Carlos do Carmo

Sein Weg, sein Fado

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Der portugiesische Fado-Sänger Carlos do Carmo in Lissabon während eines Filmdrehs. © AFP PHOTO/ HANDOUT
Von Tilo Wagner · 20.11.2014
Carlos do Carmo wird als erster portugiesischer Musiker mit dem renommierten Latin-Grammy geehrt. Der 75-Jährige gehört zu den vielfältigsten Fado-Künstlern. Als Jugendlicher wollte er von dem melancholischen Gesang noch nichts wissen.
Frankfurt, Alte Oper, im Herbst 1982. Carlos do Carmo steht auf der Bühne und erklärt dem deutschen Publikum die Grundmelodien des Fado. Mit Musikbeispielen und Zwischenkommentaren in einem sehr guten Deutsch, das der Fadosänger in seiner Jugend in Schulen und Internaten in Lissabon und in der Schweiz erlernt hatte. Damals, Anfang der 1980er-Jahre, hatte Carlos do Carmo bereits eine zwanzigjährige Karriere als Interpret hinter sich.
Mit dem Fado seinen Stil gefunden
Mit der Musik wuchs er auf: Seine Mutter war eine bekannte Fadosängerin und betrieb mit ihrem Mann im Bairro Alto in Lissabon ein Lokal, das zum Treffpunkt großer Musiker wurde. Doch mit dem Fado wollte Carlos do Carmo zunächst gar nichts zu tun haben:
"Ich habe schon als kleiner Junge sehr viel Musik gehört. Aber es war vor allem brasilianische, italienische, englische oder amerikanische Musik. Mit zwölf Jahren war ich schon ein großer Fan von Frank Sinatra. Und irgendwann haben mich ein paar Freunde nur aus Spaß gebeten, ich solle doch mal einen Fado singen. Ich kannte aus dem Stehgreif nur einen einzigen Fado, den meine Mutter auch gesungen hatte. Das war das Lied "Loucura". Und als ich fertig war, haben alle ganz laut geklatscht und gesagt: Weißt du was, du klingst überhaupt nicht wie deine Mutter. Und da dachte ich: Moment mal. Das ist gar nicht schlecht. Wenn ich meine Mutter wirklich nicht nachahme, dann kann ich meinen eigenen Weg gehen."
Schwerer Karrierestart
Nach dem Tod seines Vaters übernahm Carlos do Carmo 1962 das Lissabonner Fadolokal und konnte zu Beginn seiner Karriere auf die Kontakte bauen, die die Familie über Jahrzehnte hinweg zur Lissabonner Musikszene geknüpft hatte. Da die großen Fadosänger ihre Lieder nicht selbst schrieben, hing ihr musikalischer Durchbruch auch von den Dichtern und Komponisten ab, die sie um sich scharten.
Carlos do Carmo lernte schon früh große Wort- und Musikmeister wie den Liedtexter José Carlos Ary dos Santos kennen. Dennoch fiel ihm der Erfolg nicht vor die Füße. Nach der Nelkenrevolution Mitte der 1970er-Jahre stand der Fado auf dem Abstellgleis. Die Musik wurde mit den urkonservativen Werten des Salazar-Regimes in Verbindung gebracht, und nach dem Umsturz und der Demokratisierung Portugals war der Fado insbesondere in intellektuellen Kreisen verpönt.
Fado mit politischer Botschaft
Carlos do Carmo antwortete 1976 mit einem viel beachteten Auftritt beim Grand Prix Eurovision de la Chanson. Er sang ein Gedicht von Manuel Alegre, einem portugiesischen Poeten und Widerstandskämpfer gegen das Salazar-Regime. Das politische Statement dahinter war keine Augenwischerei. Mit vielen Linksintellektuellen pflegte der Fadosänger eine intensive Freundschaft. So auch mit Literaturnobelpreisträger José Saramago. Einen Text von Saramago vertonte Carlos do Carmo vor zwei Jahren auf einem ganz außergewöhnlichen Album.
Am Klavier sitzt Maria João Pires – Portugals bedeutendste Pianistin. Das Album steht in einer Reihe von Projekten, die Carlos do Carmo in Zusammenarbeit mit Künstlern initiiert hat, die nicht aus dem Fado kommen.
"Ich mache derartige Projekte schon seit vielen Jahren. Mit großer Freude, aber auch mit einem sehr tiefen Respekt vor der Tradition. Vor allem, weil ich sie fast alle gekannt habe, die großen Meister, die uns das Essen zubereitet haben. Irgendwann aber muss man seinen eigenen Weg gehen – mit seinen eigenen Beinen."
Bis heute von konservativen Politikern geschmäht
Mit dem portugiesischen Jazzpianisten Bernardo Sassetti nahm Carlos do Carmo vor vier Jahren ein Album auf, das irgendwo zwischen Jazz, Pop und Fado liegt. Eine Hommage an Zeca Afonso, den großen portugiesischen Liedermacher aus der Zeit der Nelkenrevolution, durfte nicht fehlen.

Seine deutliche politische Positionierung hat ihm aber nicht nur Freunde bereitet. Als im Juli bekannt wurde, dass Carlos do Carmo einen Emmy für sein Lebenswerk erhalten würde, blieb das obligatorische Glückwunschtelegramm des Staatspräsidenten aus. Auf Lorbeeren aus bestimmten konservativen Politikerkreisen kann der 75-jährige Fadosänger jedoch längst verzichten. Nachdem er in den vergangenen Jahren immer wieder mit Gesundheitsproblemen zu kämpfen hatte, sind seine Wünsche für die Zukunft dementsprechend bescheiden:

"Noch ein bisschen leben wäre nicht schlecht, und wenn ich dazu gesund bleibe, umso besser. Und eins noch: Ich wünsche mir, dass mein Land wieder glücklicher wird."


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