Coldplay

Klimaneutrale Tour – mehr als nur PR?

06:17 Minuten
Die britische Band Coldplay präsentiert im Oktober 2021 in einem Konzert in London ihr neues Album "Music of the Spheres". Zu sehen sind (v.l.n.r.): Jonny Buckland, Gitarre, Frontmann Chris Martin, Will Champion, Schlagzeug, und Guy Berryman, Bass.
Feuerwerk und 360-Grad-Laser: Liveshows von Coldplay sind gigantisch – und bislang wenig klimafreundlich. Bei der Tour 2022 soll das anders werden. © picture alliance / Photoshot / Zoran Veselinovic / Avalon
Von Natalie Klinger · 03.11.2021
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Die britische Band Coldplay plant für das kommende Jahr eine klimaneutrale Tour. Ob das klappt, hänge aber mehr vom Publikum ab als von der Band, sagt der Forscher, der das Projekt wissenschaftlich begleitet. Es könne aber neue Standards setzen.
Im kommenden Jahr werden die Konzertbesucher von Coldplay hüpfen. Nicht nur aus reiner Freude, sondern auch, um auf einem kinetischen Fußboden Strom zu erzeugen. Tanzen – oder das Licht geht aus: Nach diesem Motto funktioniere das, erklärte Coldplay-Sänger Chris Martin in der BBC.
Die Stromerzeugung ist nur eine der Maßnahmen, mit der Coldplay die Welttournee zum Album "Music of the Spheres" klimaneutral machen will.
Doch das Publikum hüpfen zu lassen, reicht nicht aus, um das ehrgeizige Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Das weiß Jem Woods vom Klimaforschungsinstitut Grantham am Imperial College London:
"Der kinetische Fußboden ist eine tolle Idee, um die Fans mit ihrer Umgebung zu verbinden. Aber er wird nur einen sehr kleinen Teil dazu beitragen, die Tour insgesamt klimafreundlicher zu machen."
Jem Woods und sein Team haben den Nachhaltigkeitsplan der Band nicht entwickelt. Aber sie haben von Coldplay den Auftrag bekommen, die Tour wissenschaftlich zu begleiten. Das Programm enthält insgesamt zwölf Punkte, unter anderem: Strom entsteht aus erneuerbaren Quellen wie Solarzellen und wird in einem eigens für die Tour entworfenen Akku gespeichert. Es gibt biologisch abbaubares Konfetti, und Aluminium statt Einwegplastik in den Flugzeugen, die Band und Crew mit Biokerosin um die Welt fliegen sollen.

Technologie und Verhaltensänderung

Was jetzt schon klar ist: Ob das Ziel der Klimaneutralität erreicht werden kann, hängt weniger von der Band ab als von den Besuchern. "Wie die Fans zu den Konzerten kommen und was sie essen, wenn sie dort sind, das wird den größten Effekt haben", sagt Jem Woods.
Daten dazu sollen über eine kostenlose Tour-App erhoben werden. Fans, die etwa mit dem Fahrrad oder dem Zug zur Konzerthalle kommen statt sich ins Flugzeug zu setzen, bekommen zur Belohnung einen Rabattcode am Eingang. Mehr als fünf Millionen Menschen haben Coldplay auf ihrer letzten Tour 2017 live gesehen. Und schon jetzt hat die Band mehr als eine Million Tickets für ihre 20 geplanten Konzerte im kommenden Jahr verkauft. Diese Reichweite ist es, die Woods interessiert:
"Wenn wir Klimaneutralität erreichen wollen, muss das zur Hälfte aus Technologien kommen, die Kohlenstoffdioxid speichern, also zum Beispiel Aufforstung. Die andere Hälfte entfällt darauf, dass wir unser Verhalten ändern. Deswegen reizt uns dieses Projekt so."

Neue Standards setzen

Was eine einzelne Band, selbst eine berühmte wie Coldplay, in Hinblick auf weltweite Emissionen erreichen kann, sei zwar nicht viel. Aber das Projekt, hofft Woods, könnte eine Vorlage für andere Bands werden – und so neue Standards in der Musik- und Unterhaltungsindustrie setzen.
"Coldplay organisieren ihre Touren zum Beispiel über Live Nation. Die Firma verwaltet 400 Konzerthallen weltweit, alle 20 Minuten findet ein Event statt."
Doch es gibt auch Kritik. Die flog der Band schon um die Ohren, als sie ihr Vorhaben ankündigte. Etwa, weil Coldplay nicht komplett auf den Privatjet verzichten. Die Band kontert, dass sich die Flüge nicht vermeiden ließen – dass sie sie aber über Emissionshandel ausgleichen wollten. Dass sie dafür Bäume pflanzen oder Plastikmüll im Ozean sammeln ließen, um so Raum für CO2-speicherndes Seegras zu schaffen.

Musik und Kunst versus Klimaverträglichkeit?

Besser als die Entscheidung der Band von 2019, gar nicht erst auf Tour zu gehen, werden die Ausgleichsmaßnahmen aber niemals für die Umwelt sein. Können wir in Zukunft überhaupt Livemusik erleben, ohne zum Klimawandel beizutragen? Heikle Frage.
"Wenn wir den Kampf gegen den Klimawandel als direkten Angriff auf alles verstehen, was uns im Kern als Menschen ausmacht – Musik und Kunst sind ein wichtiger Teil davon – dann werden wir dieser großen Herausforderung nicht effektiv begegnen können", findet der Wissenschaftler Jem Woods.
Die Tour von Coldplay beginnt im März 2022, und das in Costa Rica – weil das Land seinen Strom fast ausschließlich aus erneuerbaren Energien speist. Im Juli spielt die Band dann mehrere Konzerte in Frankfurt und Berlin.
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