Business mit Blech

Von Eberhard Schade · 02.12.2007
Achtzehn Riesenfrachter pendeln im Linienverkehr zwischen dem Hamburger Hafen und Cotonou in Benin, Westafrika. An Bord: jeweils rund 2.000 Gebrauchtwagen. In Afrika sind die Karossen der Deutschen trotz Delle und fehlendem TÜV gefragt, denn alles kann repariert oder als Einzelteil wiederverwertet werden. Jeder zweite Einwohner Cotonous lebt direkt oder indirekt vom Autohandel. Über die Hälfte der Wagen wird ins benachbarte Nigeria verkauft, im Gegenzug läuft schwunghafter Handel mit illegal gezapftem Öl.
Bassan Harb: "Also, ich fang an mit mobile.de. Da muss man relativ flink und schnell sein. Normalerweise habe ich auch ein zweites Laptop, um relativ schnell an die Fahrzeuge ranzukommen ... "

Nervös fingert Bassan Harb mit der linken Hand am Reißverschluss seiner Kapuzenjacke rum. Die rechte steuert souverän den Cursor auf seinem riesigen Flachbildschirm.

Bassan Harb: "BMW, 318er Limousine, geb' ich auch die Baujahr ein, das ist sehr wichtig. Ab 98 bis 2000. Benzin eingeben, Diesel hat gar keinen Sinn da unten, und Automatik muss er sein. Klima oder Klimatronic, deutschlandweit. Mit kleinen Schäden: egal. Schauen wir mal, was dabei rauskommt. So fängt der Tag mehr oder weniger an."

Acht bis zehn Stunden vor dem Bildschirm in einem kleinen, dunklen Bürocontainer am Stadtautobahnzubringer Berlin-Charlottenburg. Drinnen stehen ein Schreibtisch, eine Kaffeemaschine, ein Ledersofa. An der Wand hängen ein in Öl gemalter Ferrari, ein Brett mit Autoschlüsseln.

Wo sonst als im Internet könne man bis zu 1000 Autos am Tag abchecken, sagt Harb. Hat er am Ende des Tages drei oder vier "geangelt", wie er es nennt, ist es ein guter Tag.

"Hier, der klingt ganz gut. 11/98, 127.000 gelaufen, Automatikgetriebe. Was ich hier gleich sehe, dass der Wagen kein Tiptronic hat, hat 'ne ganz normale Automatik. Das vermindert den Wert ein wenig. Helle Farbe ist auch ein bisschen schlecht. Und ein Schiebedach muss das Auto haben. Aus erster Hand mit lückenlos Scheckheft. Hmm, sag' ich mal - dieses Auto nicht mehr als 5.800 bis 6000 Maximum."

Ausgeschrieben ist der Wagen mit 6.900 Euro. Der Libanese aber sieht sofort: Der Verkäufer ist Händler wie er. "Da können wir ein bisschen hart reden", sagt er und lächelt. Das soll heißen: Harb will handeln. Sein Trumpf: Er will den Wagen fürs Ausland kaufen - Libanon oder Afrika. Deshalb braucht er vom Verkäufer keine Gewährleistung. Der Wagen wird billiger.

Zehn Minuten später fährt bei Harb-Automobile eine Mercedes-Limousine auf den Hof. Der Libanese streicht über den bläulich glänzenden Lack der S-Klasse Limousine. Lächelt, ist zufrieden.

"Gefällt mir, Farbe ist metallic, schön. Und das ist diese Elegance-Ausstattung. Also abgesehen von dem Unfall. Der Wagen wird gewaschen, poliert und dann ist fertig."

"Unter 7000 Euro geht der mir nicht vom Hof", sagt er. Und tippt, dass ein Russe oder Pole ihn kauft. Und das ziemlich schnell. Der Libanese kennt den Markt. Weiß genau, welchen Typ und welches Baujahr Russen, Polen oder Slowaken wollen. Und welche Autos nach Afrika gehen.

"Kommen Sie mit", sagt Harb und schlendert langsam über seinen Autohof. Hier parken rund 30 Wagen. Mercedes, BMW, VW, Toyota, Honda. Meist Limousinen, viele mit Unfallschäden. 35 Autos verkauft der Libanese im Schnitt pro Monat insgesamt. 20 davon an Großhändler, sagt er, die die Wagen im großen Stil nach Afrika verschiffen.

"Ich hab Händler, die hier bei mir aufkaufen, nach Cotonou, nach Lumi, die nehmen wirklich alles. Absolut. Spielt keine Rolle. Zustand, km-Stand spielt auch keine Rolle. Hauptsache, muss der Preis passen. Wenn der Preis passt - die nehmen alles."

Einen 20 Jahre alten Toyota oder Honda zum Beispiel. Noch besser aber gehen deutsche Fabrikate. Mercedes, BMW, VW. "Klima muss es haben", sagt Harb, "besser noch Automatik." Der Rest: fast schon egal. Nachschub muss her, die Lücken auf den Höfen und Sammelplätzen der Großhändler gefüllt werden. Der Handel mit Autos nach Afrika ist ein gutes Geschäft. Auch wenn die Großhändler gerne stöhnen.

Bassan Harb: "Die meckern immer und sagen: Ach, altes Auto, 91er Baujahr. Was wollen sie damit? Na gut, für den EU-Markt ist der tot, der Wagen. Kann man die Steuern nicht bezahlen, kann man kaum reparieren, Tüv und ASU bekommt er auch kaum. Erledigt."

In Afrika machten die Profis damit aber noch gutes Geld, sagt Harb. Sie bekommen für ein Auto, das sie in Europa für 200 Euro einkaufen, mindestens das doppelte - inklusive Verschiffung.

Hamburg, Freihafen. Unikai, Schuppen 48. Die Grande Atlantico hat festgemacht. Wie ein riesiges Parkhaus liegt der Multi-Purpose-Carrier da, in den Schiffsbauch passen 3000 Pkw. Wenn keine Container oder Lastwagen geladen werden, sogar 5000. Etwas über 2000 Autos hat der Tallymann diesmal gezählt, auf jede Frontscheibe einen Sticker geklebt, sein O.K. für Cotonou, den Umschlagplatz Nr. 1 in West-Afrika für Autos aus Europa. Jetzt muss die Blechlawine so schnell wie möglich an Bord. Überwacht wird das von Hafenkapitän Jan Kaiser von der Reederei Grimaldi.

"Wir haben vier Gänge mit jeweils 12 Leuten, das sind also 48 Mann und Einweiser, Vorleute - alles zusammen 60 Leute."

Der 42-Jährige trägt Helm, eine knallorange Sicherheitsweste. In einer Hand hält er ein Funkgerät, in der anderen sein Handy. Kaiser guckt auf seine Uhr, nickt. Alles gut, er ist im Plan. Um Mitternacht soll die Grande Atlantico auslaufen. Zeit ist Geld im Reedereigeschäft.

"Der muss in der Regel auch rüber nach Tilbory, da wird dann aufgefüllt. Und da die Schiffe so groß sind, gibt es Probleme mit der Tide. Die müssen also zur bestimmten Zeit ankommen, wegen dem Tiefgang. Sonst sitzen sie da in der Schleuse und warten."

18 Riesenfrachter pendeln im Linienverkehr zwischen Afrika und Europa. 5000 Seemeilen nach Fahrplan. Eine logistische Herausforderung mit vielen Unbekannten.

Kaiser: "In Afrika wird sehr viel Zeit verloren durch schlechtes Wetter und Hafenverstopfung. Das wird in Europa wieder aufgeholt, deshalb hier möglichst schnell durch, um dann in Afrika ein oder zwei Tage verlieren zu können."

"Möglichst schnell durch": diesen Wunsch haben die 48 Fahrer, die zwölf Einweiser und Vorleute am Schuppen 48 verinnerlicht. Es quietscht und hallt durch den Schiffsbauch. Wenn die Fahrer in ihren weißen Overalls mit den Autos von der Heckrampe in eines der oberen Ladedecks rasen. Dort in Vierer-Gruppen von einem fünften Fahrer abgeholt werden und wieder runter fahren. Zurück zu dem riesigen Parkplatz, wo bereits die nächsten Fahrzeuge warten. Alles, was höher ist als 2,60 Meter, gilt als Lastwagen, die Verschiffung kostet extra. Ansonsten liegt der Preis für einen Pkw bei rund 400 Euro.

Jan Kaiser: "Jedes Auto kriegt 'ne eindeutige Identity-Nummer, damit man die auch wieder findet, auch in Afrika. Wenn diese ganzen Formalitäten abgestimmt sind mit uns, dann werden die geladen."

Und zwar exakt in derselben Reihenfolge, wie sie unten, auf dem riesigen Parkplatz stehen. "Das muss so", sagt Kaiser, "bei 300 bis 400 Autos, die täglich angeliefert werden." Wenn man da nicht vorsortiert, endet alles im Chaos.

Eine Treppe runter, und schon steht Kaiser auf Deck 7. Der Kapitän muss hier gebückt gehen, die Deckhöhe ist nur 1,80 Meter. Wieder der Blick zur Uhr. "Müsste jetzt bald fertig sein", murmelt der Kapitän. Deck 7, das sind 400 Mercedes, alle neu. Die S-Klasse für Afrika.

"Das ist Cotonou. Sie sehen, Cotonou ist nicht nur gebraucht. Das sind noch 36 Stück, dann geht das mit gebrauchten Fahrzeugen weiter ..."

Im Minutentakt schießt eine S-Klasse nach der anderen um die Kurve, erreicht Deck 7. Dort, inmitten von Abgasen und Lärm, steht Guiseppe Santoro, ein kleiner, kompakter Mann in knalloranger Weste mit einer Trillerpfeife im Mund. Santoro ist Einweiser. Dirigiert die Autos auf den ihnen zugewiesenen Platz. Lässt sie dann von den Fahrern mit vier Laschengurten an Haltegriffen am Boden festzurren.

Guiseppe Santoro: "Normalerweise müssen sie 40 cm auseinander sein, aber da die Laschpunkte hier recht weit auseinander sind, ist der Abstand viel größer. Die müssen einen Winkel haben von 45 Grad, damit die Autos vernünftig gelascht werden können."

Das schreibt der Autobauer so vor. Und die Reederei hält sich dran. "So eine S-Klasse kost´ ja auch ein paar Mark", sagt Kaiser. Geht gebückt weiter in Richtung eines der Fahrzeuge und zeigt auf den DIN-A-4 großen Aufkleber oben links auf der Windschutzscheibe: den Auto-Code-Sticker. Weiß, mit einem diagonalen blauen Balken. Die Farbkombination signalisiert schon von weitem: dieser Wagen geht nach Cotonou, Benin.

Auf dem Sticker steht die sechsstellige Fahrgestellnummer, die Automarke und "Neuwagen" oder "Gebrauchtwagen". Viel mehr nicht. Speditionsfirmen im Hafen erledigen den restlichen Papierkram. Verschiffungsformulare, Importlizenzen, Zollausfuhrbestimmungen.

"Wenn sie sich einen Überblick über die Gebrauchten verschaffen wollen, müssen wir runter, auf den Parklatz", sagt Kaiser.

Hier: kaum S-Klasse. Dafür mehr Japaner. Nissan, Mitsubishi, Honda. Limousinen, Pick-Ups, Jeeps, Kleinbusse. Alles Autos, die vor ein paar Tagen noch bei Händlern wie Bassan Harb auf dem Hof standen. Darunter viele Unfallwagen. Überall eingedrückte Stoßstangen, platte Reifen, Lack- und Totalschäden. Am Schuppen 48 gilt nur eine Regel: Ist der Code-Sticker drauf, geht der Wagen mit. One-way nach Afrika.

Jan Kaiser: "Die gehen nach Cotonou, ja, das sind teilweise Unfallfahrzeuge."

"Technisch sollten sie noch irgendwie funktionieren", sagt Kaiser. Bremsen und Lenkung zumindest. Weil sie im schlechtesten Fall beim Verladen zwölf Decks rauf müssen. Eine ganz schöne Kurverei. Wie aber soll das der Mitsubishi Charisma mit der Chassi-Nummer 222110 schaffen? Stoßstange und Kühler eingedrückt, die Reifen platt, macht er seinem Namen keine Ehre.

Ein aufgestellter Scheibenwischerarm signalisiert Kaiser: dieses Auto schafft es nicht mehr aus eigener Kraft. Zeit für die Pusher.

Das sind extra umgebaute Nissan-Jeeps mit Puffern aus alten Reifen vor Kühlergrill und Stoßstange. Einer von ihnen nimmt Anlauf, hält direkt auf den Mitsubishi zu. Der macht einen Satz nach vorn, und schon klebt der Jeep wieder hinten an seiner Stoßstange. Beide Autos schrauben sich wie aneinandergekoppelt Deck für Deck im Schiffsbauch nach oben. Wieder hallt und quietscht es. Der Pusher rast wieder bergab. Zwei Schichten lang geht das so, bis Mitternacht. Fahrer, Verlader und Hafenkapitän Kaiser stehen unbeeindruckt daneben.

12 Tage später, 5000 Seemeilen weiter. Im Hafen von Cotonou, in der westafrikanischen Republik Benin. Endlich: die "Grande Atlantico" hat festgemacht. 24 Stunden ist das Schiff schon überfällig. Wegen Überlastung des Hafens musste es zehn Seemeilen entfernt, im Golf von Benin, warten. Bis die Hafenbehörde meldete: Liegeplatz frei.

Seit Tagen lungern vor dem Hafengelände etwa 200 Männer in zerrissenen Hosen und dreckigen Fußballtrikots rum. Sie hoffen auf einen Tagelöhnerjob. Eine kleine Gruppe von ihnen hat es geschafft, ist schon drinnen. Seit 24 Stunden liegen die Männer im Schatten von Containern und unter LKWs, dösen vor sich hin. Sie tragen Turnschuhe und Flipflops. Keine Helme, keine Sicherheitswesten.

Cotonou hat 800.000 Einwohner. Direkt oder indirekt lebt mindestens jeder zweite hier von Autos. Vom Kleinhandel mit Ersatzteilen, Reparaturen, vom Handel mit Benzin. Hunderte von Familien verkaufen Treibstoff aus Nigeria, dem Nachbarland. Fahren mit ihren Mopeds über die grüne Grenze, zapfen irgendeine Pipeline an und schmuggeln den Sprit in Kanistern zurück. Manchmal fliegt dabei eine Pipeline in die Luft. Wie zuletzt im Dezember 2006. Hunderte Menschen sterben.

Egal. Gebrauchtwagen aus Deutschland sind gefragt. Cotonou braucht ständig Nachschub. Also sind alle hier. Die, die irgendwie versuchen, davon zu leben. Die einen Job suchen, als Fahrer, Wagenwäscher, irgendwas. Um mit dem Geld ein paar Tage über die Runden zu kommen. Und die, die vom Geschäft mit den Gebrauchtwagen ganz gut leben: die Autohändler. Sie stehen mit ihren Limousinen im Schatten der Lagerhallen, spielen mit ihren Mobiltelefonen. Libanesen, Belgier, Franzosen. Garo Bambuquien ist einer von ihnen. Und, wie die meisten, Libanese.

Garo Bambuquien: "Früher war es wesentlich einträglicher, im Moment ist das Geschäft sehr, sehr hart, wir verdienen kaum noch etwas daran. Alles ist teurer geworden. Die Frachtkosten, die Hafengebühren - wir machen kaum noch Gewinn."

Lässig, an ein Absperrgitter gelehnt, steht der 54-Jährige da. Seine drei Söhne, ebenfalls alles Autohändler, hat er zur Rampe geschickt.

Garo Bambuquien: "Zum einen fordert die Reederei, dass wir hier, beim Entladen, dabei sind. Und dann tun wir das auch aus eigenem Interesse. Wir haben ein Auge auf unsere Autos, möchten wir doch, dass sie möglichst heil auf dem Parkplatz und später auf dem Automarkt ankommen."

Die Sorge ist berechtigt. Die ersten Autos holpern von Bord. Ein Honda Civic, ein Audi 80, ein BMW 320. Der Honda hat vorne links, der BMW hinten rechst einen Platten, beide rollen auf der Felge. Stahl kratzt auf Stein, Funken sprühen. Dann geht alles blitzschnell.

Ein Dutzend Männer umstellt das Auto, sichert alles, was nicht schon in Deutschland im Kofferraum verstaut wurde.

Außenspiegel, Zierleisten, Typenschilder, Blinkergläser, Scheibenwischergummis. Neun der Männer schrauben Teile ab oder kleben sie fest. Die drei anderen erledigen den Papierkram.

"Hier steht der Schiffsname drauf, Schlüsselnummer und Ankunftsdatum. Sowie der Name des Importeurs und des Exporteurs."

... erklärt ein kleiner, drahtiger Mann mit Inspektor-Clouseau-Bart und dunkelgrüner Uniform: Grimaldi-Hafenkapitän Clemens Godolou. Der Jan Kaiser von Cotonou.

Clemens Godolou: "Na ja, und dann wird alles angeklebt, was leicht abzumontieren wäre. Kommt schon mal vor."

Vor ein paar Jahren noch trugen die Hafenpolizisten von Cotonou Peitschen. Schlugen brutal zu, wenn sich Kleindiebe über Radkappen, Tankdeckel oder irgendein anderes Teil hermachten. Dabei war es ein offenes Geheimnis, dass derjenige, der der Polizei vorher ein Schmiergeld gezahlt hatte, auch schon mal mit einer Zierleiste oder einem Außenspiegel davon kam.

Hafenkapitän Clemens Godolou räuspert sich, nickt. Er weiß, wie es noch vor vier, fünf Jahren im Hafen zuging. Heute, sagt er, braucht die Polizei keine Peitschen mehr.

"Nein, gestohlen wird nicht mehr. Vor vier, fünf Jahren war das viel schlimmer. Das war ein echtes Problem. Aber jetzt ist der Hafen von Cotonou sauber."

"Allez, allez" treibt der Grimaldi-Mann seine Männer an. Der eine Tag Verspätung sitzt ihm im Nacken. Zeit ist Geld. Auch hier, kurz vor dem Ziel.

"Natürlich, Zeit ist Geld. Wir müssen jetzt richtig ranklotzen, damit wir das Schiff möglichst schnell leer bekommen. Das ist unser Ziel, immer. Wenn alles gut läuft, schaffen wir das in 12 Stunden. Von hier werden die Autos direkt zu dem bewachten Parkplatz im Hafen gebracht. Und noch heute Nacht zum zentralen Automarkt von Cotonou."

12 Uhr mittags. 40 Grad im Schatten. Noch sind über 1000 Fahrzeuge an Bord. Und unten, an der Rampe, staut es sich. Der erste Boxenstopp - das Prüfen der Papiere, das Sichern der Kleinteile - dauert einfach zu lange.

Immer wieder: kein Durchkommen, weil eine Mauer von Menschen den Autos den Weg versperrt. Händler, Tagelöhner, Polizisten, der eine oder andere Dieb. Alle laufen, reden durcheinander.

Und jetzt auch noch das. Ein junger Afrikaner stürzt auf Godolou zu, einer der Tagelöhner. Fleht ihn an, sofort mitzukommen. Sein Blick: ängstlich, wie der eines Kindes, das gerade etwas angestellt hat.

Der junge Mann redet schnell, überschlägt sich fast. Erzählt, dass bei dem 320er BMW, für den er gerade die Papiere bearbeitet, der CD-Spieler fehlt. Er will, dass der Hafenkapitän das aufnimmt. Je schneller, desto besser. Damit am Ende nicht er dafür aufkommen muss. Godolou mustert den Mann. Sagt, dass er gleich kommt. Einmal leise und höflich. Beim zweiten Mal dann mit aller Kraft seiner Autorität.

Zuerst aber will er noch mehr Fahrer aufs Boot schicken, damit das Abladen schneller geht. Jan Kaiser, sein Kollege in Hamburg, hat das Verladen mit 48 Männern geschafft. Das ist hier, in Afrika, undenkbar.

Godolou muss los. Winkt einen Hafenpolizisten als Geleit zum Parkplatz heran und verabschiedet sich höflich.

Sergeant Daniel Silvon trägt einen olivgrünen Anzug, schwarze Lackschuhe, einen schwarzen Gürtel mit Pistole. Mit einem weißen Tuch wischt er sich ständig den Schweiß aus dem Nacken und von der Stirn.

Mit seinen vorstehenden Zähnen sieht er ein bisschen aus wie der brasilianische Fußballstar Ronaldinho. Nur: der Sergeant lacht nicht. Und spricht nicht. Kein Wort. Befehl von oben.

Silvon geht langsam und aufrecht den Kai hinunter. Immer ein paar Schritte voraus. Vorbei an der ersten Menschenmauer, den Männern Godolous.

Die fertigen noch immer im Minutentakt Autos ab. Kleben Teile ab, sichern, nehmen Fahrgestellnummern auf. Ein leichter Klaps aufs Dach. Und schon startet der Fahrer durch. In Richtung Parkplatz.

In dieselbe Richtung geht auch Silvon. Vorbei an unzähligen LKWs, unter deren Führerhäusern Fahrer im Schatten liegen und schlafen. Sie alle warten auf ihre Ware, die Container vom Wetterdeck der "Grande Atlantico".

Dann wird es plötzlich ruhiger, die geteerte Kaistraße macht einen scharfen Knick, wird zur Piste. Der Sand läuft hinunter bis zum Wasser. Kein Tanker, kein Boot versperrt jetzt mehr den Blick aufs offene Meer. Einer der größten Häfen Westafrikas, der größte Umschlagplatz für Autos, sieht hier aus wie eine Strandmulde.

Wasser plätschert sanft an Land, als plötzlich das Handy des Sergeanten klingelt. Er kann also doch sprechen. Und kaum hat er aufgelegt, zeigt er auf ein mehrere Fußballfelder großes Gelände hinter Stacheldraht und Betonpfeilern, das von ein paar Männern mit Gewehren bewacht wird. Der Sammelplatz für die Autos aus Europa.

"They close it."

... sagt der Sergeant und wird plötzlich richtig gesprächig. Erzählt, dass die Autos hinter dem Zaun bis heute Nacht hier parken und erst dann zum großen Automarkt gefahren werden. Weil sie nachts nicht so leicht im chaotischen Verkehr von Cotonou stecken bleiben oder verloren gehen. "Sind sie einmal dort", sagt Silvon, "sind sie auch schon so gut wie wieder weg". Jeden Tag ist Automarkt. Die Leute kommen jeden Tag, von überall.

"Nigeria, Togo, Tschad, Elfenbeinküste."

Er selbst war auch schon da. Nur um zu gucken. Er baue sich gerade ein Haus - "dann kommt das Auto", sagt er und lächelt jetzt sogar. Die Frage welches - erübrigt sich.

"Oh, Mercedes ... ha ha."