Cassini verglüht am Saturn

Ende einer erfolgreichen Raumfahrtmission

Die von der NASA am 25.04.2017 veröffentlichte Illustration zeigt, wie die Raumsonde «Cassini» zwischen dem Planet Saturn und dessen inneren Ringen kreist.
Die von der NASA am 25.04.2017 veröffentlichte Illustration zeigt, wie die Raumsonde «Cassini» zwischen dem Planet Saturn und dessen inneren Ringen kreist. © picture alliance / NASA/JPL-Caltech/dpa
Von Thomas Gith · 07.09.2017
Orkane in Schallgeschwindigkeit, kilometerhohe Berge und Meere aus flüssigem Methan - seit 13 Jahren begleitet die Raumsonde Cassini den Saturn und lieferte viele interessante Erkenntnisse über den Planeten. Am 15. September endet die Mission endgültig.
26. April 2017. Forscher in den USA und in Deutschland sind aufgeregt, verfolgen gebannt den Flug der Raumsonde Cassini an ihren irdischen Monitoren. Wird die Sonde das heutige Manöver überstehen? Ein Unfall ist nicht auszuschließen: Nach fast 13 Jahren am Saturn wird Cassini erstmals zwischen dem Planeten und seinem innersten Ring hindurchfliegen. Ein gewagtes Manöver.
"Wenn wir zu Beginn der Mission 2004 gesagt hätten als Wissenschaftler, wir wollen zwischen Saturn und den Ringen hindurch fliegen, dann hätten uns die Ingenieure für verrückt erklärt."
Professor Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin ist als Planetengeologe seit den Anfängen an der Cassini-Mission beteiligt. Er weiß, wie gefährlich das Manöver ist: Denn erstmals wird die Sonde in nur 300 Kilometern Entfernung an der sichtbaren Kante des innersten Ringes vorbeirasen.
"Da sind natürlich zwei gefährliche Dinge bei dieser Geschichte. Man fliegt zwischen Saturn und zwischen den Ringen durch. Das heißt natürlich auf der einen Seite, ein Fehler, der einen zu nahe an Saturn bringt, würde das bewirken, was am Schluss natürlich auch passieren soll, man würde die Atmosphäre streifen und in dieser verglühen. Wenn man aber zu nahe an die Ringe kommen würde, dann würde man natürlich mit den Partikeln, die dort an den Ringen sind und auch im Innenbereich der Ringe noch ziemlich häufig vorkommen, kollidieren, was natürlich auch den Verlust des Raumschiffs bewirken würde."

Vier Milliarden Euro für die Mission

Die bis heute rund vier Milliarden US-Dollar teure Mission wäre abrupt beendet. Auch alle wissenschaftlichen Experimente, die Cassini in dem halben Jahr noch absolvieren soll, könnten nicht mehr stattfinden. Es wäre ein herber Schlag. Doch das Risiko war es den Forschern wert. Denn es versprach eine beeindruckende Perspektive auf die Ringe zu geben, ermöglicht durch die Raumsonde.
"Wenn man da als Astronaut drin sitzen würde, und ein kleines bisschen tun wir das ja auch, weil dort gibt es eine Kamera, und die hat den gleichen Blickwinkel, den wahrscheinlich der Astronaut auch hätte, was man sehen würde, wäre so hinter sich eine riesige, gewaltige Masse an Atmosphäre, die sich von Horizont zu Horizont erstreckt und wenn man nach vorne gucken würde, dann würde man sehen, wie man auf die Ringe zufliegt, wie man die ganze Ringscheibe sieht, was wunderschön ist. Und wie man dann an diesen dünnen Ringen vorbeifliegt, die nicht mächtiger sind als ein Kilometer. Das heißt also, man würde ganz schnell vorbeifliegen, das wäre so wie ein ‚Tschuk‘ und dann könnte man vielleicht noch mal kurz nach oben gucken, und die Ringe von unten anschauen."
Das Manöver glückte! Zahlreiche Bilddaten, die Cassini seitdem zur Erde gefunkt hat, zeugen von dieser Ringwelt. Zu sehen sind die sieben großen Ringe in der Äquatorebene des Saturns. Sie setzen sich aus Eis- und Gesteinsbrocken zusammen, die in ihrer Größe zwischen Staubpartikeln und mächtigen Felsen variieren. Und: Es wurde eine erstaunliche Entdeckung zum Raum zwischen dem Saturn und seinem innersten Ring möglich, erzählt Tilmann Denk von der Freien Universität Berlin. Er wertet die Cassini-Bilddaten aus.

Gefährlicher Durchflug

"Die Sonde hat überraschender Weise, als sie durchgeflogen ist exakt durch die Ringebene, keine wesentlichen Ansammlungen an Staub oder anderen Teilchen gefunden. Sondern das wurde sogar als The Big Empty bezeichnet, weil man hat sich gewundert, dass da tatsächlich relativ große Leere ist. Was aber auch gut ist, denn auf diese Art und Weise ist der Durchflug zwischen den Ringen und Saturn dann ungefährlich für die Sonde und kann gut gemacht werden."
Bis zu ihrem Ende am 15. September wird Cassin insgesamt 22 Mal durch die Lücke zwischen dem Saturn und seinen Ringen hindurch rasen. Das große Ziel dabei: Die Forscher wollen herausfinden, welche Masse die Ringe haben. Denn die lässt sich indirekt ermitteln, erzählt Ralf Jaumann.
"So ein Raumschiff wird durch andere Massen, auch wenn es nur eine kleine Masse hat, immer abgelenkt. Und diese Ablenkung kann man messen aus der Laufzeit der Radiosignale. Und wenn die Ringe auch nicht sehr mächtig sind, so werden sie das Raumschiff bei diesen 22 Durchflügen immer ein kleines Stückchen ablenken. Und nach den 22 Durchflügen hat man so viele kleine Ablenkungen gemessen, dass man natürlich die Masse, die diese Ablenkung bewirkt, feststellen kann und damit hat man die Masse der Ringe."
Ist die Masse berechnet, können die Forscher auch die ganz große Frage klären: Die nach der Entstehung der Ringe. In ein bis zwei Jahren wird es eine plausible Antwort geben, hofft Ralf Jaumann. Eine große Ringmasse würde vermutlich gemeinsam mit dem Planeten vor rund 4,5 Milliarden Jahren entstanden sein – und somit für ein hohes Alter der Ringe sprechen. Damit gäbe es ein Indiz für eine der beiden plausibelsten Entstehungstheorien. Dr. Linda Spilker vom Jet Propulsion Laboratory in Passadena, Kalifornien.

Rätselhafte Ringe

"Dazu gehört etwa die Vorstellung, dass sich die Ringe zur gleichen Zeit wie der Saturn gebildet haben und dass es Partikelreste dieser Entstehungsphase sind. Und weil die zu nahe am Planeten waren, konnten sie sich nicht zu eigenen Monden zusammenklumpen. Das würde für ein hohes Alter der Ringe sprechen. Eine andere Theorie besagt, dass vielleicht ein Komet oder ein kleiner Mond dem Saturn zu nahe gekommen ist. Durch Saturns Gravitation wurde der Himmelskörper dann auseinandergerissen und seine Teile bilden jetzt die Saturnringe."
Die Daten, die Cassini liefert, können zu einer Antwort beitragen – und damit wesentliche Erkenntnisse liefern. Denn rätselhalft sind die Ringe noch immer - dabei sind sie schon seit Jahrhunderten bekannt.
Wir schreiben das Jahr 1610. Der italienische Forscher Galileo Galilei richtet sein Teleskop zum sternenübersäten Nachthimmel. Konzentriert blickt er zum Saturn. Der Planet ist seit dem Altertum bekannt. Doch Galileo, der im Jahr zuvor sein erstes Teleskop gebaut hatte, ist erstaunt, als er zwei seitliche Ausbuchtungen an dem Planeten entdeckt. Erst 50 Jahre später identifiziert sie der niederländische Astronom Christiaan Huygens als Ringe um den Planeten.
Eine Statue von Giovanni Domenico Cassini
Die Sonde wurde nach Giovanni Domenico Cassini benannt.© imago/Leemage
Rund 350 Jahre später sammelt Cassini umfangreiche Daten zu den Ringen. Während der Mission hat die Sonde allerdings auch Informationen über die Monde im Saturnsystem und über den Planeten selbst erhoben. Was Cassini dabei entdeckt hat, ist eine eiskalte und oft rätselhafte Welt.

"Saturn ist ein Gasplanet, das heißt, wir wissen nicht so genau, ob er überhaupt eine Oberfläche hat, höchstwahrscheinlich nicht, sondern Gas ist in erster Linie Wasserstoff und der nimmt natürlich mit der Tiefe zu, der Druck nimmt zu, die Konzentration an Wasserstoff nimmt zu und dann kommt noch ein bisschen Helium dazu, und wenn man dann ganz tief ins Innere geht, dann kommt natürlich schon so eine Art Gesteinskern, ob da aber jemals richtig gute, feste Oberflächen existieren, das ist eher zu bezweifeln."

Ein ungemütlicher Planet

Auf dem Saturn zu landen, ist also unmöglich. Und selbst wenn es möglich wäre: Es wäre dort extrem ungemütlich. Kameraaufnahmen, die Cassini gemacht hat, belegen das sehr eindrücklich.
Im Dezember 2010 tobt auf dem Gasriesen ein gewaltiger Sturm. Er fegt mit Windgeschwindigkeiten von 400 Kilometern pro Stunde über den Planeten – und damit sehr viel schneller als der stärkste Orkan auf der Erde, erinnert sich Carolyn Porco. Sie leitet das Cassini-Imaging Team und forscht am Institut für Weltraumwissenschaften im US-amerikanischen Boulder, Colorado.
"Wir konnten beobachten, wie sich der Sturm entwickelte. Er begann als kleiner Sturm in der nördlichen Hemisphäre, wuchs dann gigantisch an und erreichte schließlich einen Durchmesser, der halb so groß war wie unsere Erde. Zwei Monate lang breitete sich der Sturm über den Planeten aus. Ein gewaltiges Spektakel, das mit Donner und Blitzen einherging. Es war sicherlich der größte Sturm, den wir je von einem Raumschiff aus beobachtet haben."
Der Saturn ist ein lebensfeindlicher Planet: Mit durchschnittlich minus 140 Grad Celsius eiskalt an seiner oberen Schicht, ohne Sauerstoff in der Atmosphäre und ohne feste Oberfläche. Es ist ein Planet der Extreme – mit einer ebenfalls extremen und faszinierenden Mondwelt.
Wir schreiben den 25. März 1655. Der niederländische Mathematiker, Physiker und Astronom Christiaan Huygens ist aufgeregt. Er blickt ein weiteres Mal durch sein Fernrohr – und ist sich schließlich sicher: Um den Saturn kreist ein Mond! Noch zwei Jahrhunderte lang bleibt der Himmelskörper unbenannt – bis er schließlich den Namen "Titan" erhält.
Anflug zum Titan. Eine dichte Atmosphäre verschleiert den Blick von der Raumsonde Cassini auf den größten Mond des Saturns. Was auf seiner Oberfläche passiert, wissen die Forscher dennoch – dank Radar und Infrarotspektrometern und dank der Cassini-Sonde Huygens, die 2005 auf dem Mond gelandet ist.
"Die Oberfläche des Titans ist sehr unterschiedlich strukturiert. In den Äquatorregionen dominieren Dünengebiete, die also stark vom Wind geprägt sind."
Planetologe Dr. Frank Sohl. Er erforscht am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin vor allem den Saturnmond Titan.
"Wohingegen in den polaren Regionen existieren see- oder fast schon meerähnliche Oberflächenformationen. Und man geht davon aus, dass dort flüssige Kohlenwasserstoffe eben Seen bilden, die teilweise auch den unterschiedlichen Einflüssen der Gezeiten unterliegen."

Ähnlichkeiten mit der Erdoberfläche

Auf dem Titan gibt es also Ebbe und Flut: Doch die Flüsse, Seen und Meere auf dem großen Saturnmond sind nicht mit Wasser gefüllt. Stattdessen fließen dort Kohlenwasserstoffe wie Ethan und Methan. Die Oberfläche dieses Saturn-Mondes ist der Erdoberfläche dennoch verblüffend ähnlich, erzählt Professor Ralf Jaumann vom DLR.
"Und spannend war natürlich zu sehen, dass dort alles genauso abläuft wie auf der Erde im geologischen Sinne. Wir sehen genau die gleichen Flusssysteme, wir sehen genau die gleichen Berge, in denen kleine Bächlein zu größeren Flüssen und die größeren Flüsslein zu größeren Strömen werden. Also Geologie funktioniert, so wie wir sie auch von der Erde kennen, ganz egal welche Flüssigkeit sie einsetzen."
Die Raumsonde Cassini durchquert während des Grand Finale die Ringebene in den schmalen Lücke zwischen der Innenkante der Saturnringe und den Wolken der Saturnatmosphäre.
Die Raumsonde Cassini durchquert während des Grand Finale die Ringebene in den schmalen Lücke zwischen der Innenkante der Saturnringe und den Wolken der Saturnatmosphäre.© Zeichnung / NASA
Der Titan gilt als der erdähnlichste Himmelskörper in unserem Sonnensystem. Wesentliche Erkenntnisse zu dem Mond sind dabei der Huygens-Sonde zu verdanken. Am 25. Dezember 2004 hat sich die europäische Raumsonde, auch "Probe" genannt, vom Mutterschiff Cassini gelöst und ist drei Wochen später auf den Mond Titan hinab geschwebt. Der Weltraumphysiker am Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart Ralf Srama.
"Die Probe hat die Form einer fliegenden Untertasse, nur dass die runde Fläche nach unten zeigt. Das ist der so genannte Hitzeschild. Und hinter diesem Hitzeschild gibt es dann eine Kapsel, die viele wissenschaftliche Instrumente beinhaltet, die Zusammensetzung, Winde, Temperaturen vermessen."
Am 14. Januar 2005 dringt Huygens in Titans dichte Atmosphäre ein. Gleichzeitig beginnt die Sonde, Messdaten an das Mutterschiff Cassini zu funken. Etwas über zwei Stunden schwebt Huygens durch die Atmosphäre hinab auf den Mond, misst die Gase, macht Fotos von Bergen und Flüssen, landet dann auf der Mondoberfläche. Noch knapp 90 Minuten ist Huygens mit Cassini verbunden. Dann bricht der Kontakt ab. Die Batterien sind leer und Cassini längst weit weg.

Sonde Huygens sendet Bilder von Titan

"Diese Sonde hatte eine autonome Stromversorgung, das sind natürlich Batterien, die haben eine begrenzte Lebensdauer. Und das ist also ein Grund, warum die Messzeit nicht sehr lang sein kann. Der zweite Grund ist, dass man den Funkkontakt zum Mutterschiff verliert, einfach weil natürlich das Mutterschiff Cassini weiterfliegt. Und in dem Moment, wo Cassini nicht mehr erreichbar ist, kann man keine Daten mehr übertragen."
Bei der ohnehin kurzen Datenübermittlung gab es allerdings einen technischen Defekt: Huygens besaß zwei Kanäle, über die Daten gesendet wurden. Cassini zeichnete aber nur die Daten eines Kanals auf. Rund 600 Fotos vom Titan gingen verloren. Doch trotz kurzer und fehlerhafter Datenübertragung: Das Bild vom Saturnmond Titan wäre ohne Huygens sehr viel ungenauer, meint Ralf Srama.
"Die Messzeit selber war sehr kurz, aber die Erkenntnisse, die man davon gewonnen hat, sind also enorm, und helfen uns, unser Planetensystem zu verstehen wie es funktioniert. Und das hilft bei der Vorbereitung neuer Missionen und von daher denke ich, hat sich auch bei der Huygens-Mission jeder Euro rentiert."
Die Kamerabilder, die von Board der Huygens-Sonde aufgenommen wurden und die dank Cassini bis heute neu entstehen, vermitteln einen besonders anschaulichen Eindruck vom Saturn und seinen Monden. Kilometergroße Einschlagkrater, eisbedeckte Polkappen und Flüsse aus Methan sind auf ihnen zu sehen.
Tilmann Denk von der Freien Universität Berlin ist seit 13 Jahren zusammen mit seinem Team damit beschäftigt, die Bilddaten der Cassini-Mission zu entwickeln, auszuwerten und sie am Bildschirm zu großen Mosaiken zusammenzusetzen. Eine enorme Flut an rohen Bilddaten ist in all den Jahren von der Raumsonde zur Erde gefunkt worden, erzählt der Ingenieur.
"Insgesamt haben wir irgendwas zwischen 400.000 und 450.000 Bildern im Moment. Und ich denke, dass über die Hälfte noch nicht wirklich bearbeitet wurde. Wenn ich zum Beispiel die Bilder ansehe, die ich selber mache von den äußeren Monden, da habe ich relativ viele Daten, die ich entweder noch nicht oder noch mal anfassen muss."
Die Bilder dienen als Grundlage für wissenschaftliche Studien: Etwa über die Geologie der Mondoberflächen oder über die Stürme auf dem Saturn. Auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten werden die Fotos die Basis für neue Fragestellungen und Erkenntnisse sein, prognostiziert Ralf Jaumann. Selbst dann, wenn das Raumschiff seine Mission längst beendet hat.
"Wenn man nur auf Bilddaten guckt, dann bin ich ziemlich sicher, dass da mindestens noch ein bis zwei Generationen von Studenten dran arbeiten können. Also ich denke, dass ist Material, wo die Wissenschaftler der Mission mal so an der Oberfläche gekratzt haben. Also sicher die Sahne abgeschöpft haben, die großen Entdeckungen gemacht haben, aber in den Daten steckt bedeutend mehr."
Recht intensiv ausgewertet haben Planetenforscher während der laufenden Raumfahrtmission bereits die Fotos, die Cassini vom eisigen Iapetus gesendet hat. Den drittgrößten Saturnmond hat die Raumsonde ausführlich fotografiert. Schließlich barg er jahrhundertelang ein unerklärliches Rätsel.
Giovanni Cassini richtet sein Teleskop zum funkelnden Sternenhimmel. Es ist der 25. Oktober 1671. Der französische Astronom italienischer Herkunft blickt mehrfach durch das Teleskop – und ist schließlich überzeugt: Es gibt einen zweiten Mond, der um den Saturn kreist! 1847 erhält er den Namen Iapetus, benannt nach einem Titan der griechischen Mythologie.
"Für seinen Entdecker war Iapetus sicherlich sehr geheimnisvoll, denn er konnte nur eine Seite des Mondes sehen. Die eine Hälfte des Mondes ist sehr hell, die andere sehr dunkel. Mit dem Teleskop erkannte man jedoch nur die helle Seite. Drehte sich der Mond jetzt auf die dunkle Seite, verschwand er plötzlich. Erklären ließ sich das nur dadurch, weil es einen sehr starken Kontrast zwischen der einen Seite und der anderen gibt."
Viele Jahre lang rätselten die Forscher, warum Iapetus eine dunkle und eine helle Seite hat. Durch die Cassini-Mission konnten sie eine stichhaltige Erklärung liefern. Zentral ist, dass sich auf der einen Hemisphäre sehr dunkles Material abgelagert hat. Vermutlich stammt es vom Saturnmond Phoebe. Möglicherweise wurde es durch einen dortigen Kometeneinschlag freigesetzt - und in die Umlaufbahn von Iapetus geschleudert, sagt Carolyn Porco.
"Und die entsprechende Hemisphäre wird mit diesem dunklen Material überzogen. Dadurch wird ein sich selbst verstärkender thermischer Prozess in Gange gesetzt: Die dunkle Seite ist wärmer als die helle Seite des Mondes. Weil sie wärmer ist, verdampft das Eis auf ihr, in der Folge wird sie noch wärmer. Das verdampfte Eis lagert sich schließlich auf der hellen Seite ab und hellt sie weiter auf. Mit der Zeit verstärkt sich dieser Prozess: Die eine Seite wird dunkler, die andere heller. Und diesen Zusammenhang haben wir durch Cassini erklären können."

Gigantische Einschlagkrater

Bei ihrem Flug über den Mond Iapetus hatte Cassinis Kamera auch eine faszinierende Perspektive auf dessen Oberfläche. Von Board der Raumsonde fällt der Blick dabei aus großer Höhe auf Iapetus. In der Äquatorebene des Mondes erhebt sich ein Bergrücken: Es ist ein gewaltiges Felsmassiv, das sich um den halben Mond zieht. Einzelne Berge sind bis zu 20 Kilometer hoch – mehr als doppelt so hoch wie die höchsten Berge der Erde. Die Oberfläche des Eismondes, so Tilmann Denk, ist rau und zerklüftet.
"Der Mond Iapetus, das ist vermutlich eine der ältesten Oberflächen überhaupt, die wir im Sonnensystem haben. Er ist mit zahllosen Kratern übersät, die durch Meteoriteneinschläge entstanden sind. Die haben Größen bis zu 800 Kilometern. Also das sind wirklich gigantische Einschlagkrater."
Die Raumsonde Cassini hat nicht nur ein lang umrätseltes Geheiminis des Mondes gelüftet – sie hat auch das Bild vom drittgrößten Saturnmond präzisiert. So wie auch von Enceladus – dem wohl aufregendsten Saturnmond.
Die Zeit der revolutionären astronomischen Erkenntnisse hatte Anfang des 17. Jahrhunderts begonnen – mit der Erfindung des Teleskops. Doch auch Ende des 18. Jahrhunderts machen die Himmelsforscher noch spektakuläre Entdeckungen. Der in Hannover geborene Wilhelm Herschel ist einer von Ihnen. Im Sommer 1789 richtet er sein Teleskop zum Nachthimmel – und erkennt einen weiteren Saturnmond: Enceladus. Es ist der bis dato sechste bekannte Trabant des Planeten.

Rückblick: Die Raumsonde Cassini gleitet durchs kalte All. Von Board fällt der Blick auf Enceladus. Der Mond mit einem Durchmesser von rund 500 Kilometern zieht seine Bahn im äußersten Saturnring. Die fast weiße Oberfläche ist von zahlreichen Einschlagkratern übersät - und von tiefen Gräben durchfurcht. An einigen Stellen schießen gigantische Wasserfontänen ins All.
"Das Besondere an Enceladus ist, dass er Wasser und Wassereis ins Weltall ausspeit. Und das bedeutet aber, dass er ein Wasserreservoir unter der Oberfläche mit Sicherheit irgendwo hat. Das heißt, es gibt dort einen Ozean aus flüssigem Wasser."
Der unterirdische Ozean auf Enceladus ist bedeutend, weiß Tilmann Denk. Denn so ein Reservoir flüssigen Wassers kennen die Wissenschaftler sonst vor allem von der Erde.
"Der Ozean auf Enceladus besteht im Wesentlichen aus Wasser und darin sind auch Salze enthalten, von vielleicht ein, zwei, drei Prozent Konzentration. Und diese Salze sind sowohl wie unser Kochsalz, also Natriumchlorid, wie auch unsere Meere beschaffen, zum Teil aber auch Natriumcarbonat, also dass ist das, was den alkalischen Anteil ausmacht, und was man bei uns als Soda bezeichnet."

Auf Enceladus könnte es auch Leben geben

Da Wasser die Grundlage allen Lebens ist, könnte es auch auf Enceladus Leben geben. Studien aus den vergangenen Jahren lieferten für diese Vermutung Hinweise: Forscher der Universität Stuttgart konnten für Enceladus etwa Gesteinspartikel aus Siliziumdioxid nachweisen. Sie deuten darauf hin, dass es auf dem Ozeangrund hydrothermale Aktivitäten gibt. Denn in irdischen Ozeanen bilden sich Siliziumdioxidkörnchen, wenn Wasser durch poröses, heißes Gestein dringt und dann mit kälterem Wasser reagiert. Auf der Erde hat sich an solchen Stellen am Meeresgrund Leben gebildet, das unabhängig vom Sonnenlicht existiert. Auf Enceladus könnte es ähnlich sein, sagt Ralf Srama.
"Die Randbedingungen, die hat man stark eingrenzen können, dass die Chemie, die man hat, dass die Temperaturen, die man hat, sehr ähnlich sind und ideale Bedingungen sind, um einfache Formen von Leben zu ermöglichen. Und Enceladus ist der Körper im Sonnensystem, der am so genannten habitabelsten ist. Das heißt, der nach der Erde die besten Lebensbedingungen liefern kann."
Für die Planetenforscher ein aufregender Hinweis: Leben im Saturnsystem scheint möglich zu sein. Auch wenn ein endgültiger Beweis noch aussteht, schränkt Linda Spilker ein.
"Sicher können wir uns noch nicht sein, denn Cassini hat nicht die Instrumente an Bord, um Leben endgültig nachzuweisen. Was wir wissen: Enceladus ist ein potenzieller Hotspot für Leben. Und es wäre spannend, Proben aus Enceladus Ozean zu untersuchen. Vielleicht würden wir in ihnen Schlüsselhinweise auf Leben finden. Es ist eine wirklich spannende Frage, ob auf Enceladus Leben existiert. Wir sind sehr daran interessiert, mit Cassinis Nachfolgemissionen zurückzukehren, um diese Frage zu beantworten."

1997 - Raumsonde Cassini beginnt ihre Mission

Wir schreiben das Jahr 1957: Das Zeitalter der Raumfahrt beginnt mit Sputnik 1. Weitere Missionen folgen Schlag auf Schlag: 1961 - Der erste Kosmonaut im Weltraum, 1969 - Der erste Astronaut auf dem Mond. 1973 startet die US-Raumsonde Pioneer 11, erreicht sechs Jahre später als erstes Raumschiff den Saturn und sendet 220 Bilder von dem Planeten zur Erde. 1997: Die Raumsonde Cassini beginnt ihre Mission zur Erforschung der eisigen Welt des Herren der Ringe.
20 Jahre nach ihrem Start von der Erde ins All und über 13 Jahre nach ihrer Ankunft am Saturn endet dieses Kapitel Raumfahrtgeschichte nun endgültig am 15. September 2017. In ihren letzten Tagen wird Cassini den Saturn weiter umrunden - und letzte Daten für die Forschung sammeln.
"Zehn Tage vor dem Ende der Mission wird Cassini die letzten beiden Runden absolvieren. Zunächst noch mal am 9. September in 1700 Kilometer Abstand zur Atmosphäre von Saturn vorbeifliegen. Jetzt liegt die Konzentration sehr stark auf der Messung der Zusammensetzung, sowohl der Atmosphäre als auch des Ringsystems. Und anschließend fängt dann die letzte Runde um den Saturn an."
Cassini wird jetzt kontinuierlich beschleunigen – bis zu ihrem großen Crash. Sie wird den Saturn und seine Ringe noch einmal komplett fotografieren, die Aurora des Nordlichtes auf dem Saturn beobachten, letzte Daten von Titan und Enceladus sammeln und zur Erde funken. Dann wird die Raumsonde ihrem Ende entgegenfliegen.
"Am letzten Tag wird Cassini noch die Stelle beobachten, an der die Sonde dann einen halben Tag später einschlagen wird. Und dann werden alle Instrumente in Realtime-Modus geschaltet und einfach Daten senden, so gut sie können. Und dabei wird dann die Staubzusammensetzung direkt in der Umgebung von Saturn detektiert, als auch die Zusammensetzung der geladenen und der ungeladenen Teilchen, sprich die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre."
Das knapp sieben Meter lange und rund zweieinhalb Tonnen schwere Raumschiff wird der Atmosphäre jetzt so nahe kommen wie niemals zuvor – und sich dabei stark aufheizen. Die große Parabolantenne an der Spitze wird vermutlich als erstes abreißen und in der Atmosphäre verglühen – und auch das restliche Raumschiff samt Kamera, Radargeräten und Infrarotspektrometern wird jetzt endgültig vergehen, schildert Ralf Jaumann.

Am Ende wird die Sonde verglühen

"Es wird auseinanderbrechen, dann werden die einzelnen Teile wegfliegen, dann werden die einzelnen Teile heiß werden, dann werden sie anfangen zu glühen, dann werden sie verglühen und dann werden sie nicht nur aufgeschmolzen, sondern die Temperaturen werden so hoch, dass sie in ihre Moleküle und Atome zerlegt werden und am Ende wird nichts übrig sein, sondern die Saturnatmosphäre wird dieses kleine Raumschiff dann vollkommen in sich aufgenommen haben."
Der Grund für dieses dramatische Ende: Die internationale Forschergemeinschaft will vermeiden, dass Cassini ohne Treibstoff im Orbit des Saturns verbleibt - und möglicherweise unkontrolliert auf Titan oder Enceladus aufschlägt und diese mit irdischem Material kontaminiert. Bei der künftigen Suche nach Leben auf den Monden könnte das zu verfälschten Ergebnissen führen. Auch Carolin Porco empfindet Cassinis Ende als dramatisch - zieht jedoch ein positives Fazit.

"Die Leute können zu einem einfachen Teleskop im Hinterhof gehen und damit den Saturn beobachten. Beim genauen Hinsehen erkennen sie auch die fast übernatürlich wirkenden Ringe, und, mit etwas Glück, die Monde des Saturns. Und dann denken Sie an die Bilder, die Cassini gemacht hat: Es sind detaillierte Fotos von einem sehr weit entfernten Planentensystem. Genau das hat Cassini geleistet: Es hat etwas Entferntes und Unbekanntes sichtbar gemacht. Jetzt sind wir mit dem Saturnsystem vertraut – das ist die Essenz der Erkundung."
Das durch Cassini geprägte Bild vom Saturn wird noch lange Zeit bestehen bleiben: Mit den Flüssen und Meeren auf dem Titan, den Einschlagkratern und Wasserfontänen auf Enceladus, den hauchdünnen Ringen aus Eis- und Gesteinsbrocken, die sich um den Saturnäquator spannen. Und Daten als Grundlage für weitere Studien gibt es noch für viele Jahre: Studien zur Saturnatmosphäre etwa sind möglich oder Untersuchungen dazu, wie die Ringe um den Saturn entstanden sind. Cassinis Erbe wird noch lange nachwirken.
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