CDU-Mittelstandsvereinigung lobt Merkels Parteitagsrede

Josef Schlarmann im Gespräch mit Nana Brink · 16.11.2010
Der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, begrüßt die die neue Tonlage und andere Akzente seiner Parteichefin Angela Merkel. Er sei von der Merkel-Rede auf dem CDU-Parteitag überrascht worden, sagte Schlarmann.
Nana Brink: Kaum hat Angela Merkel die magische Marke von 90 überschritten, herrscht wieder eitel Sonnenschein im Lager der CDU. Mit 90,4 Prozent ist die Kanzlerin gestern als CDU-Chefin bestätigt worden und schon verstummen die parteiinternen Kritiker oder zumindest zeigen sich versöhnlich, so wie die 40.000 Mitglieder starke Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU. Sie hatte noch im Vorfeld des Parteitages heftige Kritik an Merkel geübt und einen Kurswechsel gefordert in Sachen Steuer- und Energiepolitik.
Und am Telefon ist jetzt Josef Schlarmann, Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU, einen schönen guten Morgen, Herr Schlarmann!

Josef Schlarmann: Morgen, Frau Brink!

Brink: Sie haben gestern nach der Rede von Angela Merkel gesagt: Vielen Dank, sie hat mich auf kaltem Fuß erwischt!

Schlarmann: Das ist richtig.

Brink: Was meinen Sie damit?

Schlarmann: Ich war nach Karlsruhe gefahren, weil ich der Meinung war, dass es ein Wahlparteitag ist und nur die Führungsspitze neu zu wählen ist. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es auch eine inhaltliche und in der Tonlage neue Politik gibt, und das war die Überraschung, die Frau Merkel gestern den Delegierten serviert hat, und das hat mich in der Tat auf dem kalten Fuß erwischt.

Brink: Das müssen Sie uns aber jetzt etwas erklären, denn sie hat eigentlich überhaupt keinen Kurswechsel eingefordert, sondern sie hat das gesagt, was sie immer schon gesagt hat, zum Beispiel zum Thema Steuersenkungen: wird es nicht geben. Wie können Sie da zufrieden sein?

Schlarmann: Ja, sie hat zunächst eine Rede gehalten, die von der Thematik her vor allem die liberal-konservativen Delegierten angesprochen hat: Das war das Thema Wirtschaft, das hat den größten Teil der Rede ausgemacht; dann hat sie über die Sicherheitsfragen gesprochen, die zu lösen sind; und letztendlich über das Thema Zusammenhalt in der Gesellschaft. Und das waren die Themen, die in der Vergangenheit zu kurz gekommen sind, wir hatten andere Probleme, die die Öffentlichkeit beherrschten. Und dass sie dort diese Themen jetzt in den Mittelpunkt gestellt hat – und ich gehe davon aus, dass das auch dann der Mittelpunkt der Politik sein wird –, das hat die Delegierten zufriedengestellt.

Brink: Aber bleiben wir doch mal bei Ihrer Baustelle, nämlich dem Wirtschaftsflügel: Sie haben ja scharfe Kritik geübt gerade an der Steuerpolitik. Und da hat sie überhaupt nichts beigegeben, sondern sie hat ganz klar gesagt, es wird keine Steuersenkungen geben. Noch mal die Frage: Wo ist da Ihre Zufriedenheit?

Schlarmann: Ja, das kann ich Ihnen sagen: Sie hat in der Tat zum ersten Mal differenziert zwischen Fiskalpolitik und Wirtschaftspolitik. Für die Fiskalpolitik ist der Finanzminister zuständig und dort gilt in der Tat – dazu haben wir nie etwas anderes gesagt –, das Konsolidierungsziel steht ganz oben an. Aber wir haben ja auch noch die Aufgabe der Wirtschaftspolitik zu lösen, und dort steht Beschäftigung und Wirtschaftswachstum an erster Stelle. Und wir haben ja die Situation, dass wir im Augenblick einen Wirtschaftsboom erleben, der uns von den Chinesen geschenkt worden ist. Und die Aufgabe ist es, aus diesem Aufschwung ein binnenwirtschaftliches nachhaltiges Wachstum zu machen. Und das ist Aufgabe der Wirtschaftspolitik. Das hat sie gestern nicht nur erkannt, sondern das hat sie auch deutlich gemacht ...

Brink: ... aber sie hat es nicht mit Inhalt gefüllt!

Schlarmann: Sie kann ... Der Inhalt steht fest, der liegt schon im Koalitionsvertrag fest. Und wir wissen ja, dass der Koalitionsvertrag seit Anfang dieses Jahres praktisch keine Rolle mehr gespielt hat. Und wir werden in dem Gespräch, das wir ja verabredet haben, das heißt also zwischen der Mittelstandsvereinigung und der Bundeskanzlerin, werden wir über dieses Thema sprechen und sagen, wir brauchen jetzt wieder die Wirtschaftspolitik, auf die man sich im Koalitionsvertrag verständigt hat. Und da spielt natürlich auch die Steuerfrage eine Rolle, aber das ist nur ein Thema, ein Baustein eines nachhaltigen Wachstumskurses.

Brink: Wie gesagt, da hat sie ja nichts zurückgenommen, auch nicht in der Energiepolitik. Sie haben ja scharfe Kritik daran geübt, Sie wollten im Vorfeld des Parteitages auch Ihre Vorschläge ja einbringen. Die sind alle sämtlich abgebügelt worden. Bleiben wir bei der Energiepolitik: Sie haben gesagt, es ist keine konservative Politik, wenn die Regierung Energiepolitik über 40 Jahre mit einem festen Ergebnis plant. Auch daran hat sich gestern nichts geändert.

Schlarmann: Haben Sie völlig recht, der Kritikpunkt bleibt. Die Rede ist ja nicht so, dass sie all die Punkte, die wir einfordern oder die wir als wichtig geltend gemacht haben, dass sie dem zugestanden hat. Das kann man nicht erwarten. Aber ich kann Ihnen sagen, das ist eine Rede gewesen, die nicht nur eine neue Tonlage beinhaltet jetzt, sondern auch einen anderen Akzent im Inhalt gesetzt hat. Und das war das, was die Delegierten und wir erwartet haben, sag ich Ihnen ganz offen, ich war überrascht über den Inhalt und die Tonlage, und das war der Grund, warum ich gesagt habe, okay, dafür ist ihr zu danken. Sie hat uns als Mittelstandsvereinigung ein Gesprächsangebot gemacht, und das habe ich dann auch vor den Delegierten angenommen.

Brink: Also geht es weniger als Inhalt denn um die Musik. Sind die Reihen in der CDU denn auch beim Wirtschaftsflügel dann wieder geschlossen?

Schlarmann: Das hängt nicht an uns ab, sondern das hängt auch an ... Der Wirtschaftsflügel besteht ja aus drei Teilen, das ist die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung, das ist die Parteigliederung, das ist der PKM, also der Parlamentskreis Mittelstand, der Teil der Fraktion ist, von Herrn Fuchs geführt, und dann haben wir auch noch den Wirtschaftsrat unter der Führung von Herrn Lauk. Die drei müssen an einem Strang ziehen, wir bemühen uns ...

Brink: ... was sie nicht getan haben in der Vergangenheit ...

Schlarmann: ... von unserer Seite haben wir immer Herrn Lauk und Herrn Fuchs unterstützt. Ich hab gelegentlich die Unterstützung der beiden vermisst, das kann ich öffentlich auch sagen.

Brink: Wo sind Sie denn dann offen für Gespräche, noch mal als abschließende Frage? Bei der Steuerfrage zum Beispiel, halten Sie denn daran fest, an Ihrer Position?

Schlarmann: Natürlich halten wir daran fest. Weil ich glaube, dass binnenwirtschaftliches Wachstum letztendlich nicht ohne eine Steuersenkung möglich ist. Binnenwirtschaftliches Wachstum entsteht ja zu zwei Dritteln aus dem Konsum, und wenn der Abgabenteil, der Steuer- und der Abgabenteil immer größer wird, dann nützt es nichts, wenn ich die Löhne erhöhe, weil ja letztendlich dann netto bei den Haushalten nichts ankommt. Also wir kommen auch an dem Thema nicht vorbei, das ist auch grundsätzlich nicht strittig, es geht nur um die Frage des Zeitpunktes.

Brink: Da sind Sie auch ganz bei der FDP und wir gespannt, wie Sie dann das Gespräch mit der Kanzlerin führen.

Schlarmann: Ja ...

Brink: Herzlichen Dank, Josef Schlarmann, Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU. Und wir sprachen darüber, wie es weitergeht nach dem CDU-Parteitag mit der Wirtschaftspolitik der Union.