Carl Gustav Carus

Universalgelehrter mit Hang zur Romantik

Eine Hand schreibt mit einer Feder auf Pergament
Carl Gustav Carus schrieb mehr als 70 längere Abhandlungen und Bücher – über Naturphilosophie, Landschaftsmalerei, das menschliche Seelenleben. © dpa / pa
Von Irene Meichsner · 03.01.2014
Als Arzt, Anatom, Naturphilosoph und Maler pflegte Carl Gustav Carus enge Kontakte zu vielen Geistesgrößen seiner Zeit. Vieles im umfangreichen Werk des vor 225 Jahren geborenen Gelehrten gibt es noch zu entdecken.
Carl Gustav Carus war vieles auf einmal: ein großer Arzt, Anatom, Physiologe und Psychologe, ein begabter Maler und ein romantischer Naturphilosoph, der hinter jedem natürlichen Phänomen einen tiefere Bedeutung suchte.
"Derselbe Kohlenstoff lebte gestern vielleicht in unserem Blute, schwebt heute immer tätig in der Erdatmosphäre und wirkt vielleicht morgen in der keimenden Pflanze!",
schrieb Carus 1841 in seinen "Zwölf Briefen über das Erdleben".
"Wo wir das Auge des Geistes hinwenden, ein stetes Ziehen, Drängen und Werden der Elemente, die so oder so erscheinen, je nachdem eine oder die andere Idee sie erfasst, ordnet und ... begeistigt."
Carus beschrieb die Natur als ein "Meer des Werdens". Die Trennung zwischen "lebender" und "toter Materie" löste sich in der Idee einer höheren Einheit aller Erscheinungen auf. Die reine Beobachtung der Natur müsse um eine philosophische oder, so Carus, "speculative" Herangehensweise ergänzt werden.
"In ihr entfaltet sich ... die Beziehung der Mannigfaltigkeit der Welt auf die Einheit unseres geistigen Ichs, und zuhöchst auf die Einheit ursprünglich göttlichen Wesens."
Am 3. Januar 1789 in Leipzig als Sohn eines Färbereipächters geboren, begann Carus schon im Alter von 15 Jahren mit dem Studium: erst Chemie, Physik und Botanik, dann Zoologie und Geologie, schließlich Medizin. 1811 hielt er in Leipzig die ersten Vorlesungen für vergleichende Anatomie. 1815 wurde er in Dresden Professor für Gynäkologie. Wenig später lernte er Caspar David Friedrich kennen, von dem er während einer langjährigen Freundschaft viel über Malerei lernte.
"Wie oft ist es mir gelungen, das innerste Geheimniß der Seele von schwerer Trübung zu reinigen, indem ich dunkle Nebelbilder, in Schnee versunkene Kirchhöfe und Ähnliches in bildlichen Compositionen entwarf."
1827 wurde Carus Leibarzt des sächsischen Königs. Er begleitete die Prinzen auf ihren Reisen und pflegte Kontakte zu vielen Geistesgrößen: Alexander von Humboldt, Christoph Wilhelm Hufeland, Ludwig Tieck. Den 40 Jahre älteren Goethe hat er fast unterwürfig verehrt. Carus schuf mehrere hundert Gemälde und Zeichnungen, schrieb mehr als 70 längere Abhandlungen und Bücher – über Naturphilosophie, Landschaftsmalerei, das menschliche Seelenleben. Am Ende bekam er allerdings auch zu spüren, dass die jüngere Generation mit seinen romantischen Idealen nichts mehr anzufangen wusste. Auf die 1859 veröffentlichte Bilanz seines ärztlichen Wirkens reagierte Eberhardt Richter, ein jüngerer Kollege, mit beißendem Spott.
"Wir meinen die gespreizte, bedeutsam sein sollende Schreibweise, das süßliche Kokettieren mit der eigenen geistreichen Persönlichkeit ... und die wortreiche Gehaltlosigkeit, welche dem Leser wie Schaumtorte nur etwas schmelzende Süßigkeit als Kern des ganzen Gebäckes im Munde hinterläßt."
Vieles im Werk von Carus wirkt heute antiquiert, manches aber auch fast schon wieder aktuell. Zum Beispiel seine Überzeugung, dass wir für die Natur Verantwortung tragen.
"Nicht nur der Mensch der Erde bedarf zu seinem Leben und Thätigsein, sondern auch die Erde des Menschen."
Als Arzt vertrat Carus eine "ganzheitliche" Medizin – eine sogenannte "Krankheitskunst", zu der beispielsweise gehörten:
"Die passende Wahl der Nahrung, der Luft, der Wärme, der Wohnung; das Fortführen eines richtigen und schönen Verhältnisses zu einem kenntnißvollen Arzte."
Carus, der am 28. Juli 1869 in Leipzig starb, war sich bewusst, dass er am Ende einer Epoche stand. Eine Eisenbahnfahrt nach Berlin führte ihm den Wandel der Zeit deutlich vor Augen. Carus dachte noch einmal an die alte, gemächliche Form des Reisens.
"Der Unterschied in der Wirkung (ist) an und für sich ganz inkommensurabel. Praktische Verstandesschärfe, Schnelligkeit der Kombination, Prosa, Luxus und unmittelbarste Genußsucht werden charakteristisch sein für das Neue, ebenso wie Gemütlichkeit, beschauliche Sinnesart, Poesie, Anspruchslosigkeit und ein gewisses Genügenlassen für das Alte."