Claudio Magris

Literat der Vielstimmigkeit

Der Literat Claudio Magris vor dem Deutschlandradio Kultur-Mikrophon
Der Literat Claudio Magris zu Gast "Im Gespräch" von Deutschlandradio Kultur © Deutschlandradio - Sandro Schroeder
Moderation: Susanne Führer · 23.03.2017
Claudio Magris – Romancier, Essayist und Germanist - gehört zu den großen Denkern Europas. Er wurde 1939 in Triest geboren. Die Vielstimmigkeit einer Stadt, in der verschiedene Sprachen und Kulturen lebendig waren und sind, findet sich seinen Büchern.
Die norditalienische Grenzstadt Triest hat Claudio Magris sehr geprägt. Er schreibt viel über sie, mehr als über die andere wichtige Stadt in seinem Leben, Turin, in der er über 20 Jahre Universitätsprofessor war.
"Ich bin durch und durch Italiener, was die Sprache betrifft. Ich empfinde die Welt auf Italienisch. Aber die Kategorien des Kopfes, die Kategorien der Intelligenz, nicht nur die Kenntnis der Literatur, sondern auch die Gedanken haben mit der unglaublichen deutschen Kultur, besonders mit der Kultur der sogenannten Goethe-Epoche zu tun."

In Leipzig stellt Magris seinen neuen Roman vor

Mit Preisen wurde er überhäuft, er erhielt unter anderem den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, den Premio Strega und den Orden Pour le Mérite. Auf der jetzt beginnenden Buchmesse in Leipzig stellt Claudio Magris seinen jüngsten Roman in deutscher Übersetzung vor: "Verfahren eingestellt".
"Sieben Jahre habe ich an diesem Buch gekocht. Mich interessierte die Manie, vielleicht auch, weil ich viele Manien habe es gibt viele manische Menschen in meinen Büchern."

Schreiben im Caféhaus in Triest

Entstanden ist das Buch zu einem großen Teil, wie auch viele seiner anderen Werke, im Caffè San Marco in Triest:
"Ich sitze und ich arbeite, ich lese und schreibe sehr gerne im Kaffeehaus aus vielen Gründen, erstens, weil ich nur die Sachen bei mir habe, die ich in dem Moment brauche um zu schreiben. Wenn ich bei mir zu Hause bin, schaue ich auf die Bücher im Regal, die viel besser und interessanter sind als das, was ich schreiben kann, und bin sofort zerstreut, und wenn plötzlich ein Sohn von mir kommt, interessiert er mich viel mehr. Im Kaffeehaus ist man konzentriert. Ich habe das Gefühl wie ein Schiffbrüchiger zu sein – der Tisch ist wie ein Stück Holz im Fluss des Lebens."
Magris steht voll und ganz hinter der europäischen Idee. Allerdings sieht er die Entwicklung der kulturellen Vielfalt und der europäischen Einigkeit eher pessimistisch, was ihn aber nicht davon abhält, sich eine ideale Zukunft Europas vorzustellen:
"Ich bin wirklich ein europäischer Patriot. Ich träume von einem Moment, wo ich einen Regierungspräsidenten meines Staates wählen kann, der Gomez oder Meyer heißt. Ich glaube an einen europäischen Staat, natürlich federal und dezentralisiert, zu dem die einzelnen heutigen Staaten wie die Länder der Region sind, so wie Bayern oder Baden-Württemberg zu Deutschland gehören oder die Toscana und Puglia zu Italien."

Claudio Magris, Verfahren eingestellt
Hanser, 400 Seiten, 25 Euro

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