Cole Smith und DIIV

Smells like Kurt Cobain

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Die Musik wäre beinahe ein unerreichter Traum geblieben für Gitarrist und Bandleader Cole Smith. © dpa / Oliver Berg
Von Florian Fricke · 04.02.2016
Vier Jahre nach ihrem Debüt präsentieren DIIV ihre zweites Album "Is The Is Are". Kopf der Band ist Cole Smith, der viel vom verstorbenen Nirvana-Sänger Kurt Cobain hat, auch die - allerdings inzwischen überwundene - Drogensucht.
"Ich wurde zu dieser öffentlichen Figur. Darum wollte ich auf diesem Album den Spieß umdrehen und so transparent und zugänglich wie möglich erscheinen, zu hundert Prozent echt sein. Das erste Album war schon persönlich, aber nicht so intim wie die neuen Songs. Ich mache mich hier völlig nackt."
Zachary Cole Smith, seit jeher Cole genannt, will es wissen. Der schlaksige Blondschopf wirkt jünger als seine 31 Jahre, und mit der obligatorischen Schirmmütze könnte er direkt einem Larry-Clark-Film entflohen sein. Und genau diese Mischung aus Sehnsucht, Verlorenheit und ungefilterter Realität, die ein Larry-Clark-Film wie "Kids" ausmacht, verströmen auch DIIV auf ihrem neuen Album.
Zwischen Kiffer-Glückseligkeit und Postpunk-Noise
DIIV spielen eigentlich klassischen britischen Shoegaze, der sich irgendwo einpendelt zwischen kalifornischer Kiffer-Glückseligkeit, krautrockiger Redundanz und verstörendem New Yorker Postpunk-Noise à la Sonic Youth. Sonic Youth waren auch eine Referenz, als DIIV in Studio gingen.
"Ich habe dem Tontechniker im Studio nur eine Platte gegeben, um den Sound zu beschreiben, den ich mir vorstellte: Es sollte klingen wie ein Verstärker, der mitten im Raum steht. Du hörst den Verstärker, aber auch die Raumakustik. Es war eine Platte von Sonic Youth, ihr Kommentar zur Reagan-Ära: Bad Moon Rising, für mich mein Lieblingsalbum von ihnen, ich war davon besessen. Und so sollten wir klingen: die Rückkopplungen, wo das Schlagzeug im Raum steht, einfach alles."
Die Musik, sie wäre beinahe ein unerreichter Traum geblieben für Cole Smith. Er spielte zwar seit frühester Jugend Gitarre, aber niemals hätte er daran gedacht, das Hobby zur Berufung zu machen. Dann nimmt der gebürtige New Yorker einen Küchenjob an: in Angelica Kitchen, einem veganen Restaurant, in dem sich die Musiker des New Yorker East Village treffen. Angelica Kitchen wird zu seiner künstlerischen Heimat, hier trifft und spielt er mit unzähligen Bands, die ihn prägen und fördern. Aber der Traum von der Musik hat auch seine Schattenseiten. Zum Beispiel sieht Smith die damals völlig unbekannte Sharon van Etten auftreten, heute auch hierzulande ein Star der Singer/Songwriter-Szene.
"Wenn schon Sharon vor nur fünf Leuten spielt, vor wie vielen würde wohl ich spielen? Diese Musikerszene, sie war inspirierend und entmutigend zugleich, weil ich nicht daran glaubte, jemals eine Chance zu erhalten. Doch nach und nach habe ich mir von den ganzen Bands, in denen ich spielte, alles abgeschaut, was wichtig ist: was sie richtig machten, was sie falsch machten. Das ist alles in unser erstes Album 'Oshin' eingeflossen, und so nahm alles seinen Anfang."
Dem Heroin verfallen
Mit ihrem Debut "Oshin" erlangen DIIV auch bescheidene internationale Aufmerksamkeit. Eigentlich ist alles auf den Weg gebracht, aber Coles sensible Künstlerseele kommt auf Abwege. Schaut man in seine Biografie, dann kommt einem alles sehr bekannt vor: zerbrochene Familie, ein Problemkind ohne Vater, das wegen allerlei Unsinn von der Schule fliegt, frühe Drogenerfahrungen. Ja, it smells like Kurt Cobain. Als Smith zusammen mit seiner Mutter die bewegende Kurt-Cobain-Dokumentation "Montage of Heck" von 2015 im Fernsehen sieht, reagiert diese verstört.
"Wir schauen schon eine halbe Stunde lang, als sie sagt: Ich kann nicht mehr. Ich sehe nicht Kurt, ich sehe dich. Sie konnte das unmöglich trennen. Am Anfang zeigen sie Kurt als kleinen blonden Jungen, und so sieht sie mich immer noch."
Wie der Nirvana-Star verfällt Smith dem Heroin, bis er 2013 wegen Drogenbesitz verurteilt wird und entziehen muss. Vielleicht rettet ihm das das Leben, zumindest aber seine Beziehung zu Sky Ferreira, dem gefeierten Schauspiel-Star und Model, hier im Hintergrund als Gastsängerin zu hören. All das wollte Smith auf nur einem Album verhandeln. Die logische Folge war ein Doppelalbum.
"Mein Leben ist eine einzige Achterbahnfahrt. Auf die besten Zeiten folgten die schlimmsten und so weiter: Liebe, Herzschmerz, Wahnsinn. Dieses Album musste in unserer Diskographie einfach einen besonderen Platz bekommen, und so kamen wir auf das Format Doppelalbum. Wir wollten auch bewusst mit unserer mysteriösen Ästhetik brechen. Auf diesem Album gibt es bestimmt keine versteckten Anspielungen. Ich halte nichts zurück, und diesen Eindruck wollte ich vermitteln."
"Is The Is Are", so der eigentümliche Titel des neuen Albums, ist in seiner schonungslosen Aufrichtigkeit schon schmerzhaft direkt, was DIIV wohltuend von der Masse abhebt. Zumindest das hat Cole Smith mit Kurt Cobain gemeinsam. Man glaubte diese Art Musiker schon vom Aussterben bedroht, und wir werden sehen, wie die Geschichte weitergeht. Cobain wurde erst auf dem Höhepunkt seines Ruhms heroinabhängig, Smith hat diese Phase schon hinter sich – hoffentlich.
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