Cesare Pavese: "Das Haus auf dem Hügel"

Zwischen Mythos und Zeitgeschichte

Buchcover Cesare Pavese: Das Haus auf dem Hügel
"Das Haus auf dem Hügel" erschien 1948, nun liegt es in einer Neuübersetzung vor. © Edition Blau / imago / Leemage
Von Maike Albath · 23.05.2018
Italien im Sommer 1943: Der Lehrer Corrado flieht aufs Land, er beobachtet die Geschehnisse und zögert, sich den Partisanen anzuschließen. Mit "Das Haus auf dem Hügel" zeigt Cesare Pavese die Zerrissenheit eines Landes, die nie aufgearbeitet wurde.
Im Frühsommer 1943 ist Italien im Zerfall begriffen: Am 11. und 12. Juni ergeben sich die Inseln Pantelleria und Lampedusa den Angloamerikanern, die Landung in Sizilien steht kurz bevor, die italienische Armee ist demoralisiert und schlecht ausgerüstet, im Norden häufen sich die Luftangriffe der Alliierten, die Kriegseinsätze im Ausland verlaufen verheerend, und nach über 20 Jahren Diktatur macht sich in der Bevölkerung Unruhe breit. In den Fabriken der Industriemetropole Turin kommt es zu Streiks, und viele junge Leute schließen sich zu Partisanenverbänden zusammen.
In genau dieser Phase siedelt der Turiner Schriftsteller Cesare Pavese seinen Roman "Das Haus auf dem Hügel" an. Sein Held Corrado, Lehrer an einem Gymnasium in der Innenstadt, wo täglich Bombenalarm herrscht, hat sich in die ruhigeren Hügel zurückgezogen. In dem Gasthof Le Fontane trifft er auf Bauern und Fabrikarbeiter, die längst eigene Pläne haben. Die Lage ist unübersichtlich, nach und nach übernimmt die deutsche Wehrmacht das Kommando. Während Corrado zwar zum Mitwisser wird, aber in der Beobachterposition verharrt, begibt sich seine frühere Geliebte Cate unerschrocken in Gefahr.

Ein zerrissenes Land

Cesare Pavese (1908-1950), Klassiker der italienischen Moderne, als Mitbegründer und Programmleiter des Verlagshauses Einaudi prägend für die Kulturgeschichte der Nachkriegszeit, großer Entdecker der amerikanischen Literatur, verarbeitet in dem in Deutschland kaum bekannten Roman "Das Haus auf dem Hügel" von 1948 seine eigene zögerliche Haltung. Unter Mussolini hatte er zwar 1935 für seine Freundin Tina Pizzardi die Verbannung nach Kalabrien auf sich genommen – eine damals gängige Praxis, um sich der widerständigen Intellektuellen zu entledigen -, war aber anders als seine Freunde von Einaudi nicht aktiver Widerstandskämpfer geworden, sondern hatte sich auf dem Land versteckt.
Gleich nach dem Krieg trat Cesare Pavese zwar in die Kommunistische Partei ein, was aber eher eine Reaktion auf die versäumte klare moralische Haltung während der letzten Kriegsjahre war. Diese Ambivalenz ist auch in den Helden Corrado eingeschrieben. Das Schillernde dieser Figur macht den Roman auch aus heutiger Perspektive interessant: "Das Haus auf dem Hügel" vermittelt einen Eindruck von der Zerrissenheit Italiens, die nie verarbeitet wurde.

Gelungene Neuübersetzung

Als der Roman vor 60 Jahren erschien, wirkten vor allem die spröde Sprache mit ihren sparsam gesetzten lyrischen Vergleichen, die knappen Sätze und die kolloquial geprägte wörtliche Rede elektrisierend. In der gelungenen Neuübersetzung von Maja Pflug wird der raue Charakter Paveses spürbar. Den Impuls für den Modernisierungsschub gab die amerikanische Literatur, die Pavese gemeinsam mit Elio Vittorini mitten im Faschismus für Italien entdeckt hatte. Der Turiner Schriftsteller war der Übersetzer von Melvilles Moby Dick, Sinclair Lewis, Dos Passos und vielen anderen.
Vor allem hatte er erkannt, dass sein mittlerer Westen in den Hügeln des Piemont lag. In seinen Romanen changiert die Landschaft zwischen Mythos und Zeitgeschichte.

Cesare Pavese: Das Haus auf dem Hügel
Aus dem Italienischen übersetzt von Maja Pflug
Edition Blau, Zürich 2018
214 Seiten, 24 Euro

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