Computer aus der DDR

Die Technikretter auf der Jagd nach alten Schätzen

Großrechenanlage an der Sektion Mathematik der Universität Jena, aufgenommen im September 1983
Großrechenanlage an der Sektion Mathematik der Universität Jena, aufgenommen im September 1983 © FSU-Fotozentrum/picture alliance / Universität Jena
Von Stefanie Becker · 08.04.2015
Heute ist ein Smartphone klein und handlich. Und es ist es kaum zu glauben, dass ein Computer mal einen ganzen Raum füllte. Die Digital AG in Halle sichert alte sperrige Rechentechnik aus den 80er-Jahren der DDR und will sie bald auch ausstellen.
Rüdiger Kurt: "Nein! Das sollte nicht passieren. Nochmal probieren."
Rüdiger Kurth und Ronny Kunze schrauben an ihrem neuesten Fundstück herum.
Ronny Kunze: "Und zwar nem Polyplay. Das ist ein Spielecomputer aus der DDR, wie er zum Beispiel in Hotelfoyers oder in FDGB-Ferienheimen stand. Er ist jetzt soweit, dass er eigentlich wieder funktioniert."
Der Polyplay. Ein Spielecomputer aus der DDR, wie er bis in die frühen 90er-Jahre noch in FDGB Ferienheimen stand. Bestückt mit "politisch korrekten" Spielen wie "Abfahrtslauf", "Hirschjagd" oder "Autorennen". Nach der Wende verlor der Polyplay seine Bedeutung. Heute gibt es in Deutschland davon nur noch eine Handvoll.
"Freaks, die irgendeinen alten Schrabbel sammeln"
Dieser Polyplay ist nur eines von vielen Geräten, das die Digital AG aus Halle wieder in Gang gesetzt hat: Der Joystick funktioniert und die bunte Farbblende blinkt. Die Digital AG rettet alte DDR-Rechentechnik vor dem Schrottplatz und restauriert sie in mühevoller Kleinstarbeit.
Sebastian Czech: "Unser Ziel ist es, dass man die Technik erleben und nicht nur ansehen kann."
Deswegen sollen sie auch rattern und blinken. Dafür verbringen Rüdiger Kurth, Ronny Kunze und Sebastian Czech jeden Freitagabend in einem alten Getränkemarkt, ihrer Werkstatt. Auf 640 Quadratmetern lagern mehrere Tonnen Technik: Rechenmaschinen, Drucker, Magnetbänder und sogar komplette Robotron-Steuerungsanlagen von alten Kraftwerken. Sie selber nennen sich "Freaks, die irgendeinen alten Schrabbel sammeln".
Denn viele der alten DDR Rechner sind auf dem Schrottplatz gelandet, wurden sie doch nach der Wende nicht mehr gebraucht. Für Rüdiger Kurth und seine Kollegen aber sind sie Zeugnisse der Technikgeschichte der DDR – und Grund genug, sich Nächte dafür um die Ohren zu schlagen.
Die einzige Videospielekonsole der DDR, die um 1980 im Halbleiterwerk Frankfurt (Oder) hergestellt wurde.
Die einzige Videospielekonsole der DDR. Sie wurde um 1980 im Halbleiterwerk Frankfurt (Oder) hergestellt.© picture alliance / ZB
Rüdiger Kurth: "Einerseits geht es uns darum die Geräte vorm Aussterben zu bewahren denn wir sehen die als einen Teil der Industriekultur an, die es auch zu erhalten gilt zumal es auch einen regionalen Bezug hat. Die Anlagen sind in Mitteldeutschland hergestellt worden und waren auch in Mitteldeutschland im Einsatz."
Rüdiger, Ronny und Sebastian - irgendwo zwischen 30 und 40 – werden schon seit 20 Jahren von ihrer Technikaffinität begleitet. Angefangen hat alles in einem Plattenbauviertel der DDR. Sebastian Czech erinnert sich an seinen ersten Computerfund:
Sebastian Czech: "Mein erster Robotron-Rechner war eingefroren. Dann hab ich ihn nach Hause gebracht, dann ist er aufgetaut. Durch die Faszination der Technik ist man dabei geblieben und hat einfach mehr gesammelt."
Einer hat die Technik selbst noch in der DDR benutzt
Sein Schulfreund Ronny ließ sich vom Sammelfieber anstecken und später kam auch Rüdiger dazu. Einer, der die Rechentechnik noch im Einsatz erlebt hat, ist Gerhard Just. ZU DDR-Zeiten Dozent an der Technischen Hochschule Merseburg. Er ist ungefähr doppelt so alt wie seine jungen Kollegen, gehört aber ebenso zum harten Kern der AG.
Gerhard Just: "Ich hatte nämlich, das muss 1962 oder 63 gewesen sein, das erste Mal mit einem Computer zu tun. Nicht technisch oder konstruktiv, sondern von der Anwendung her. Das war der SER 2, einer der ersten Kleincomputer, der in der DDR gebaut wurde."
Ob Kleincomputer oder Roboter-Steuerungsanlage – für die Digital AG alles wahre Schätze. Und um diese Schätze zu finden, gehen die Jungs regelmäßig auf ihre "Industrie-Exkursionen". Ihre Goldgruben: Stillgelegte Industrieanlagen und abgewickelte Betriebe.
Ronny Kunze: "Wir haben mittlerweile eine 27.000 Datensätze umfassende Datenbank mit Industriebetrieben erfasst. Teilweise aus Fernsprechbüchern, teilweise aus Telex-Büchern und aus Unterlagen oder internen Telefonbüchern von Firmen oder so."
Sebastian Czech: "Manchmal kriegen wir Bilder von einer Maschine, die in einem Abriss steht, und dann sieht man aus einem Fenster heraus irgendwo einen Berg oder so. Und dann müssen wir herausfinden wo steht dieses Gebäude? Wer ist der Besitzer? In welcher Stadt steht das überhaupt?"
Wenn sie das herausgefunden haben, fahren sie hin und sammeln alles ein, was in ihre Autos und die angemieteten Transporter passt. Die Jungs opfern Wochenenden und Urlaubstage, um immer neue alte Rechner zu finden. Für sie reine Leidenschaft. In ihrem Getränkemarkt legt die Digital AG all ihr technisches Wissen an den Tag, um den "Schrott" wieder flott zu machen.
Rüdiger Kurth: "Es gibt Unterlagen dazu. Bei vielen Geräten gibt es gar nichts, aber bei diesen Robotrongeräten war es üblich, dass auch technische Dokumentation mit rausgereicht wurde und die hilft uns enorm bei der Wiederherstellung."
"Uns macht das Reparieren einfach Freude. Wir genießen das dann auch, wenn mal wieder was funktioniert, an dem wir lange gebaut hatten. Das ist unser Kick."
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