Bundeswehr

Humanistischer Verband will Seelsorge leisten

Rekruten stellen sich am Freitag (20.07.2012) im Bendlerblock in Berlin für das feierliche Gelöbnis auf.
Rekruten stellen sich am Freitag (20.07.2012) im Bendlerblock in Berlin für das feierliche Gelöbnis auf. © pa/dpa/Nietfeld
Von Julia Weigelt · 31.01.2016
In der Bundeswehr leisten hauptsächlich Pfarrer Seelsorge - dabei sind rund die Hälfte der Soldaten gar nicht gläubig. Nun fordert der Humanistische Verband, an den Schulungen mitwirken zu dürfen.
Nach dem Tod ist das Leben einfach vorbei. Kein Himmel, kein Nirvana – nichts. Davon sind Humanisten wie Ralf Schöppner überzeugt. Schöppner ist Bundesbeauftragter des Humanistischen Verbandes Deutschlands für Soldatenberatung. Schon 2013 haben ihn die Verbandsmitglieder dazu ernannt. Doch regelmäßige humanistische Schulungen gibt es bei der Bundeswehr bis heute nicht. Dabei ist das dringend nötig, findet Schöppner:
"Wenn man sich mit solchen Fragen wie Tod und Sterben beschäftigt, ist es in der Tat in Krisensituationen, in Situationen, in denen ich über das Leben nachdenke und den Sinn meines eigenen Tuns, weitaus günstiger, wenn ich dann mit jemandem zusammensitze, der einen ähnlichen weltanschaulichen Hintergrund hat. Und da macht es einen großen Unterschied, ob ich diese Glaubensgewissheit und die damit verbundenen Trostvorstellungen im Gepäck habe, oder nicht."
Für Humanisten gibt es Schöppner zufolge weder Aussicht auf das Paradies, noch einen sinnhaften Tod. Auch jegliche Form von Heldentum lehnt er ab. Das alles auszuhalten ist schwer. Gemeinsames Trauern helfe jedoch – und Galgenhumor, sagt Ralf Schöppner.
Wenig Verständnis für Humanisten: "Da sind wir als Christen näher dran"
Matthias Heimer, Militärdekan und Leiter des Kirchenamtes des Bundeswehr, steht einem Engagement von Humanisten bei der Begleitung von Soldaten skeptisch gegenüber. Eine Beteiligung am grundsätzlich konfessionell neutralen "Lebenskundlichen Unterricht" (LKU) hält Heimer zwar für möglich, aber:
"Bei Seelsorge bin ich ein bisschen kritisch beim Humanisten, weil ich gar nicht genau weiß, wie er sich um die Seele kümmern will, sag‘ ich jetzt mal ein bisschen provokativ. Da hängt natürlich das ganze Menschenbild dran, und da denk‘ ich, sind wir als Christen, oder als gläubige Menschen, die sich vorstellen, dass die Seele eine von Gott eingegebene Gabe an den Menschen ist, vielleicht die, die da näher dran sind."
Humanisten haben seit 2009 das Recht, sich am LKU, zu beteiligen. Seitdem erlaubt die Zentrale Dienstvorschrift 10/4 der Bundeswehr auch nichtchristlichen Fachkräften, LKU zu unterrichten. Etabliert ist humanistische Soldatenbetreuung innerhalb der NATO bislang nur in der belgischen und niederländischen Armee.
Für deutsche Soldaten hat der Humanist Ralf Schöppner bislang nur sporadisch Ethikseminare angeboten. Doch er will sein Engagement intensivieren und sieht einen großen Bedarf. Dabei zieht er eine Bundeswehrstudie von 2013 heran, nach der sich knapp die Hälfte aller befragten Soldaten als "nicht gläubig" fühlen. Die in der Studie ebenfalls herausgearbeitete hohe Akzeptanz an Veranstaltungen der Militärseelsorge, an denen auch Atheisten teilnehmen, fußt laut Schöppner vor allem auf einem Mangel an Alternativen.
Ansprechpartner bei der Bundeswehr oder im Bundestag sind oft Kirchenleute
Um selbst LKU anbieten zu können, nahm er Kontakt mit der Bundeswehr auf. Nach langem Hin und Her hatte er schließlich 2013 ein Gespräch beim Zentrum Innere Führung in Koblenz. Seiner Einladung zur humanistischen Jahrestagung folgte allerdings kein Bundeswehrvertreter. Ralf Schöppner:
"Alle weiteren Versuche, den Kontakt aufrechtzuerhalten oder gar zu intensivieren sind dann danach gescheitert, weil es – man muss das so sagen – kein großes Interesse von der Bundeswehr an einer Zusammenarbeit mit dem Humanistischen Verband in Bezug auf Militärseelsorge gibt."
Ein Sprecher des Zentrums Innere Führung verweise indes auf Anfrage auf das Verteidigungsministerium, das bislang in Sachen humanistische Soldatenberatung keinerlei Anordnungen herausgegeben habe. Zudem habe das Zentrum keine Erkenntnisse darüber, ob in der Truppe überhaupt ein Bedarf bestehe und plane deswegen auch keine Aktionen. Dieses freundliche Desinteresse kommt nicht von ungefähr, ist sich der Humanist Schöppner sicher:
"Wenn Sie bei der Bundeswehr versuchen, einen Ansprechpartner zu finden, stellen Sie hinterher, wenn Sie recherchieren ‚Wer ist denn das genau‘, stellen Sie relativ schnell fest: Das ist ein Kirchenmann. Wenn Sie bei den Fraktionen des Bundestags anrufen und dort versuchen, einen Kontakt herzustellen, und dann mit dem Sprecher oder der Sprecherin für Militärseelsorge oder jemandem, der im Verteidigungsausschuss sitzt und für dieses Thema zuständig ist, wenn Sie mit denen sprechen und hinterher recherchieren ‚Wer ist denn das‘, dann stellen Sie auch fest: Es ist in der Regel ein Kirchenmann oder eine Kirchenfrau. Und deshalb ist es gar nicht so einfach, wenn man jetzt als Humanistischer Verband dort ankommt, überhaupt Gehör zu finden oder auf Interesse zu stoßen."
Auch bei der SPD-Abgeordneten Heidrun Henn wollte Schöppner Gehör finden, doch bisher hat er keinen Gesprächstermin erhalten. Henn ist Sprecherin für Militärseelsorge – und Diakonin. Deutschlandradio Kultur teilte sie auf Nachfrage mit, es gebe am Zentrum Innere Führung mittlerweile eine Ansprechstelle für Soldatinnen und Soldaten anderer Glaubensrichtungen, die gerade mit der Arbeit begonnen habe. Konfessionslose Soldaten seien zudem im weltanschaulich ungebundenen LKU sowie bei Psychologen und Sozialarbeitern gut aufgehoben. Indes sei auch die Militärseelsorge für jeden Menschen da. Wenn Soldaten weitere weltanschaulich-ethische Betreuung brauchten, werde sie sich dafür einsetzen. Einen Interessenskonflikt, als Diakonin auch Humanisten zu unterstützen, sieht die Abgeordnete nicht. Ihr Interesse gelte allen Menschen.
Verbandsvertreter: Kirchen profitieren auch finanziell von der Militärseelsorge
So sieht es auch Veronika Bock, Direktorin des Zentrums fürs ethische Bildung in den Streitkräften, kurz Zebis, das von der katholischen Soldatenseelsorge finanziert wird. Bock sieht keine Notwendigkeit, den "Lebenskundlichen Unterricht" auch von Humanisten anbieten zu lassen, da sowohl der LKU als auch das Zebis pluralistisch und interdisziplinär aufgestellt seien.
"Ich bin für einen Besuch von Humanisten im Zebis – herzlich willkommen! Wir sind dankbar für Anregungen von ihrer Seite, sollte es welche geben in Blick auf die Bildungsformate, die das Zebis entwickelt. Wir sind da völlig entkrampft."
Entkrampfte Kirchen, interessierte Bundeswehr - der Humanist Ralf Schöppner hat das anders erlebt. Er will sein Ziel weiter verfolgen, doch sein bisheriges Resümee fällt erwartungsgemäß eher weltlich aus:
"Es geht dabei auch um Geld. Die Kirchen profitieren natürlich auch im finanziellen Sinne davon, dass sie diesen Seelsorgebereich und auch den ‚Lebenskundlichen Unterricht‘ komplett abdecken. Es geht aber auch um eine weltanschauliche Frage, dass es anscheinend immer noch nicht akzeptiert wird, dass es viele konfessionsfreie Soldatinnen und Soldaten gibt, und dass die vielleicht eine andere Art und Weise des Ansprechens und der Debatte oder Beratung benötigen, als sie die von den christlichen Militärseelsorgern bekommen können."
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