CDU-Vize Klöckner hält Schwarz-Grün für denkbar

Julia Klöckner im Gespräch mit Nana Brink · 23.09.2013
Julia Klöckner, Landes- und Fraktionsvorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz, hat Sympathien für Schwarz-Grün auf Bundesebene erkennen lassen. Bei den Sozialdemokraten stellte Klöckner den Bündniswillen grundsätzlich in Frage. Bei einer Großen Koalition werde die SPD "sicher nicht die ganze Legislatur mitmachen", sagte sie.
Nana Brink: Der gestrige Abend hatte ja eine große Siegerin – ja, die Union, aber vor allem natürlich die Bundeskanzlerin – es ist ja vor allem ihr Sieg. Mit knapp unter 42 Prozent das beste Ergebnis seit 20 Jahren für die Union, und da sagte auch die Bundeskanzlerin: "Ein super Ergebnis!" – viele von Ihnen haben es sicherlich im Fernsehen gesehen. Sie wurde ja in ihrer eigenen Parteizentrale immer wieder unterbrochen in ihrer Dankesrede von "Angie"-Rufen. Aber, und das Aber kommt natürlich sofort, der Koalitionspartner ist weg. Julia Klöckner, Landes- und Fraktionsvorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz und stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende ist jetzt hier bei uns am Telefon. Schönen guten Morgen, Frau Klöckner!

Julia Klöckner: Guten Morgen, Frau Brink!

Brink: Kurz unter 42 Prozent, absolute Mehrheit knapp verfehlt – ist das vor allem ein Sieg Merkels?

Klöckner: Natürlich. Ohne Angela Merkel hätten wir sicherlich nicht das Ergebnis eingefahren, aber es ist auch ein Zeichen der Geschlossenheit, und es war wirklich, wie es unser Wahlkampfslogan sagte, "gemeinsam erfolgreich". Wenn Landesverbände nicht auch stark gewesen wären, wir in Rheinland-Pfalz haben zum Beispiel über 43 Prozent gebracht, dann wäre auch das Bundesergebnis sicherlich nicht so geworden.

Brink: Was machen Sie jetzt mit diesem Wahlergebnis?

Klöckner: Uns erst mal freuen …

Brink: Gut, das ist okay, das haben Sie wahrscheinlich die ganze Nacht gemacht!

Klöckner: Ja, aber man hat ja auch mehrere Tage und Monate Wahlkampf geführt und geworben, insofern darf man sich schon mal mehr als die Nacht über freuen. Aber dann wird auch gearbeitet und vor allen Dingen sondiert. Jetzt geht es darum, was gibt eine stabile Mehrheit, mit wem kann man zusammenarbeiten. Und da geht es um Inhalte und Wahlprogramme, die zusammen passen. Und das muss man jetzt rausfinden.

Brink: Gut, dann spielen wir das doch mal durch. Wir fangen mal bei der stabilen Mehrheit an, die könnte sich ja mit der SPD ergeben. Aber die SPD wird sich zieren, das zumindest hat schon mal der ehemalige Kanzlerkandidat Steinbrück angekündigt:

O-Ton Steinbrück: Die Lage ist sehr unklar, deshalb wird die SPD gut daran tun, heute keinen Spekulationen darüber nachzugeben, wie denn eine Regierungsbildung aussehen könnte. Der Ball liegt im Spielfeld von Frau Merkel.

Brink: Das sagt Peer Steinbrück. Und was sagen Sie?

Klöckner: Da hat er absolut recht, der Herr Steinbrück, dass der Ball im Spielfeld von Angela Merkel und der Union liegt, denn der Regierungsauftrag liegt bei der Partei, die die meisten Stimmen bekommen hat. Das heißt, Angela Merkel, die Union. Wir werden einladen zu Gesprächen, und dann muss sondiert werden. Aber es ist auch verständlich, dass jeder potenzielle Koalitionspartner den Preis jetzt auch hochtreibt. Das ist verständlich, das kann man keinem zum Vorwurf machen. Am Ende muss man Kompromisse finden.

Brink: Kompromisse, wo könnten die denn liegen? Bei der SPD zum Beispiel?

Klöckner: Das ist jetzt zu früh zu sagen …

Brink: Och, Sie haben sich doch schon länger damit beschäftigt! Das glaube ich Ihnen jetzt nicht.

Klöckner: Also, ich kann Ihnen nicht sagen, wo bei der SPD die Kompromisse liegen. Also, da ist die SPD schon noch …

Brink: Bei Ihnen!

Klöckner: Das werden wir sehen. Wir werden heute in dem Präsidium und auch im Bundesvorstand uns gemeinsam zusammensetzen. Denn es ist ja auch deutlich geworden, was die SPD vor der Wahl sagte, dass sie auf gar keinen Fall zur Verfügung stünde für eine große Koalition. Das ist natürlich eine Aussage in einem demokratischen Spektrum, was schwierig ist …

Brink: Na, das hat Peer Steinbrück ausgeschlossen mit seiner Person, aber die Partei insgesamt eigentlich nicht. Nicht so deutlich.

Klöckner: Also, sagen wir mal so: Ich glaube erst mal einem Kanzlerkandidaten, und ihm wurde auch nicht widersprochen von seiner Partei. Und es wird sicherlich die SPD auch korrigieren, es würde auch keiner der Bürger verstehen, wie sich eine solche Partei auch einer Koalition verweigern würde. Es kommt aber auf die Inhalte an, und da bin ich keine Prophetin, muss ich Ihnen sagen, Frau Brink, dass ich jetzt wüsste, wenn die SPD selbst noch nicht weiß, wie hoch der Preis ist.

Brink: Aber ist denn nicht eigentlich eine große Koalition, sagen wir es mal in den Worten der Kanzlerin, alternativlos?

"Es wird nicht einfach werden, das ist wohl außer Frage"
Klöckner: Rein rechnerisch ist sie nicht alternativlos. Es gibt zum Beispiel auch die Möglichkeit Schwarz-Grün, und das muss man eben sehen, wie weit die Grünen überhaupt bereit sind. Ich schließe erst mal persönlich gar nichts aus. Denn man muss schauen, wer hat welche Inhalte, die auch zusammen passen. Und es wird nicht einfach werden, das ist wohl außer Frage.

Es wird deshalb nicht einfach werden, weil natürlich wir als Union einen klaren Auftrag bekommen haben, dass möglichst viel Union in einer möglichen Koalition drin sein wird. Aber jeder andere Partner wird auch sagen, wir wollen möglichst viel von unserem Programm drin haben. Und da hängt es natürlich immer vom Personal ab, wer schickt wen auch jetzt rein? Auch die Grünen – ist Herr Trittin geschwächt – wie sehr halten sie fest an den Steuererhöhungsvorstellungen, die sie haben? Und da kommt die Arbeit jetzt erst noch auf uns alle zu.

Brink: Apropos – wenn Sie nichts ausschließen, bleiben wir doch gleich mal bei den Grünen. Wir haben ja wieder eine Kette gesehen am Hals der Kanzlerin. Und wenn ich mich nicht getäuscht habe und völlig farbenblind bin, war die schwarz, aber ich habe grüne Einsprengsel gesehen. Ja! Es ist ja bekannt, dass Sie zu der schwarz-rot-goldenen Kette der Kanzlerin ja auch geraten oder zumindest sie davon überzeugt haben oder den Weg bereitet haben, dass sie sie sich kauft. Also Schwarz-Grün – für Sie eine realistische Option?

Klöckner: Es ist eine mögliche Variation innerhalb einer Demokratie. Warum nicht? Aber es ist genauso mit einer großen Koalition möglich. Man muss nur sehen, dass – also ich verstehe da auch die potenziellen Koalitionspartner, dass sie natürlich ein bisschen Manschetten davor haben, einer so starken Union gegenüberzustehen. Der SPD ging es damals danach nicht gut, und wenn wir jetzt auch wirklich in die Zukunft schauen – die SPD wird sicherlich nicht dann die ganze Legislatur mitmachen, sondern so, wie ich Herrn Gabriel kenne, wird er vom ersten Tag an in einer möglichen Koalition auch Opposition sein wollen. Und ob dann eine ganze Legislatur hält oder ob die SPD dann die Pferde wechselt mit Misstrauensvotum innerhalb einer Legislatur, das ist weder sicher noch unsicher. Und deshalb muss man alles gut, gut abwägen.

Brink: Ja, mit dieser Mehrheit, die Sie ja jetzt haben, kann man natürlich sehr gelassen sein, trotzdem die Frage, was sind denn die dringendsten Aufgaben?

"Euro-Stabilisierung und Energiewende als dringendste Aufgaben"
Klöckner: Der Euro wird es weiterhin sein. Also weniger die Schwäche des Euro, sondern die Schuldenkrise in den Ländern, denn das Außenpolitische wird innenpolitische Relevanz haben, ganz klar. Die Energiewende. Das EEG muss angepasst werden. Und wir müssen die Energiewende schaffen, also sie muss bezahlbar sein und auch akzeptiert sein von den Bürgerinnen und Bürgern.

Bei uns in Rheinland-Pfalz ist es so, dass die Akzeptanz deshalb kippt, weil Rot-Grün, gerade die Grünen, eine Verfünffachung der Windräder wollen, und das ist natürlich nicht überall im Einklang auch mit dem Naturschutz. Und das muss behutsam laufen, dass sowohl Arbeitsplätze hier gesichert sind, aber die Energiewende nicht ins Stocken kommt und bezahlbar ist.

Brink: Man sagt ja, mal völlig abgesehen von der Schmuckfrage, Sie besäßen die Sympathie von Angela Merkel. Welche Aufgabe in einem Kabinett würde Sie reizen?

Klöckner: Mich persönlich reizt gar keine Aufgabe im Bundeskabinett. Ich bin in Rheinland-Pfalz, da ist mein Platz, da bleib' ich auch. Wir haben eine prima Aufholjagd hingelegt bei der vergangenen Landtagswahl, da haben 0,5 Prozent gefehlt. Und die CDU stand ja nicht immer bestens da in Rheinland-Pfalz. Und jetzt sind wir wirklich geschlossen und ein starker Landesverband wieder geworden.

Wir haben über 43 Prozent zum Ergebnis, zum Bundesergebnis jetzt dazu getragen und beigetragen. Wir haben bis auf einen Wahlkreis alle Wahlkreise gewonnen. Und wenn wir auf so einem guten Trend und Erfolgskurs sind, wär es sicherlich nicht klug, dann das Schiff in Rheinland-Pfalz zu verlassen. Also ich bin sehr, sehr zufrieden in Rheinland-Pfalz und werde 2016 gerne die Staatskanzlei ansteuern.

Brink: Und wir warten gespannt auf die nächste Kette. Herzlichen Dank, Julia Klöckner, Landes- und Fraktionsvorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz. Schönen Dank, Frau Klöckner, für das Gespräch!

Klöckner: Schönen Tag Ihnen. Ja, Wiederhören!

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