Cixin Liu: "Die drei Sonnen"

Hochspannend und intelligent: Science Fiction aus China

Der chinesische Staatschef Mao Tse-tung in einer undatierten Aufnahme.
Der chinesische Staatschef Mao Tse-tung in einer undatierten Aufnahme: In dem Roman "Die Drei Sonnen" mischen sich Außerirdische in die jüngere chinesische Geschichte ein. © picture alliance / dpa
Von Hahn Marten · 21.12.2016
Er verknüpft chinesische Geschichte und wissenschaftliches Wissen mit der Fiktion einer außerirdischen Bedrohung. Cixin Lius Buch "Die Drei Sonnen" ist ein Buch für Fans intelligenter Literatur und nun endlich auf Deutsch erschienen.
Jahrelang lauschen wir ins All. Schicken Botschaften. Suchen nach Leben. Und dann das: Ende der 1970er Jahren empfängt ein chinesisches Radioteleskop eine Warnung. "Antwortet nicht!", schreibt ein gutmeinender Außerirdischer, um die Erde vor einer Invasion zu schützen. Doch geschunden von der Kulturrevolution unter Mao erwidert die chinesische Astrophysikerin Ye Wenjie nur: "Kommt her! Ich helfe euch dabei, unsere Welt zu erobern. Unsere Zivilisation ist nicht mehr in der Lage, ihre Probleme selbst zu lösen."
Der Leser begleitet Yes erstaunliche Entwicklung von einer abgestraften Wissenschaftlerin zur Führerin einer sektengleichen Organisation und wird schließlich Zeuge eines Kriegs der Welten auf subatomarem Level. Was der Autor Liu Cixin in "Die Drei Sonnen" heraufbeschwört ist spannender als die allseits bekannten Weltraumschlachten und Lichtschwertkämpfe. Und so lehrreich wie eine "Einführung in die Quantenphysik". Bereits 2014 erschien sein sagenhafter Roman auf Englisch. Nun gibt es den ersten Teil von Lius Trilogie endlich auch auf Deutsch.

Neun Mal bekam Liu Cixin den renommierten Galaxy-Award

Jenseits des westlichen Literaturbetriebs ist der Autor, geboren 1963, schon lange kein Unbekannter mehr. Ganze neun Mal räumte Liu in China den renommierten Galaxy-Award ab, bevor er in den USA als erster chinesischer Autor 2015 mit dem Hugo-Award für Science Fiction ausgezeichnet wurde.
Einen Exotenbonus benötigte Liu dafür nicht. Mit der Verflechtung von jüngerer chinesischer Geschichte, wissenschaftlichem Wissen und außerirdischer Bedrohung setzt "Die Drei Sonnen" neue Standards im Genre.
Viele westliche Leser dürften reflexhaft nach doppelten Böden suchen. Doch wer versucht, "Die Drei Sonnen" als Kritik gegen das China der Neuzeit zu lesen, wird von Liu Cixin zurückgepfiffen. Beim Londoner Literatur Festival im Herbst sagte der Autor, er nutze Science-Fiction nicht, um politische Entwicklungen zu kommentieren. Es handle sich um ein rein privates Vergnügen. Das musste man ihm in Anwesenheit eines chinesischen TV-Teams dann so glauben.
Der chinesische Autor Cixin Liu
Der chinesische Autor Cixin Liu© Copyright: Li Yibo / Heyne Verlag

Computer mit Bauteilen aus Millionen Menschen

Im Nachwort seines Romans beschreibt Liu, was ihn erst zum Science-Fiction-Fan und später zum Autor in diesem Genre gemacht hat. "Maßstäbe und Wirklichkeiten, die die Grenzen der menschlichen Sinneswahrnehmung weit überschritten und die für Andere anscheinend nur abstrakte Zahlen waren, nahmen in meinem Kopf konkrete Gestalt an. Ich konnte sie anfassen und fühlen, so wie andere Menschen Bäume und Steine anfassen und fühlen konnten."
Deutsche Leser haben nun das Privileg, diese Gabe bei der Arbeit zu sehen. Egal wie groß das Anschauungsobjekt – ob Photon, Computerchip oder Planetenkonstellation –, Liu holt die Dinge auf ein menschliches Maß. So spielt im Buch ein Computer-Spiel namens "Three Body" eine entscheidende Rolle. Liu nutzt diesen Raum auch, um einen riesigen Computer zu entwerfen, dessen Bauteile aus Millionen von Menschen bestehen.
Lius Prosa, übertragen von Martina Hasse, ist so sanft wie kraftvoll. Wo andere Städte explodieren lassen, lässt Liu das Universum erzittern. Und wo andere flache Witze und zwischenmenschliche Banalitäten notieren, setzt Liu zur philosophischen Allegorie an. "Die Drei Sonnen" ist kein Buch für Nerds. "Die Drei Sonnen" ist ein Buch für Fans intelligenter Literatur.

Liu Cixin: "Die drei Sonnen"
Aus dem Chinesischen von Martina Hasse
Heyne, München 2016
592 Seiten, 14,99 Euro

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