Corona und Weihnachten

Was ist eigentlich eine Familie?

36:57 Minuten
Eine Aufnahe von 1965 zeigt eine Frau, die einen großen Truthahn zum Weihnachtsessen auf den Tisch bringt. Dort sitzen Großeltern und Kinder am gedeckten Tisch. Im Hintergrund ist ein geschmückter Weihnachtsbaum zu sehen.
Weihnachten mit der Kernfamilie anno 1965. © Getty Images / FPG / Hulton Archive / L. Willinger
Von Julius Stucke und Katrin Rönicke · 17.12.2020
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„Im engsten Familienkreis" darf man sich an Weihnachten auch mit etwas mehr Menschen treffen als zurzeit. Ist das fair gegenüber Freundschaften und Wahlfamilien? Ein Gespräch mit Dominik Djialeu, Stefanie de Velasco und Julia Hahmann.
Vor den Weihnachtsbaum hat die Politik in diesem Jahr den Stammbaum gestellt. Dieser Eindruck jedenfalls könnte entstehen, wenn man in den Corona-Regelungen fürs Fest so etwas liest wie: "Verwandte in gerader Linie, Geschwister, Geschwisterkinder...".

Wahlfamilien statt Kernfamilien

Dabei gibt es eine ganze Menge Menschen, die sich und ihre Bedürfnisse in dieser Regelung nicht wiederfinden. Und die Privilegien, die eine so definierte Form von Familie bekommen soll, sorgten für Ärger und Enttäuschung etwa bei queeren Organisationen, die es "widersprüchlich und inakzeptabel" nennen oder darin ein "antiquiertes Familien- und Gesellschaftsbild" sehen. Auch der queere Kulturaktivist Dominik Djialeu sieht diese Enge kritisch. Er erzählt von Wahlfamilien und warum er nicht erst 2020 mit Weihnachten und Familie hadert.

Statistik statt Romantisierung

Vielleicht ist es Zeit, einmal grundsätzlicher über "Familie" nachzudenken. Über die Frage, was eine Familie ist oder sein kann – jenseits der "geraden Linie". Die Soziologin Julia Hahmann forscht zu Familien, alternativen Familienmodellen und Freundschaft – und erklärt, welche Bedeutung die klassische Familie aus statistischer Sicht heute noch hat.

Auch die Schriftstellerin Stefanie de Velasco gewinnt durch die große Weihnachtsausnahme für Familien: nichts. Dass sie eine Aussteigerin der Zeugen Jehovas ist, worüber sie auch in ihrem letzten Roman geschrieben hat, trägt eventuell zu ihrer Weihnachtsmuffligkeit bei. Im Gespräch erzählt sie von Freundinnenschaften, die sie nicht Wahlfamilie nennen würde. Und von Liebe und Zusammenhalt, die für sie nicht in der Kernfamilie, sondern gerade jenseits traditioneller Familienmodelle zu finden sind.
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