China ante portas

Wie das Reich der Mitte in Deutschland investiert

Der Tiananmen Platz in Peking
Chinas Wirtschaft investiert vermehrt in Deutschland. © dpa/picture alliance/Jia Qing
Von Stefan Maas · 10.12.2015
Die Zeiten, in denen China ein Niemand war, wenn es um Investitionen im Ausland ging, sind lange vorbei. In den EU-Staaten liegen die Investitionen mittlerweile recht stabil bei ein bis zwei Milliarden Euro pro Jahr. Und davon geht ein großer Teil nach Deutschland.
China und Deutschland verbinden schon lange wirtschaftliche Bande. Allein im Jahr 2014 belief sich das bilaterale Handelsvolumen auf 153 Milliarden Euro. Bei den Investitionen jedoch ist nach wie vor ein deutliches Ungleichgewicht zu erkennen: Während die Deutschen allein im Jahr 2013 47 Milliarden in China investierten, flossen zwischen den Jahren 2000 und 2014 nur 6,9 Milliarden in die andere Richtung. Aber das ändert sich langsam. Nach Großbritannien ist Deutschland mittlerweile das zweitwichtigste Zielland für chinesisches Geld in der EU. China sei in vielen Bereichen Partner auf Augenhöhe, erklärt Friedolin Strack, Leiter der Abteilung internationale Märkte beim Bundesverband der Deutschen Industrie:
"Die wichtigsten Wirtschaftspartner Deutschlands sind die Hochtechnologieländer. Frankreich, Großbritannien, Niederländer, Italien, die Schweiz, USA. Wenn China zu der Riege dieser Länder gehört, dann ist es für die deutsche Industrie mit Sicherheit ein Vorteil. Und je mehr China in Richtung Hochtechnologie sich entwickelt, umso enger wird die Verflechtung werden zwischen der deutschen und der chinesischen Volkswirtschaft. Mit Direktinvestitionen in beide Richtungen und auch mit Unternehmenspartnerschaften."
Dabei fließt das meiste chinesische Geld, das in Deutschland investiert wird - nämlich 82 Prozent - in Unternehmenskäufe. Die ermöglichen, schnell Fuß auf dem deutschen Markt zu fassen und Know-how zu erwerben. 2011 übernahm etwa der Computerhersteller Lenovo das deutsche Unternehmen Medion. Mit einem Finanzvolumen von 530 Millionen die größte Übernahme, denn die bei weiten meisten Geschäfte sind eher kleinerer Natur.
Erfolgsmodell chinesische Vertriebsniederlassung in Deutschland
Mittlerweile gibt es in allen 16 Bundesländern chinesische Unternehmen, am meisten investiert wurde aber in den alten Bundesländern, denn hier werden fast 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts generiert und fast 90 Prozent der Umsätze im verarbeitenden Gewerbe - Spitzenreiter hier: Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen, auch weil dort viel Autoindustrie angesiedelt ist. Die Liste der neuen Bundesländer führt Sachsen-Anhalt an.
Über die Jahre habe sich die Art zu investieren deutlich verändert, sagt Asien-Experte Strack.
"Chinesische Firmen haben den Auftrag bekommen für eine globale Präsenz, das war schon vor 10, 15 Jahren."
Zunächst habe man den behutsamen Weg gewählt:
"Große, bekannte Marken zu kaufen, die aber sehr günstig auf dem Markt waren."
Auch weil sie oft nicht mehr profitabel waren. Alleine auf bekannte Namen zu setzen sei keine gewinnbringende Strategie gewesen. Besser sei die zweite Phase gelaufen:
"Wo wir gesehen haben, dass viele Firmen wie Huawei im Grunde den normalen Weg gehen wie unsere Firmen auch gegangen sind, in den 50er Jahren. Vertriebsniederlassungen im Ausland aufbauen, Exportgeschäft aufbauen und dann sukzessive Serviceleistungen nachziehen ins Land, erste Fertigungsbausteine nachziehen ins Land und auch Forschung und Entwicklung hier zu machen."
Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen 1800 Mitarbeiter in Deutschland, betreibt ein eigenes Forschungszentrum mit 18 Einrichtungen und hat mit zahlreichen Universitäten und Forschungsinstituten Kooperationen geschlossen. Ein Ziel ist dabei auch, Technik angepasst an die Bedürfnisse deutscher Kunden zu entwickeln.
Attraktiv für Chinesen: solide deutsche Industriestruktur
Dabei sind es vor allem der Automobil-Bereich und die Industrie- und Anlagentechnik, die die Chinesen interessieren. Sie machen mehr als 65 Prozent der Investitionen seit dem Jahr 2000 aus. Aber auch IT-Technik, Finanz- und Unternehmensdienstleitungen, Immobilien und der Energiesektor sind zunehmend wichtiger geworden. Deutschland sei im europäischen Vergleich gut, wenn es um den Bestand gehe, bei neuen Investitionen - etwa im Dienstleistungsbereich - müsse Deutschland aber um seinen Platz an der Spitze kämpfen, sagt Mikko Huotari, stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs Innovation, Umwelt, Wirtschaft beim Mercator Institute for China Studies. Mit Blick auf die letzten zwei bis drei Jahre sei deutlich,
"dass gerade Großbritannien in bestimmten Sektoren, Immobilien, Finanzbereich doch deutlich mehr Kapital angezogen hat als das in Deutschland der Fall war. Auch Frankreich hat in 2015 große Investitionen angezogen. Italien mit der Übernahme von Pirelli, ein Autoreifenhersteller durch eine große Chemiefirma hat da natürlich von der Zahl her ein deutlich größeres Volumen angezogen als Deutschland."
Was Deutschland aber doch auch weiterhin zu einem interessanten Ziel für chinesisches Geld macht, sagt BDI-Experte Friedolin Strack: Die Struktur der deutschen Industrie sei sehr solide, weil sich viele mittelständische Betriebe über Jahrzehnte entwickelt und spezialisiert hätten. Das habe dazu beigetragen, dass Deutschland gut durch die Krisen der vergangenen Jahre gekommen sei. Gute Voraussetzungen für langfristige Engagements im Industriebereich.
Für Deutschland sei es gar nicht so schlimm, wenn die Erwartungen aus China an Deutschland als wichtigsten Handelspartner in der EU nicht mehr ganz so hoch seien:
"Das nimmt uns raus aus dieser exklusiven Verantwortungsposition, und wenn ich mir anschaue, dass Großbritannien, Frankreich und Italien zusammengenommen noch nicht auf den deutschen Export nach China kommen, dann können wir die Vergleiche, wer ist wie eng mit China verflochten, dann können wir uns gelassen anschauen, was wir in den letzten Jahren erreicht haben."
Deutsche Unternehmen fordern Beschränkungen für Chinesen
Ein Problem haben deutsche Unternehmen jedoch mit dem Partner China. Während es in Europa kaum Beschränkungen gibt für Investitionen oder Übernahmen, ist die Situation in China ganz anders. Denn dort bestimmt die Politik, wo investiert werden kann, oft gibt sie sogar das Partnerunternehmen vor. Das hat auch in Deutschland gelegentlich zu der Forderung geführt, es den Chinesen gleich zu tun und die Bedingungen für chinesische Investitionen zu verschärfen.
Das aber, da sind sich die beiden China-Experten Strack und Huotari einig, wäre für Europa und Deutschland keine gute Entwicklung, denn dann könnten die chinesischen Partner sich zurückziehen. Und das wäre schlecht für die Wirtschaft - und damit am Ende auch für Arbeitsplätze - nicht nur bei chinesischen Firmen in Deutschland.
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