Chronik eines Bauskandals

Vorgestellt von Nikolaus Bernau · 05.04.2005
Einer der großen Berliner Bauskandale des vergangenen Jahrzehnts war der Neubau der Akademie der Künste am Pariser Platz. Jahrelang wurde um seine Fassade, dann um das Geld, schließlich um die Bauqualität gestritten. Jetzt endlich eröffnet die Akademie mit vielen Veranstaltungen, die sich über fast ein Vierteljahr hinziehen, ihren neuen Hauptsitz.
Und die Architekten Werner Durth und Günter Behnisch haben ein dickleibiges Buch über die Entstehung des Gebäudes vorgelegt. Ein Band, der seine Kraft vor allem aus der Leidenschaft des Historikers Durth für Details zieht. Er hat schon früher in seinem Buch "Deutsche Architekten" die Verstrickungen ganzer Generationen von Architekten in die Architektur der Nazizeit und ihr ungebrochenes Wirken nach dem Krieg in der jungen Bundesrepublik untersucht.

Nun seziert Durth die politische und kulturelle Geschichte der alten Akademie bis hin zu dem 1904 von Wilhelm II. befohlenen repräsentativen Neubau am Pariser Platz. Er zeigt uns, wie diese prachtvolle Repräsentationsanlage in der Nazizeit von Albert Speer beschlagnahmt und nach dem Krieg von der neuen Akademie der Künste der DDR weiter genutzt wurde, wie gleichzeitig aber weiterhin auch der gewalttätige Staat hier seine Behausung hatte: 1971 wurde im einstigen Thronsaal der kaiserlichen Akademie ein Westberliner Grenzverletzer von Grenztruppen der DDR erschossen.

Im Zentrum des Buches steht die Entwicklung des umstrittenen Glashauses. Durth und Behnisch versuchen mit ihm das fast Unmögliche: Einerseits die Distanzierung von der Geschichte, indem sie eine Architektur mit spitzen Winkeln, viel Glas, einem auf zierlichen Balkonlockern ineinander übergehenden Räumen, ohne irgendeines der klassischen Würdeelemente wie Achsensysteme oder Natursteinmauern bauen.

Andererseits beziehen sie sich aber geradezu manisch auf die Geschichte: Die Wandgemälde, die zu DDR-Zeiten in den Kellergeschossen entstanden, sind erhalten geblieben, im Fußboden des einstigen Thronsaals sind die Abdrücke der Grenztruppenzimmer als Terrazzostreifen konserviert, die wenigen noch vorhandenen Dekors der historischen Ausstellungssäle von 1904 wurden sorgsam präpariert.

Nur die Büros von Hitlers Hofarchitekten Albert Speer, die wurden abgerissen zugunsten der neuen, offenen, lichten Architektur. Dieser Bau ist also geradezu eine Art architektonischer Entnazifizierung der Akademie und des Grundstücks, und das Buch versucht diese Haltung zu erklären.

Katastrophal weg kommt dabei die Berliner Bauverwaltung, deren handeln mit Inkompetenz, Schluderei, Verwendung, Missmanagement, Desinteresse an der Architektur, an der Akademie, an der Kunst vorsichtig umschrieben wird. Dabei wirft Durth dies den Bausenatoren und Verwaltungschefs niemals direkt vor. Er erzählt einfach nur die Daten, die sich widersprechenden und widersinnigen Beschlüsse, die glatten Lügen und widerwärtigen Pressekampagnen gegen die Akademie und ihre Architekten.

Durth sieht aber nicht nur die Akademie, und das macht den großen Wert dieses Buches aus. Er rekonstruiert gleichzeitig die Politik der so genannten "Kritischen Rekonstruktion" des Senatsbaudirektors Hans Stimmann, das Einknicken der Verwaltung gegenüber den in die alten Fotos verliebten Mitgliedern der "Gesellschaft Historisches Berlin".

Nur ein Makel bleibt an dieser Darstellung: Die Architekten und die Akademie selbst erscheinen etwas zu gut, wahr, licht und demokratisch. Da wäre ein wenig Selbstkritik doch nützlich gewesen, immerhin hat man sich das Heft des Handelns von den Politikern aus den Händen winden lassen. Andererseits konnten Durth und Behnisch nicht mit einem solchen Maß an schierer Dummheit rechnen wie in Berlin.

Also ein rundum empfehlenswertes Buch – für Architekturhistoriker, Berlin-Hasser, Berlin-Verliebte, Architekturinteressierte, Geschichtsinteressierte. Allenfalls der recht happige Preis, der allerdings durch die vorzüglichen Abbildungen und das erfreulich unaufgeregte Layout gerechtfertigt wird, stört ein wenig.

Werner Durth, Günter Behnisch: Berlin Pariser Platz. Neubau der Akademie der Künste
Jovis-Verlag Berlin 2005,
264 Seiten, mehr als 200 Abb., 49,80 Euro