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Reggae-Sänger Patrice
"Analog ist echt, Digital simuliert"

Der Kölner Reggae-Sänger Patrice ist überzeugt: "Man braucht beim Digitalen einfach nicht so viel Know-how, weil es für jedermann einfach gemacht ist, aber man hört den Unterschied." Deshalb ist Patrice ein Fan des "analogen". Ein Besuch in seinem Kölner Studio.

Von Thomas Elbern | 25.05.2015
    Patrice sitzt umgeben von Fans auf dem Badeschiff in Berlin. Er hält eine Gitarre in der Hand.
    Der Raggae-Sänger Patrice produziert seine Musik im Kölner Studio noch analog. (Picture Alliance / dpa / Britta Pedersen)
    "Das ist eine Ludwig-Snare, ziemlich hochgepitcht, die Tom und die Kick. So klingt ein Drumset von 1950 ... das ist auch ein richtiges Juwel, das Drumset ... das ist ein Jazzkit von 1950."
    Ein Besuch im Kölner Studio von Patrice lässt das Herz eines jeden Analogfans höher schlagen: mehrere gigantische Mehrspurbandmaschinen, E-Gitarren und Bässe aus den 60er- und 70er-Jahren, die bekannte B 3-Hammondorgel und Schränke voll mit alten Mikrophonen, Effektgeräten und Verstärkern aus längst vergangenen Zeiten der Analogtechnik. Patrice liebt all dieses Equipment, benutzt es aber auch für seine Aufnahmen und liefert direkt auch die passende Philosophie dazu: "Wenn man muss, wenn das Band "heiß" ist, die Aufnahme tight und du musst gut performen, dann kannst nicht nachher noch alles zurechtschnippeln und tunen und dies und das - dann wirst du mehr gefordert als Mensch. Du musst besser sein als Sänger, an deinem Instrument. Die digitale Tontechnik erlaubt es einfach, dass man nicht mehr gut sein muss und die Verantwortung auf Technologie abwälzt. Dadurch bilden wir uns als Performer und Musiker zurück und die Technologie entwickelt sich nach vorne."
    Patrice hat sein Handwerk als Musiker und Produzent von seinen Vorbildern abgeschaut. Beispielsweise dem US-amerikanischen Starmixer Russell Elevado, der wegweisende Alben von D'Angelo, Jay-Z und Keziah Jones produziert hat und auf analoge Technik schwört. Selbst mit Paul McCartney hatte Patrice mal die Möglichkeit, über das sagenumwobene Equipment der Londoner Abbey Road Studios zu fachsimpeln, mit dem die meisten Beatles-Alben entstanden sind. Kein Wunder also, das sich viele Originale des Abbey Road Studios nun in Patrices Studio wiederfinden. Allerdings, im Laden kauft man so etwas nicht. Da kommen mitunter beim Kauf dann die schrägsten Situationen zustande: "Jahrzehnte der Sammlerei und des Handelns und der dubiosesten Deals. Ich musste mal nach Österreich, da habe ich die Abbey-Road-Sachen gekauft. Das war wie so ein Stand-off. Ich hatte das Cash, er hatte das Zeug, er hatte einen Muskelmann dabei, ich hatte auch Leute dabei und dann musste ich einen von meinen Leuten in den Bus mit reinsetzen, dann wurde es von Österreich nach Köln gefahren und ich hab nur gebetet, dass er auch ankommt und auf dem Weg nicht in einen Graben rausgeschmissen wird."
    Mittlerweile gibt es für die kleineren Studios von heute, die sehr auf ihr Budget achten müssen, auch digitale Emulationen von Klassikern in Form von Plug-ins. So kostet ein Fairchild Kompressor, der in der Lage ist, einen kompletten Mix wie aus einem Guss klingen zu lassen, dann keine 30.000 Euro, sondern nur noch 250. Technik-Nerds streiten aber heftig darüber, ob diese digitalen Emulationen wirklich dem Original das Wasser reichen können. Für Patrice ist diese Frage längst geklärt:
    "Digital simuliert ja meistens"
    "Analog ist echt, Digital simuliert ja meistens Dinge, die es mal in Analog gab und die großartig waren und will sie greifbarer und handlicher machen für den Menschen. Analogzeug muss halt gewartet werden und ist sehr viel Arbeit. Man muss da viel reinstecken. Es ist nicht so bequem, es ist groß, es ist schwer und frisst viel Strom und es brummt teilweise. Man braucht beim Digitalen einfach nicht so viel Know-how, weil es für jedermann einfach gemacht ist, aber man hört den Unterschied."
    Welchen Aufwand ein Künstler letztendlich treibt, um ein perfektes Album zu produzieren, bleibt den meisten Fans wohl verborgen - außerdem ist fraglich, ob sie überhaupt den Unterschied hören. Das hält einen Patrice nicht davon ab, sich in seinem analogen Klangpark auszutoben und wie bisher auf die alte Art und Weise zu produzieren.
    "Letztendlich fing es ja so an, dass ein Mikro im Raum stand und eine Band war da, die man aufgenommen hatte. Wenn beispielsweise die Trompete zu laut war, dann sollte sich der Spieler weiter nach hinten stellen. Der Sänger ist etwas zu leise? "Komm etwas weiter nach vorne!" So wurde früher aufgenommen. Die digitale Technik ist jetzt das komplette andere Spektrum dieser Herangehensweise. Du kannst aufnehmen, was du willst, wie du willst, es ist alles isoliert und es gibt kaum Übersprechung zwischen den Dingen, was auch oft die Magie zerstört, weil eine Aufnahme auch davon lebt, dass alle in einem Raum sind und Aufnehmen und vor allem werden die Entscheidungen nachher getroffen. Das beeinflusst den Sound und die Performance des Künstlers."