China

Kaputte Böden und kranke Menschen

Ein chinesischer Dorfbewohner hält Reis aus verseuchtem Boden in seinen Händen.
Viele Reisproben weisen erhöhte Cadmium-Werte auf. © picture alliance / dpa / Stringer
Von Markus Rimmele · 11.09.2014
In China hat die Bodenverseuchung bedrohliche Ausmaße angenommen: Ein Fünftel des Agrarlandes ist verschmutzt. Über die Erde gelangen Schwermetalle und andere Gifte in die Nahrungskette. Schon jetzt sind viele Menschen schwer krank. Und durch den Handel mit den verseuchten Lebensmitteln werden die Gifte im ganzen Land verteilt.
Der Fluss plätschert friedlich durch sein schmales Bett. Ein idyllisches Bild. Doch dieser Fluss hat den Tod nach Heshan gebracht. Sein Wasser ist giftig, keiner im Dorf trinkt es mehr. Auch mit den Bergen ringsum stimmt etwas nicht. An den Hängen wächst kein einziger Baum.
Die Berge sind völlig kahl, sagt diese alte Bäuerin auf dem Rückweg vom Feld. Früher war es noch schlimmer als jetzt. Jetzt immerhin wachsen kleine Büsche. Wir nennen die Berge hier die Feuerberge.
Feuerberge. Weil sie verkohlt aussehen. Jahrzehntelang wurde in diesen Bergen Realgar abgebaut, ein Arsen-Schwefel-Mineral. Realgar selbst ist schon giftig. Gleich neben dem Dorf wurde aber auch noch aus dem Mineral in Röstöfen noch giftigeres Arsenik gewonnen. Über viele Jahre zog der Arsenik-Rauch durchs Tal, legte sich auf die Feuerberge und die Felder der Menschen. Die Minen- und Röst-Abfälle gingen ungefiltert in den Fluss. Dessen Wasser war früher rot, erzählen die Leute im Dorf. Trotzdem bewässerten sie damit die Äcker. Die Realgar-Mine ist seit 2011 geschlossen. Doch in den Körpern der Dorfbewohner richtet ihre Hinterlassenschaft weiter Schaden an.
Niedrige Lebenserwartung
Der kleine Dorfladen ist der Treffpunkt im Ort. Hier spielen die Bauern Mahjong. Das Gesicht eines der Spieler ist durch eine Hautkrankheit entstellt. Die Lebenserwartung hier ist niedrig, sagt der 58 Jahre alte Tang Xizhi. Ich gelte hier als alt. Viele sterben in ihren Vierzigern und Fünfzigern.
Mein Schwiegervater starb an Lungenkrebs, dabei war er kein Raucher, wirft Frau Tang ein. Mein Mann starb mit gut 40, erzählt Frau Cai. Er hatte Probleme mit dem Gehirn, verursacht wahrscheinlich vom Arsen. Ich war nicht überrascht. So viele im Dorf sterben mit 30 oder 40.
Jeder hier berichtet von Krankheitsfällen in der Familie, vor allem von Krebs und Hautkrankheiten. 400 der 700 Dorfbewohner leiden unter einer Arsenvergiftung. Das hat ein Medizintest im vergangenen Jahr ergeben. Die Böden, auf denen das Dorf Heshan sein Getreide und Gemüse anbaut, sind verseucht. So wie in vielen Teilen Chinas. Ein Fünftel des Ackerlandes der Volksrepublik ist verschmutzt. Nach langem Zögern hat die Regierung vor wenigen Tagen diese Zahl veröffentlicht. Seit Jahrzehnten leiten Minen und Fabriken giftige Abfälle direkt in die Umwelt ab. Über die Luft und die Bewässerung gelangen die Gifte in die Böden und von dort in die Nahrungsmittel.
"Vor allem die Leute vor Ort sind die Opfer", sagt Ma Tianjie von Greenpeace China. "Sie müssen von dem leben, was sie selbst anbauen, auch wenn die Nahrungsmittel verseucht sind. Die Lebensmittel werden aber auch quer durchs ganze Land gehandelt. Eine Stadt wie Schanghai hängt von Lieferungen aus dem Landesinneren ab. Dieses Problem weitet sich immer mehr aus."
Experten warnen vor einer Gesundheitskrise
Die Regierung hält das Thema klein. Umfassende Studien fehlen. Doch im Mai wurden etwa Reisproben in der Stadt Guangzhou genommen. Die Hälfte wies erhöhte Cadmium-Werte auf. Cadmium ist ein krebserregendes Schwermetall. Experten warnen vor einer Gesundheitskrise in China.
"Wir wollen nur, dass man uns umsiedelt, raus aus dieser Giftzone", sagt Frau Cai in Heshan. "Das Ganze ist unfair. Aber wir können nichts tun. Wenn wir protestieren, werden wir festgenommen. Wir haben versucht, über eine Entschädigung zu verhandeln. Da kam die Polizei und hat die Leute mitgenommen."
Jahrelang wurden die Dorfbewohner im Dunkeln über die Gifte im Boden gelassen. Niemand warnte sie vor dem Verzehr ihrer Lebensmittel. Vor einigen Wochen immerhin hat das chinesische Staatsfernsehen über Heshan berichtet. Die Bewohner schöpfen etwas Hoffnung auf Entschädigung.
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