das Problem mittel- bis langfristig. Kurzfristig wird es der EFSF sein. Und wenn Sie dort eine Linie ziehen bei – ich sage mal – den jetzigen 211 Milliarden Euro, für die Deutschland bürgt, dann könnten Sie in der Tat ein Problem haben in zwei Monaten schon. Vielleicht sogar in einem.

Ferber: Nein, das glaube ich nicht. Also wir tun jetzt immer so, wie wenn der EFSF fast schon ausgeschöpft ist und die nächste Tranche für Griechenland das Ende bedeutet. Wir haben aus dem bestehenden Topf für Griechenland nicht mal die Hälfte ausgegeben, wir haben aus dem bestehenden Topf als Rettungsschirm für Portugal und Irland weniger als zehn Prozent ausgegeben. Wir reden zurzeit darüber, acht Milliarden Euro zusätzlich nach Griechenland zu geben, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, die zurzeit geprüft werden und die noch nicht hundertprozentig erfüllt sind. Mit acht Milliarden Euro weiteren Mitteln an Griechenland, wo auch ein Betrag vom Internationalen Währungsfonds mit dabei ist, da sprengen wir doch nicht die Rettungsschirme. Also, wir sollten die Kirche auch im Dorf lassen. Hier wird immer so getan, wie wenn morgen die ganze Welt zusammenbricht und das alles über den Rettungsschirm gemacht werden muss, so ist die Realität ja auch nicht.

Pindur: Herr Ferber, man kann sicherlich über die Höhe der Kosten und das richtige Maß bei der Eurorettung streiten, und bestimmt auch über die Methoden. Aber niemand in dieser Bundesregierung scheint den Weitblick zu besitzen, den Deutschen mal wirklich zu erklären, warum der Euro wichtig für Deutschland ist, dass das auch etwas kostet, aber dass es sich im Prinzip lohnt, daran festzuhalten.

Ferber: Ich vermisse das auch, und ich wundere mich auch, dass das Parlament, das darüber abzustimmen hatte und abzustimmen hat, sich in der Diskussion mit den Menschen so zurückhält, das ist nämlich der Deutsche Bundestag. Ich habe in meinen Veranstaltungen immer das Gefühl, dass wir in Europa über Rettungsschirme abstimmen. Nein! Das machen die nationalen Parlamente. Und deswegen sollten auch die Bundestagsabgeordneten diese Aufgabe mit übernehmen. Wir stellen uns gerne auch der Diskussion und unterstützen das. Gerade wir Deutschen sind die großen Profiteure des Euro. Dass wir heute wirtschaftlich so gut dastehen, haben wir ausschließlich dem Euro zu verdanken. Uns würde es sonst gehen wie der Schweiz, die mit dem Schweizer Franken unter massivem Aufwertungsdruck leidet, die Wirtschaft am Zusammenbrechen ist, die jetzt Unsummen Geld aufwenden muss, um den Schweizer Franken an den Euro zu koppeln. Und das zeigt, dass wir Deutschen mit einer harten D-Mark viel, viel schlechter dastehen würden, wie in der gemeinsamen Währung. Das Zweite ist, wenn die Kanzlerin sagt, wenn der Euro bricht, bricht Europa – ich teile diese Auffassung, weil es natürlich schon bedeutet, dass dann das Kernelement der gemeinsamen Arbeit und der Integration in Europa verloren gegangen ist. Wir werden aber Reputation in der Welt verlieren, wir werden viele Dinge nicht mehr als Europäer durchsetzen, und wir werden nach innen schwach werden, weil jedes Land dann sagen wird: Na ja, am Ende funktioniert es ja doch nicht, was wir da in Brüssel verabreden, ich mache gleich gar nicht mit, oder ich mach zuhause, was ich für richtig halte. Und ob das die Position ist der Bundesrepublik Deutschland, die in ihrem Grundgesetz immerhin von einem vereinten Europa spricht in der Präambel, da habe ich auch meine Zweifel, und diese Frage sollte sich auch mal das Verfassungsgericht stellen.

Pindur: Herr Ferber, vielen Dank für das Gespräch!

Ferber: Gerne, Herr Pindur!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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