Charles Willeford: "Hahnenkämpfer"

Eine Form der Brutalität

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Willeford zeigt sich in "Hahnenkämpfer" als gnadenloser Existentialist. © picture-alliance/ dpa / Qiao Qiming / Alexander Verlag
Von Thomas Wörtche  · 19.07.2017
"Hahnenkämpfer" ist einer der großen Romane der amerikanischen Literatur - ein Buch über Männlichkeit, Ehrgeiz, über Amerika. Es war in deutscher Übersetzung lange vergriffen, jetzt erscheint es in einer neuen Fassung. Unser Kritiker Thomas Wörtche ist begeistert.
Der Hahnenkampf gehört zu den verfemten "Sportarten". Ein blutiges, durchritualisiertes Spektakel mit Ehrenkodex und einem strikten Wertekanon, historisch tradiert und in Macho-Gesellschaften verwurzelt. Das Männerbild, das dahinter steht, ist das Thema von Charles Willefords Roman "Hahnenkämpfer", dessen problematische Veröffentlichungsgeschichte bis ins Jahr 1962 zurückgeht, als Hahnenkämpfe in den USA noch in der Grauzone zwischen Legalität und Illegalität angesiedelt waren.
Willeford erzählt anscheinend stoisch und emotionslos, aber mit einem durchaus sarkastischen Unterton, die Geschichte von Frank Mansfield, der ein Schweigegelübde abgelegt hat, bis er zum "Cockfighter of the Year" ernannt wird. Diesem Ziel opfert er alles: Geld und alle sozialen Beziehungen. Frauen sind periphere Wesen, Freunde verrät er, wenn es seiner Sache dient. Er stilisiert sich als einsamer Held, der unbeirrbar seinen Weg geht, bis er in der Pose erstarrt. Er exaltiert seine Männlichkeit, bis er sein Ziel erreicht hat - danach kommt nichts mehr. Willeford schließt mit der Geschichte von Frank Mansfield an seine Magisterarbeit an, die dem "stillgelegten Helden" in der modernen Literatur gewidmet ist, den er als neue Form des Hässlichen begreift und eine Traditionslinie von Dostojewski über Kafka und Beckett bis zu Chester Himes zieht. Die literarische Blaupause von "Hahnenkämpfer" ist darüber hinaus die "Odyssee", nur führt hier der Weg des "Helden" letztendlich in die absurde Katatonie.

Großer Klassiker der amerikanischen Moderne

Charles Willeford (1908 – 1988) gehört zu den großen Klassikern der amerikanischen Moderne, der immer wieder in seinen Romanen - am bekanntesten sind seine vier Kriminalromane um den wunderlichen Cop Hoke Moseley geworden - traditionelle Geschlechterrollen seziert und bis zum Grotesken übererfüllt hat. So auch hier: Die penible und detailreiche Schilderung der Hahnenkämpfe scheinen auf den ersten Blick einer perversen Faszination zu erliegen, präparieren aber dabei sehr punktgenau die Brutalität und Hohlheit dieser Disziplin heraus, die sich dann letztlich auf das zugrunde liegende Männer- und Gesellschaftsbild überträgt. Das erscheint sehr cool, fast eisig, ist aber letztlich von radikaler Komik und großer und entschieden aktueller Sprengkraft.
Beigebunden ist der überarbeiteten Neuausgabe des Alexander-Verlags, zum ersten Mal auf Deutsch, ein Tagebuch, das Willeford während der Verfilmung des Romans durch den New-Hollywood-Kultregisseur Monte Hellman geschrieben hat, und in dem er genau dieses Männerbild selbst im sich als rebellisch verstehenden neuen amerikanischen Indie-Kinos reproduziert sieht, dem er abermals faszinierende Züge zuzuschreiben vermag. Neben vielen spannenden Details über die low-budget-Produktionsbedingungen (Produzent war der dafür notorische Roger Corman), entsteht auch so ein irritierender Blick auf eine später als "heroisch" empfundene Epoche. Charles Willeford ist ein wichtiger, "unbequemer" Autor, der immer wieder neu entdeckt werden will.

Charles Willeford: "Hahnenkämpfer"
Aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt
Alexander Verlag, Berlin 2017
430 Seiten, 22,90 Euro

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