C64, Amiga, Super Nintendo

Von Oliver Buschek · 19.09.2007
Schneller, kleiner, leistungsfähiger. So lautet das Credo der digitalen Welt. Doch es gibt auch Computerfans, die sich von diesem Trend abwenden und sich für die Technik aus den vergangenen Jahrzehnten begeistern.
Neulich in Leipzig, auf der Computerspiele-Messe Games Convention: Der 37-jährige Fachjournalist Rene Meyer bekommt feierlich eine Urkunde überreicht, die ihm einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde beschert. Der Grund: seine Sammlung von Spielkonsolen aus 35 Jahren ist die größte ihrer Art in der ganzen Welt. Insgesamt 270 Exemplare.

"Da steckt so ungefähr ne fünfstellige Summe drin – und unglaublich viel Zeit. Allein in den letzten Wochen habe ich noch mal, um die Sammlung aufzustocken, damit auch jedes Gerät da ist, dass nicht irgend jemand kommt und sagt, wo ist mein ZX Spectrum zum Beispiel, habe ich noch gezielt für mehrere 1000 Euro Geräte eingekauft, dass wirklich eine vollständige Sammlung da ist."

Von Schwarzweißgeräten aus den 70ern bis zu den 3D-Boldiden von heute: Alle noch funktionsfähig und nicht bloß für die Vitrine geeignet. Denn Rene Meyer kramt zum Beispiel immer wieder gern sein altes Super Nintendo hervor und spielt eine gepflegte Runde des Klassikers Donkey Kong.
Seine Begeisterung für all die technisch längst überholten Geräte hat auch biografische Gründe.

"Ich bin in der DDR aufgewachsen, wir hatten dort auch Computer, an denen ich programmieren gelernt habe. Aber ich habe unglaublich bedauert, dass ich mir nach der Wende gleich einen PC gekauft habe, und dass ich diese C64/Amiga/Supernintendo-Zeit, dass ich die nie mit erlebt habe."

Die große Zeit der Heimcomputer hat Rene Meyer dann später ausführlich nachgeholt. Doch nicht nur alte Konsolen aus Amerika und Japan stapeln sich bei ihm zu Hause, sondern auch Relikte aus der ostdeutschen Computervergangenheit.
Da sind die Kleincomputer aus der KC-Reihe – KC 85 aus Mühlhausen, KC 87 von Robotron aus Dresden oder der Bausatz Z 1013. 8-bit-Techik mit 16 kByte Speicher - Tja, da musste ein Computerfreak noch löten können!

"Ich habe selbst die wichtigsten Geräte gehabt und habe noch jemanden entdeckt, der eine unglaublich große Sammlung an Robotron-Geräten hat. Habe den Bildungscomputer, der so praktisch zur Wende erschienen ist, den Margot Honecker selbst initiiert hat - Protoytpen von Geräten, die selbst in der DDR kaum jemand gekannt hat."

Doch auch viele, die im Westen der Republik groß geworden sind, die die Ära der ersten Konsolen und Heimcomputer selbst miterlebt haben, können der Technik von gestern noch eine Menge abgewinnen. Michael Spindler zum Beispiel ist und bleibt ein Fan des Commodore Amiga, dessen Produktion Anfang der 90er Jahre eingestellt wurde. Zwanzig dieser Prachtexemplare hat er zu Hause stehen, die meisten für einige Zehner erworben. Und das, obwohl heutige PCs der einstigen Kultmaschine haushoch überlegen sind.

"Vielleicht eine Erinnerung an die Kindheit? Ein bisschen Nostalgie kommt auch dazu, und im Prinzip können Sie mit denen alles machen, was mit den aktuellen Kisten auch geht. Sie können im Internet surfen, sie können CDs brennen. Sie können drauf entwickeln, Programme schreiben, Sie können Briefe schreiben, Sie können spielen. Und das ganze eigentlich ohne Gefahren von Viren, von irgendwelchen Attacken oder sonstigem."

Die Szene der Amiga-Fans ist immerhin groß genug, dass noch Produkte für sie hergestellt werden. Ein USB-Anschluss zum Beispiel, über den man moderne Drucker, externe Festplatten oder Speichersticks mit dem 15 Jahre alten Amiga verbindet. Der Hersteller hat übers Internet nachgefragt, welche Features sich die Amiga-Gemeinde von dem Produkt erwartet. Auch darüber hinaus ist das Netz für Liebhaber alter Rechentechnik ein wichtiger Anknüpfungspunkt.

"Wenn man mit normalen PC-Usern zusammensitzt und man erzählt so was, da ist man eigentlich ein Exot. Die sagen: Warum nimmst Du nichts Aktuelles her? Was bringt Dir die alte Hardware? Und ich glaube, vielen fehlt das Verständnis dafür. Wenn’s jetzt das Internet nicht gäbe, würde man mit vielen Problemen allein auf weiter Flur sitzen. So kann man sich austauschen in Foren oder per E-Mail, dann geht das schon."

Bei Dennis Kuschel aus Heilbronn geht die Begeisterung für Computer von gestern noch einen Schritt weiter. Er hat sich einen eigenen 8-Bit-Computer gebaut, ganz ähnlich dem Klassiker Commodore 64, aber von Grund auf neu konstruiert.

"Also ich interessiere mich mein Leben lang schon für Elektronik, habe auch Elektrotechnik studiert. Und es begann eigentlich alles während meiner Diplomprüfungsphase. Da hatte ich dann für das Fach Digitaltechnik gelernt und war dann so begeistert davon, dass ich mir überlegt habe: Mensch, das Wissen, was ich mir jetzt gerade angeeignet habe, kann ich umsetzen und mir einen Taschenrechner bauen. So fing das an."

Aus dem Taschenrechner wurde ein Computer. Mittlerweile bastelt Dennis Kuschel schon seit sieben Jahren daran, ergänzt ihn immer wieder um neue Platinen und Funktionen. Nach dem gleichen Prinzip allerdings einen PC von heute nachzubauen, wäre so gut wie unmöglich. Schließlich sind Hard- und Software heute um ein Vielfaches komplizierter als damals. Und darin liegt vielleicht auch ein Grund, warum sich immer noch so viele für betagte Rechner begeistern können.

"Es macht deutlich mehr Spaß, wenn man die Hardware im Griff hat. Man braucht nur ein Bit umschalten, und auf einmal verändert der Bildschirm seine Farbe. Und man hat wirklich den Rechner komplett unter Kontrolle. Und man braucht keine Angst haben, dass da etwas heimlich im Hintergrund passiert."

In vielen Hobbykellern sind längst totgesagte Uralt-Rechner also immer noch sehr lebendig. Wer allerdings Deutschlands größte Sammlung für Technik und Naturwissenschaften besucht, das Deutsche Museum in München, der staunt: Die Ausstellung über die Geschichte der Rechentechnik endet beim ersten PC-Klon, Anfang der 80er Jahre. Also da, wo sie für viele Computer Nostalgiker von heute erst anfängt. Kurator Hartmut Petzold:

"Wir wollen das ausweiten etwas auf neuere Geräte. Andererseits ist es einfach so, dass man eine beliebig große Zahl solcher Geräte heute nebeneinander stellen könnte. Sie sind, wenn sie einfach tot dastehen, auch relativ wenig aussagekräftig. Da ist das Museum vielleicht in seiner Anlage nicht geeignet in dieser Art."

Und schließlich beweisen die vielen Sammler und Enthusiasten ja, dass alte Heimcomputer auch außerhalb des Museums noch gut zu gebrauchen sind.