Comic von Scott McCloud

Das große Ganze: Leben, Liebe, Tod

Bildhauer bei der Arbeit
Im Mittelpunkt der Story von Scott McCloud steht der menschenscheue Bildhauer David. © dpa / picture alliance / Daniel Naupold
Von Eva Hepp · 26.03.2015
Bekannt wurde der amerikanische Comic-Autor Scott McCloud in den 80er-Jahren mit seinem Superhelden "Zot", seinen Durchbruch hatte er mit "Comics richtig lesen". An seinem neuen Werk "Der Bildhauer" hat er jahrelang gearbeitet, es ist backsteinschwer und behandelt alles.
An Scott McCloud führt in der Comic-Welt kein Weg vorbei. Bekannt war der US-Amerikaner schon in den 1980er-Jahren als Zeichner von Superhelden und der Serie "Zot!". Als er aber 1993 auf die Theorie-Seite wechselte und "Comics richtig lesen" in Form eines Comics, veröffentlichte, wurde er schlagartig berühmt. Nie zuvor wurde so profund und unterhaltsam erklärt, was Comics ausmacht und wie sie funktionieren. Es folgten zwei weitere Theorie-Bände und schließlich die Adelung durch die New York Times, die Scott McCloud als den "Marshall McLuhan des Comics" beschrieb.

Wenn ein solcher Meister nach 20 Jahren Theorie selbst wieder zum Geschichtenerzähler wird, sind die Erwartungen hoch. Tatsächlich ist McClouds nun fast zeitgleich in den USA und in Deutschland erscheinende Graphic Novel "Der Bildhauer" in jeder Hinsicht gewichtig. McCloud hat fünf Jahre daran gearbeitet, das Buch umfasst 500 Seiten, ist backsteinschwer, und die Geschichte verhandelt das große Ganze: Leben, Liebe, Kunst, Zeit, Vergänglichkeit, Verrat und Tod.
Der Pakt mit dem Tod
Im Mittelpunkt der Story steht der junge, einst erfolgreiche, nun aber am Kunstmarkt bedeutungslose und menschenscheue Bildhauer David Smith, der einen Pakt mit dem Tod schließt. Für den Preis von 200 Tagen Restlebenszeit bekommt er die Gabe, jegliches Material allein mit der Kraft seiner Hände und in Windeseile zu formen. So hofft Smith, etwas für die Ewigkeit zu schaffen. Blöd nur, dass ihm keine gute künstlerische Idee kommt und ihm dann auch noch die große Liebe begegnet.
In schwarz, weiß und einer einzigen Farb, einem zarten Violett, erzählt der 1960 geborene McCloud diese turbulente Geschichte. Sein Strich ist einfach und klar konturiert, seine Panels, meist drei in einer Reihe, bilden eine feste Struktur, die nur selten aufgebrochen wird. Das ist solides Handwerk und mitunter auch souveräne Meisterschaft.
Stimmungen grandios eingefangen
Verschiedene Zeitebenen etwa illustriert McCloud lediglich durch die Nuancierung des Schwarz-Weiß-Violett-Kontrastes: Eine blasse Variante zeigt Vergangenheit, Erinnerung und Gedanken, eine kräftige illustriert die Gegenwart. Auch Stimmungen fängt der Zeichner grandios ein. Sei es Smith’ Einsamkeit auf einer Party, wo ihn Sprechblasen im Dutzend bedrängen, oder das hektische Stadtleben, das durch den Wechsel von Details und Gesamtansichten lebendig wird. Auch Bewegung weiß McCloud seit seiner Superhelden-Zeit eindrücklich ins Bild zu setzen.
So erweist sich "Der Bildhauer" schon nach den ersten Seiten als echter Pageturner. Dieser Comic schnurrt herunter wie ein gut geöltes Uhrwerk. Hätte der Autor doch nur die Geschichte nicht so überladen. Was ist große Kunst? Was bleibt vom Menschen? Wie sollen wir leben? Was vermag die Liebe, was die Freundschaft?
"Zuviel, zu wirr, alles gleichzeitig." Das Urteil, das McCloud einem Galeristen über Smith’ Werk, vielleicht augenzwinkernd, in den Mund legt, passt partiell auch auf diese Graphic Novel. Die trotzdem lesenswert und stellenweise wirklich fesselnd ist.
Scott McCloud: "Der Bildhauer"
Carlsen, Hamburg 2015
496 Seiten, 34,99 Euro
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